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Rebellen im College

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Die Unruhe in der jungen Generation Großbritanniens dehnt sich nun auch auf die Schulen aus, die im beginnenden neuen Schuljahr möglicherweise ihren härtesten Belastungsproben ausgesetzt sein werden. Da nationale Kampagnen und Schüler-Pressure-Groups an Einfluß gewinnen, könnte das gesamte Schulsystems; einschließlich alter britischer Schultraditionen gefährdet werden. Schulleiter, Lehrer und Eltern sind von namhaften Erziehungsexperten warnend darauf hingewiesen worden, daß sie angesichts der wachsenden „Rebellion“ ernsthaft mit der Möglichkeit eines noch in diesem Jahr stattfindenden Schülerstreiks rechnen müssen.

Militante Gruppen, die ihre Aktivität während der Sommerferien intensivierten, haben inzwischen 15.000 Mitglieder rekrutiert. 3500 von ihnen sind aktiv dabei, einen stärkeren Verband zu organisieren — die sogenannte Schools’ Action Union, die vorwiegend aus Achtzehnjährigen, aber auch jüngeren Schülern besteht. Die übrigen sind „Mitläufer“.

Die Schools’ Action Union ist inzwischen so stark, daß sie in Süd-

London eine eigene Zentrale eröffnen konnte, die Aktionen im ganzen Land leitet, Werbe-Flugblätter herausgibt, die Verbandszeitschrift „Vanguard“ veröffentlicht und die offiziellen Kontakte zur Presse pflegt. Zu den Zielen der Bewegung gehören die Abschaffung der Prügelstrafe, des Präfektensystems sowie der Schuluniformen. Es wird ein stärkeres Mitbestimmungsrecht, vor allem eine Vertretung in der Schulverwaltung, und außerdem die Einführung der Koedukation an einer größeren Zahl von Schulen gefordert.

Gegenwärtig planen die Schüler eine ihrer größten Demonstrationen mit dem Ziel, Einfluß auf die bevorstehende jährliche Headmasters’ Conference (Schulleiterkonferenz) in York zu nehmen. Ein Sprecher der Konferenz stimmte zu, daß die Bewegung an Boden gewinne, und erklärte, daß man über ihre Ziele mit an erster Stelle diskutieren werde. Eltern und Vertreter der Schulbehörden sind besorgt über die Unruhen, und Erziehungsminister Short hat Gesuche erhalten mit der Bitte, Maßnahmen zur Auflösung dieser Gruppen zu treffen. Ein konservatives Unterhausmitglied erklärte kürzlich, daß die Unruhen von denselben Elementen verursacht würden, die in Universitäten und Colleges aktiv seien, und daß die Schüler geschützt werden müßten, bevor die Schuldisziplin und die Autorität der Lehrer untergraben und das gesamte System zerstört werde.

Führende Mitglieder der Schools’ Action Union und der britische Studentenverband dementieren eine enge Zusammenarbeit. Julian Wells, Leiter des ersteren Verbandes und ehemaliger Schüler einer Public School, erklärte kürzlich: „Es ist töricht, zu behaupten, daß wir ,vor den Wagen gespannt’ würden. Man kann uns nicht überreden, Ansichten gegen unseren Willen zu übernehmen. Wir wissen, daß wir Einfluß haben, weil Schulleiter und Vertreter der Schulbehörden beunruhigt sind.“ Eine der jüngsten Entwicklungen, die vielen Eltern Sorge macht, ist die Tatsache, daß manche Erwachsene sich auf die Seite der Schüler stellen und sie finanziell unterstützen. Das meiste Geld, das für die Entsendung einer britischen Delegation zu einer im nächsten Jahr stattfindenden Konferenz militanter Schüler in Paris erforderlich ist, wird von Eltern beigesteuert.

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