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Kein Organ für ökologische Notwendigkeiten

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Lebenslang ein Pathomist (pathologischer Optimist), will ich glauben, daß der neue Kanzler und sein Team mit einer frischen Brise die recht schlaffen Segel unseres Staatsschiffes straffen werden.

Die entscheidende Frage allerdings ist, in welche Richtung Klima das Österreichschiff lenken wird, ob im Fahrwasser reiner Industrieinteressen und im Schlepptau von Brüssel. Oder ob er das Format hat, die sowieso geringen nationalen Freiräume zu nutzen, um eine konsequente Politik für unser Land zu machen: ökologisch, sozial und ökonomisch zukunftsfähig, etwa mit der Förderung von alternativen Energie- und Verkehrskonzepten.

Doch Illusionen darüber scheinen unangebracht: allein die Verteilung der Ministerkompetenzen erlauben keine allzu großen Hoffnungen. Daß das - für Österreich traditionell besonders wichtige - Kunst- und Kulturressort nach unten in ein dem Kanzler unterstelltes Staatssekretariat relegiert wurde, so zwischen Sport und EU-Agenden, ist kaum ein Indiz besonderer Sensibilität. Auch schade, daß Klima sich dem Gewohnheitsrecht, der Erbpacht der Gewerkschaft auf das Sozialressort, gebeugt hat, statt es dem offensichtlich dafür prädestinierten Caspar Einem zu geben. Die (vorläufige?) Beibehaltung der wenig glücklichen Zusammenlegung von Wissenschaft und Verkehr zeigt wenig Innovationsgeist. Sie mag jedoch angehen, vor allem wenn dabei das unsinnige Semmeringprojekt wissenschaftlich ad absurdum geführt würde. Ausgesprochen erfreulich ist dagegen die Berufung von Barbara Prammer als Frauenministerin. Sie ist in der Auseinandersetzung um das Kraftwerk Lambach mit Mut und Engagement für die Natur eingetreten.

Doch genug über geschaffene Fakten auf Regierungsebene. Kaum ein Zweifel besteht, daß, nach gemachten Erfahrungen, Viktor Klima kein ausgeprägtes Organ für ökologische Notwendigkeiten besitzt. Noch kurz vor seinem Abgang als Finanzminister billigte er 16,5 Milliarden Schilling für acht Straßenbauprojekte und gab damit auch den Startschuß für den Semmering-Straßentunnel. Das, nachdem die Mehrkosten allein für den Sondierstollen des geplanten Eisenbahn-Basistunnels schon 124 Millionen überschreiten: Sparpakete synchron mit Milliardenverschuldung.

Die Liste von Klimas Erfolgen als „Verkäufer der Nation" (Kurier) ist lang. Das mag kurzfristig geholfen haben, um Budgetlöcher zu stopfen, doch haben wir damit Besitz verloren, der den oftmals ausländischen Eigentümern Entscheidungsmacht über österreichische Arbeitsplätze verleiht, wie die Beispiele Conti oder Wirtschaftswoche demonstrieren.

Zweifellos werden nun die Karten für denkbare Koalitionen neu gemischt. Viktor Klima besitzt mehr Spielraum als sein Vorgänger und wird ihn nutzen, bei allen Bekenntnissen zur loyalen Respektierung des Vermächtnisses Vranitzkys. Doch Spekulationen „wer mit wem" sind noch verfrüht. Jedenfalls wird Klima das machen, was er für richtig oder opportun hält, getreu seinem Image als Macher. Dasselbe gilt für die Neutralität, zu der sich Vranitzky - zumindest als Lippenbekenntnis verpflichtet hat. Was immer Klima tut, der Parteiapparat wird ihm folgen.

Wer von ihm Antworten auf die brennendsten Fragen unserer Zeit (Armut, Arbeitslosigkeit, Umwelt) erwartet, wird vermutlich bald ent-täuscht sein.

Die Autorin ist freie Publizistin

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