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Kostbare Reliquie

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Entsprechend ihren kulturellen Aufgaben verfügen Stifte und Klöster meist auch über Repräsentationsräume - heute nur im Rahmen von Ausstellungen zugänglich.

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Entsprechend ihren kulturellen Aufgaben verfügen Stifte und Klöster meist auch über Repräsentationsräume - heute nur im Rahmen von Ausstellungen zugänglich.

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1138 war für das kirchliche Leben in Tirol ein bedeutsames Jahr: Papst Innozenz II. bestätigte nicht nur das von Mönchen aus dem schwäbischen Kloster Rot an der Rot gegründete Prämonstra-tenserkloster Wüten, das mit seiner dem heiligen Laurentius geweihten Kirche auf dem Boden des ehemaligen römischen Kastells Veldidena errichtet wurde, er erhob auch die abgeschiedene klösterliche Gründung auf dem St. Georgenberg bei Schwaz im Unterinntal zu einer Benediktinerabtei.

Zu diesem 850-Jahr-Jubiläum wurden sowohl das Stift Wilten nach fast totaler Zerstörung im Zweiten Weltkrieg - als auch die Abtei St. Georgenberg-Fiecht umfassend restauriert. Die Tiroler Landesausstellung mit dem nicht eben wirkungsvollen Titel „Heiltum und Wallfahrt“ hat in diesen beiden geistlichen Zentren des Landes einen würdigen und dem religiösen Charakter entsprechenden Rahmen. Zugleich mit den Schätzen aus Kunst und Kultur wird dem interessierten Besucher dort bis 9. Oktober die Möglichkeit geboten, mehr über das von den Wechselfällen der Geschichte mitbestimmte religiöse und kulturelle Wirken dieser beiden traditionsreichen Klostergemeinschaften zu erfahren. Uber gegenwärtige Aufgaben, Probleme und Zukunftschancen der klein gewordenen Klostergemeinschaften informiert auch ein Videofilm.

Daß das Stift Wilten neben seinen pastoralen immer auch kulturelle Aufgaben erfüllte und repräsentativen Verpflichtungen nachkam, ist unter anderem der Existenz der mit 60.000 Bänden äußerst reichhaltigen Stiftsbibliothek wie auch der teilweise prachtvollen Ausgestaltung der Schauräume zu entnehmen. Heute steht beispielsweise der Nor-bertisaal, der große Prunkraum mit spatbarocker Stukkatur und prächtigen Deckenfresken von Kaspar Waldmann, vor allem für festliche Konzerte zur Verfügung.

Das „Gartenzimmer“ mit seiner phantasievollen französischen Parklandschaft, das „Jagdzimmer“ mit seinen köstlichen romantischen Jagdszenen oder auch das „Verklärungszimmer“ mit den die Verklärung Jesu auf dem Tabor darstellenden Deckengemälden von Kaspar Waldmann sind kostbarer und sehenswerter Hintergrund für die in großer Vielfalt ausgestellten Reliquien, und Heiltumsschätze, die von zahlreichen Leihgebern aus ganz Tirol zusammengetragen wurden. Die Exponate reichen von Reliquienschrein und Reliquienglas über die in kostbare Gerätschaften und Gefäße, in reich verzierte Monstranzen und Altärchen gefaßten Reliquien bis zum Armre-liquiar und dem Rahmenreliquiar mit dem Schweißtuch Christi.

Den Mittelpunkt bilden wohl die Schaustücke aus dem überaus reichhaltigen Heiltumsschatz des Florian Waldauf aus der Haller Stadtpfarrkirche, der aus dem 16. Jahrhundert stammt und von dem auch das handgeschriebene Heiltumbuch mit Holzschnitten von Hans Burgkmair aufliegt. Reizvolle Ergänzung dazu sind die beiden Holztafeln mit dem in Ol gemalten, barock inszenierten Festumzug, bei dem dieser Heil-tumschatz im Jahr 1700 zur Schau gestellt wurde.

Mit den Reliquiaren in engem Zusammenhang stehen die Stiftungen, die teilweise von hochgestellten Persönlichkeiten wie Kaiser Maximilian I. oder Erzherzog Sigmund, teilweise aber auch von Pfarrherren und Bruderschaften stammen. Der Wilte-ner Kelch, einer der schönsten des Hochmittelalters, ist allerdings nur als Kopie zu sehen, das Original mußte vom Stift in der Notzeit von 1938 an das Kunsthistorische Museum verkauft werden. An wirtschaftlich bessere Zeiten erinnert die Stiftung des Wiltener Abtes Lerchner — ein aufwendig verzierter, aus teilweise vergoldetem Silber gefertigter Pastoralstab.

Ein Prunkstück des zweiten Teiles der Ausstellung ist der Pastoralstab des seligen Bischofs Hartmann von Brixen. Dieser Ausstellungsabschnitt in den schmucklos-schlichten Räumen des Klosters Fiecht ist vor allem dem Thema Wallfahrt gewidmet. Schon um 1100 war das abgelegene Bergkloster St. Georgenberg Ziel vieler Wallfahrten, wohl infolge seines reichen Reliquienschatzes, der allerdings nur mehr im Heiltumbuch von Georgenberg nachweisbar ist. Als durch einen Großbrand St. Georgenberg 1705 völlig zerstört wurde, baute man die Abtei an anderer Stelle, in Fiecht, wieder auf.

Wallfahrtskultur

Einige Jahrzehnte später erstand auch auf dem Georgenberg .wieder eine Kirche mit kleiner Klosteranlage — damit war die große Bedeutung der dortigen Wallfahrtsseelsorge weiterhin gewahrt. Heute kommen zu den beliebten Nachtwallfahrten nicht selten an die fünftausend Pilger. Das ausgestellte Kirchfahrtenbuch gibt Aufschluß über die Wallfahrtskultur des Mittelalters, die Gnadenbilder verschiedener traditionsreicher Tiroler Wallfahrtsorte sind in Kopien und Repliken zu sehen.

Eine Fülle von Votivbildern und Andenken erinnert an Gebetser-hörungen und Gnadenerweise, an wunderbare Heilungen und an Hilfe in Bedrängnissen aller Art.

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