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Die Ära de Gaulle

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Von seiten des Staates wie der Kirche wurde eine umfassende Regelung als dringend und erforderlich angesehen. Die freien Schulen kämpften unter dem Gesichtspunkt, daß sie nicht in der Lage seien, das Lehrpersonal zu besolden, da weniger Priester und Ordensleute zur Verfügung standen.

Mit der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch de Gaulle verschwand die bisherige Machtverteilung im Parlament. Eine Staatspartei UNR im Besitz der absoluten Mehrheit und keine Konkurrenz fürchtend, wünschte in der Schulfrage eine endgültige Entspannung herbeizuführen. Das Parlament setzte eine neuerliche Kommission ein, den Vorsitz übernahm ein bekannter Sozialist, Lapie, den seine Partei sofort ausschloß.

Es ist dem damaligen Ministerpräsidenten Debrė zu danken, der einen gesetzlichen Rahmen schuf, um die Subvention an die freien Schulen endgültig zu klären. Der Text heißt bezeichnenderweise: „Gesetz über die Beziehungen zwischen dem Staat und dem privaten Unterricht“ (1959) und wurde dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt. Der Ministerpräsident vermied den leichten Weg durch Ordonnanz dem Willen des Staatschefs nachzukommen. Grundlegend ist zu bemerken, daß dieses Gesetz die Existenz der freien Schulen endgültig anerkennt und ihr Dasein im Staat kodifiziert. Aber diese Beziehungen werden zwischen der Regierung und jedem Institut gesondert und einzeln abgehandelt und keineswegs zwischen der Gesamtheit der freien Schulen. Also entstehen Verträge mit den 12.000 privaten Volks- und Mittelschulen. Die fünf katholischen Universitäten des Landes unterliegen speziellen Verordnungen. Das Gesetz Debrė sieht zwei Arten von Verträgen vor. Bei dem einfachen Kontrakt übernimmt der Staat den Gehalt der Lehrpersonen. Das Institut selbst trägt die sozialen Lasten wie alle übrigen Kosten. Die Schule ist verpflichtet, im Unterricht sämtlichen staatlichen Anforderungen zu entsprechen. Die Unterrichtsmethoden werden von staatlichen Inspektoren laufend kontrolliert. Die zweite Art, ein Assoziationsvertrag, gewährt den einzelnen privaten Unterrichtsstätten eine viel größere finanzielle Sicherheit, die Eingriffe des Staates werden drückender. Die staatlichen Autoritäten ernennen die Lehrer und Professoren mit der Einschränkung, daß der Leiter des Institutes diese Ernennung ratifiziert. Eine bestimmte Gefahr besteht, daß Frei-

denker und Atheisten durch dies Bestimmungen in den konfessionell ausgerichteten Unterricht einströmen. Den Lehrern wird in ihren Anstellungsverträgen ausdrücklich die Freiheit eingeräumt, entsprechend dem eigenen Gewissen zu unterrichten. Im allgemeinen lehnen die Bischöfe diese zweite Formel ab. In der Tat gingen nur 600 Schulen mit 250.000 Schülern den Assoziationsvertrag ein, während die übrigen Institute mit 1,100.000 Schülern darauf verzichteten.

Neue Aufgaben

Den Schulen entstehen neue Aufgaben und größere Horizonte. Die gemischte Erziehung, vor kurzem als die Hölle auf Erden angesehen, wird immer stärker eingeführt. Der Plan des Unterrichtsimiinisitens Fouchet, der die Gesamtreform des französischen Unterrichts proklamiert, überspring die Mauern der privaten Schulen. Die technische und landwirtschaftliche Ausbildung rückt in den Vordergrund. Die Konzentration von Schulen schränkt gewisse lokale Egoismen ein, stimuliert da® Bewußtsein von beisonderen Aufgaben und schafft übergeordnete Allianzen. Derzeit können die privaten Schulen auf beachtliche Erfolge hinweisen Nehmen wir den „roten Vorort“ vor Paris, St. Denise, wo 1500 Schüler die konfessionelle Schule besuchen, obwohl eine verschwindene Minderheit als praktizierende Katholiken feststeht. Gewisse Schulen im Süden zeigen große Prozentsätze von Protestanten auf.

Die Bannerträger der laizistischen Schulen arbeiten mit sehr antiquierten Begriffen und entwickeln keine besondere Theorie. Einer ihrer Theoretiker, Albert Bayer, definiert die staatliche Schule „als einen Appell an die soziologische Konzeption der Wahrheit, als einen Appell an die soziologische Konzeption der Schönheit, als einen Appell an die soziologische Konzeption der Gerechtigkeit“.

Dagegen wird der Einfluß der Konzilsbeschlüsse auf die freien Schulen deutlich und sichtbar. Diese Schulen bauen die bisherige strenge hierarchische Ordnung ab. Eine aktive Zusammenarbeit zwischen Priestern, Eltern und Lehrern setzt ein. Die internationalen Kontakte sollen verstärkt werden, denn wo bestätigt sich eine Begegnung positiver als in einer Stätte, die nationalen und internationalen Wert lehrt.

In der nächsten Folge: Die „gute Presse“: Das Kloster des 20. Jahrhunderts.

Frankreichs, besonders im Westen. In ihren Massenversammlungen wurde die Forderung erhoben, daß die Steuerzahler, die bereits die staatlichen Schulen bezahlen, das Recht auf zusätzliche Subventionen von seiten der Regierung hätten.

Im Jahre 1956 besuchten 1,600.000 Schüler die privaten Schulen gegenüber 6,550.000 in den öffentlichen Anstalten. Aus diesen steigenden Zahlen läßt sich die Ausweitung der privaten Schulen abmessen, die aber immer stärker mit finanziellen Schwierigkeiten kämpften. Die republikanische Front Mollet, Mendės- France, verlangte die Abschaffung des Gesetzes Barange, der Algerienkrieg verhinderte dieses politische Manöver.

In streng geheimen Verhandlungen mit dem Vatikan, Verhandlungen, die erst in den letzten Monaten des vergangenen Jahres bekannt wurden, versuchte der Regierungschef Mollet die Schulfrage endgültig zu liquidieren, um eine stabilere Mehrheit zu gewinnen. Die Kontakte bahnten besondere Emissäre außerhalb des normalen diplomatischen Verkehres an. Mag das Verhandlungsziel bekannt sein, die Persönlichkeiten, welche diese Gespräche führten und ihre Taktik blieben bis auf den heutigen Tag geheim.

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