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Deutsche Kunstgeschichte
Der eben erschienene IV. Band der „Deutschen Kunstgeschichte“ stellt eine imposante wissenschaftliche und verlegerische Leistung dar. Er bildet weit mehr als eine Ergänzung zu Band III („Deutsche Malerei“) des gleichen Verfassers, nämlich die selbständige Darstellung und Deutung jenes Bereiches deutschen Kunstschaffens, in welchem die formenden Kräfte des Volkes unerschöpflich und unmittelbar quellen und in eigener Sphäre sich vollenden als auf jedem anderen Teilgebiet. — In prachtvoller gedanklicher Tiefe und Geschlossenheit gibt Fischer mit diesem monumentalen Werk zugleich eine Geschichte der Entwicklung und Wandlung des deutschen Formgefühls von der geschichtlichen Frühzeit bis auf unsere Tage. Die Darstellung umfaßt auch Werke in künstlerischen Techniken, die der Zeichnung verwandt sind, so Metallschnitte, f die Emailplatten der romanischen Reliquienschreine sowie bestimmte Zweige der Buchmalerei und des Fresko. Damit wird der deutsche Urtrieb zur Zeichnung in seiner vollen Breite erfaßt; damit rücken einzelne Kapitel des Buches, wie zum Beispiel die Frühzeit der deutschen Graphik, in neues, helleres Licht. Dies um so mehr, als der Verfasser im Anschluß an die Arbeit auch österreichischer Forscher mit vollem Erfolg versucht, die deutschen Handzeichnungen des frühen 15. Jahrhunderts auf die einzelnen Volksstämme aufzuteilen. In vollstem Sinne bewundernswert sind die knappen und doch tiefen Charakteristiken, die Fischer von der Vielfalt des graphischen Schaffens und dem künstlerischen Wesen der großen deutschen
Zeichner, namentlich der Dürer-Zeit, in einer gedankenvollen, formvollendeten Sprache gibt, die sich über die Dürre des modernen Gelehrtendeutsch mit der Kraft eigenster Empfindung und Überzeugung zu wahrer Größe erhebt. Namentlich der fesselnde „Rückblick“, mit dem das Buch schließt, ist Zeugnis einer weiten geistigen Schau und von bleibendem Wert. Wenn angesichts dieser großen Leistung noch Bedenken sich erheben können, so sind es jene, daß die sublime Zeichenkunst der süddeutschen und namentlich der österreichischen Barock-freskanten und Architekten gegenüber den norddeutschen Akademikern und Illustratoren doch allzu karge Erwähnung gefunden hat und das interessante, für die deutsche Kunstgeschichte so aufschlußreiche Kapitel der Bildhauerzeichnung kaum gestreift wurde.
Fischers Text gewinnt überzeugendes Gewicht durch die Fülle sorgsam gewählter und ausgezeichnet gedruckter Bilder, die Autor und Verlag diesem Buch gaben, das die letzte reifste Arbeit eines Gelehrten ist. (Fischer starb 1948 in Basel, dessen erstes Werk, „Die altdeutsche Malerei in Salzburg“, 1908, bis heute als grundlegende Leistung anerkannt ist).
Mit Spannung erwarten wir nun Band II der „Deutschen Kunstgeschichte“, in der Carl Theodor Müller eine Geschichte der deutschen Plastik geben wird, jenes Schaffensbereiches, dessen geistiges Bild von der Forschung der letzten Jahre in entscheidendem Maße bereichert worden ist.
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