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Zwei Wege zum Ziel

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Am kommenden Wochenende wird die SPÖ auf ihrem Parteitag in Graz ihr Wirtschaftsprogramm beschließen. Auch die Vorstellungen der ÖVP liegen auf dem Tisch. Wo wäre ein gemeinsamer Weg denkbar? Und wo scheiden sich die Geister?

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Am kommenden Wochenende wird die SPÖ auf ihrem Parteitag in Graz ihr Wirtschaftsprogramm beschließen. Auch die Vorstellungen der ÖVP liegen auf dem Tisch. Wo wäre ein gemeinsamer Weg denkbar? Und wo scheiden sich die Geister?

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Während uns die Wirtschaftsforscher schwere Zeiten Vorhersagen, versuchen die Wirtschaftspolitker aller Parteien (vor allem die der SPÖ) weiterhin den Wählern die „Machbarkeit“ der Wirtschaft vorzutäuschen. Die ÖVP ist da doch ehrlicher und gibt zu, daß das Risiko des Wirtschaftsprozesses nie gänzlich ausgeschaltet werden kann, sondern daß ein Programm nur dazu beitragen soll, dieses Risiko zu verringern, um soziale Härten und menschliche Probleme zu vermeiden.

Das SP-Programm hingegen steht unter der Devise: Die österreichische Wirtschaft hat erst ab 1970 so richtig zu sich selbst gefunden, die letzten elf Jahre waren ausgezeichnet und die „paar Probleme“, die es gibt (Belastungsdruck, gigantisches Budgetdefizit, Staatsschulden und Leistungsbilanzdefizit), sind kaum der Rede wert.

Die ÖVP hat hier-zumindest ansatzweise - eine grundlegend andere Konzeption. Sie geht davon aus, daß heute die alte Gleichung) mehr Staatsausgaben - mehr Wachstum, nicht mehr stimmt und daß die Vollbeschäftigung nicht mehr über Budgetdefizit gesichert werden kann.

Erstaunlich ist hingegen, daß beide Parteien das gleiche Ziel in ihren Programmen und Vorschlägen verfolgen: Sicherung der Vollbeschäftigung. Diese Übereinstimmung ist deswegen so bemerkenswert, weil es noch vor einiger Zeit (auch in den Parteien) die Diskussion gegeben hat, ob die Erreichung verschiedener wirtschaftspolitischer Ziele gleichzeitig möglich ist oder nicht. Die Illusion, verschiedene Ziele, die sich aber oft widersprechen, gleichzeitig erreichen zu können, wie z. B. Vollbeschäftigung, Geldwertstabilität und optimales Wirtschaftswachstum (magisches Dreieck), ist nun endgültig aufgegeben worden.

In vielen Teilbereichen sind die Vorschläge der beiden Parteien durchaus ähnlich oder auf der gleichen Linie, wie z. B. mehr Geld für Forschung und Entwicklung, Ausbau von Bahn und Schnellbahn, Ausbau der Fernwärme, Förderung der heimischen Produktion von Ölsaaten, bessere Wiederverwertung von Alt- und Abfallstoffen, bessere Koordinierung der Arbeitsmarkt-, Export- und Investitionsförderung, bessere Koordinierung der Förderungsaktionen im Fremdenverkehr, Starthilfen für die Errichtung österreichischer Handelshäuser im Ausland, Ausbau der Erfolgskontrolle für die Regionalpolitik, Möglichkeit zu einem Bildungsurlaub.

Grundsätzliche Unterschiede in den Vorschlägen, wie man die Probleme bewältigen kann, zeigen sich vor allem in drei Schwerpunkten: Investitionsförde rung, Gesellschaftsrecht, Verteilungspolitik.

• Bei der Investitionsförderung glauben die Sozialisten, durch direkte Zuteilung von Mitteln für spezielle Vorhaben, die eingereicht, geprüft und von einer Kommission bewilligt werden müssen, eine bessere Wirtschaftsstruktur zu erreichen.

Die ÖVP hingegen ist der Auffassung, daß die indirekte (steuerliche) Förderung den Vorteil hat, daß sie den erfolgreichen Betrieb fördert und diese Förderung nicht kontrolliert oder bewilligt werden muß, da sie erst im nachhinein gegeben wird.

• Im Gesellschaftsrecht forciert die SPÖ die paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Großunternehmen (die früher oder später sicher kommen wird) und fordert, daß Wirtschaftsausschüsse mit aufsichtsratsähnlichen Funktionen in Personengesellschaften installiert werden.

Die ÖVP will jedoch die nächste Phase der Mitbestimmungsdiskussion für den Ausbau der individuellen Arbeitsrechte, d. h. für die genaue Formulierung der Rechte des Arbeitnehmers im Betrieb, nützen. Denn Mitbestimmung im Betrieb muß mehr sein als einmal in drei Jahren einen Betriebsrat zu wählen, an den alle Rechte delegiert sind.

• In der Einkommens- und Vermögenspolitik stellt der SP-Entwurf (nach elf Jahren sozialistischer Regierung) apodiktisch fest, daß es noch immer beträchtliche Einkommens- und Vermögensunterschiede gebe. Als Instrument der Verteilungspolitik sei insbesondere die Steuerpolitik einzusetzen.

Ohne Zweifel könnte die Verteilung von Einkommen und Vermögen in Österreich „gerechter“ sein. Doch bevor man große Umverteilungspläne entwirft, müßte man einmal die Frage klären, ob die Umverteilungsmechanismen, die wir haben, wirklich noch zu einer Umverteilung von „reich“ zu „arm“ führen:

Es gibt zwei Bereiche, wo diese Umverteilung im Sinne eines sozialen Ausgleichs gelingt: Diese beiden Gruppen sind der Gesundheitsbereich und der Bildungsbereich.

Die Umverteilung, die wir heute aber in vielen anderen Bereichen haben, bringt vielleicht dem einzelnen psychologisch das Gefühl, daß er „gewinnt“, in Wirklichkeit ist jedoch die Umverteilungsspanne der Bürokratie bereits größer als ein etwaiger sozialer Umverteilungseffekt. Daher wäre es zuvor unerläßlich, genaue Analysen anzustellen, um zu wissen, in welche Richtung eine Umverteilung erfolgen soll.

Der Autor ist Vorstandsdirektor der Wiener Holding und wirtschaftspolitischer Referent der Fraktion christlicher Gewerkschafter im ÖGB.

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