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Währungskrisen als Schicksal

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1944. Die Kanonen schwiegen noch nicht, als sich in dem kleinen Badeort Bretton Woods an der amerikanischen Östküste die Währungsexperten von 44 Ländern trafen. Ihre Aufgabe: ein ideales Währungssystem für die freie Welt auszuarbeiten. Geboren wurde damals das System der festen Wechselkurse. Das Gold erhielt einen festen Preis von 35 Dollar je Feinunze, der Umtauschkurs jeder anderen Währung mit dem Dollar würde fixiert. Voraussetzung für das Funktionieren dieses Systems war, daß alle Mitgliedsstaaten des Internationalen Währungsfonds eine Wirtschaftspolitik des proportionalen Wachstums und des stabilen Geldwertes hätten betreiben müssen. Dieses System erfüllte bis weit in die fünfziger Jahre seinen Sinn. Dann aber liefen die Wachstumsraten der westeuröpäischne und der japanischen Volkswirtschaft davon. Es zeigten sich die ersten Risse im Gebäude von Bretton Woods: Aufwertungen und Abwertungen, die die unterschiedliche Entwicklung in den einzelnen Ländern widerspiegelten.

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1944. Die Kanonen schwiegen noch nicht, als sich in dem kleinen Badeort Bretton Woods an der amerikanischen Östküste die Währungsexperten von 44 Ländern trafen. Ihre Aufgabe: ein ideales Währungssystem für die freie Welt auszuarbeiten. Geboren wurde damals das System der festen Wechselkurse. Das Gold erhielt einen festen Preis von 35 Dollar je Feinunze, der Umtauschkurs jeder anderen Währung mit dem Dollar würde fixiert. Voraussetzung für das Funktionieren dieses Systems war, daß alle Mitgliedsstaaten des Internationalen Währungsfonds eine Wirtschaftspolitik des proportionalen Wachstums und des stabilen Geldwertes hätten betreiben müssen. Dieses System erfüllte bis weit in die fünfziger Jahre seinen Sinn. Dann aber liefen die Wachstumsraten der westeuröpäischne und der japanischen Volkswirtschaft davon. Es zeigten sich die ersten Risse im Gebäude von Bretton Woods: Aufwertungen und Abwertungen, die die unterschiedliche Entwicklung in den einzelnen Ländern widerspiegelten.

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Der erste Höhepunkt dieser Entwicklung wurde im November 1967 erreicht: das britische Pfund Sterling wurde um 14,3 Prozent abgewertet, eine Leitwährung mußte abdanken. Es folgte im März 1968 eine Doilarkrise, die zur Folge hatte, daß der Goldpreis gespalten wurde. Seitdem ist das Gofld auf dem freien Markt teurer als im Handel zwischen den Notenbanken. Im November 1968 kam es zur Franc-Krise, die ein normannischer General in trotzköpfiger Manier überwand, in dem er sie einfach übersah. Vor zwei Wochen signalisierte Bonn, daß es mit einer Aufwertung der D-Mark auf „ewig“ nichts werde. „Diese Ewigkeit“, kommentierte die bundesdeutsche Wochanzeitung „Christ und Welt“ den Entschluß der deutschen Bundesregierung, „dauert bis Ende September 1969.“

Im kommenden Herbst wird das 25jährige Jubiläum des Währungssystems von Bretton Woods fällig. Ob aber in alter Frische — dies erscheint den Währungsexperten äußerst zweifelhaft, zeigten doch die Ereignisse in den letzten achtzehn Monaten deutlich, daß die einzelnen Länder weder willens noch fähig sind, die inneren AnpaissungsmaßnahnVen zur Erhaltung des langfristigen Zahlungsbilanzgleichgewichtes rechtzeitig durchzuführen. Wurde doch in dieser Zeitspanne offenkundig, daß sich die Regierungen selbst bei Eintreten eines fundamentalen Ungleichgewichte vehement gegen Paritätsänderungen sträuben. Dabei sind sich die Währungsexperten darüber nicht einig, wo das Heil einer internationalen Währungsreform zu finden ist. Soll m'an es bei systemkonformen Maßnahmen, wie etwa der Freigabe der Wechselkurse auf größere Bandbreiten belassen? Dafür hat sich Österreichs Notenbankpräsident Dr. Schmitz hier und im Ausland mehrmals ausgesprochen. Wie die Dinge liegen, dürfte sich die deutsche Bundesbank zu dieser, Maßnahme entschließen, wobei sich am Wechselkurs nichts änderte, wohl aber die Interventionspunkte nach oben und unten um vielleicht acht Prozent verschoben würden. Radikal ist hingegen der Losungsversuch, zu einem System flexibler Wechselkurse überzugehen. Dafür sprach ich beispielsweise der „Sachverständigenrat“ der deutschen Bundesregierung aus. Freilich, gegen den Ubergang zu flottanten Wechselkursen spricht ihr : destruktiver Effekt auf den internationalen Handelsund Zahlungsverkehr. Würden einmal die Mahnpfähle der festen Wechselkurse herausgerissen, so würde dies in vielen Ländern unweigerlich zu einer Aufweichung der Zahlungsbilanadisziplin führen. Zudem haben flexible Wechselkurse eine integrationsfeindliche Wirkung. Es würden dadurch zusätzliche Unsicherheiten geschaffen, die die Berechnungsgrundlagen für die Preise beeinträchtigen und den Außenhandel riiskat machen. Dies würde sich auf den Handel mit Investitlons-. gutem, der auf langen ZaJhlungszie-len beruht, besonders ungünstig auswirken. Wollte man diese nachteiligen Wirkungen mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Kurssicherung am Devisenmarkt bagatellisieren, so ist dem nun hinzuzufügen, daß hohe Kurssicherungskasten den internationalen Handel erst recht einschränken müßten.

Hätte das System flexibler Wechselkurse kaum eine Chance, den gewünschten Verbesserungseffekt des geltenden Währungssystems zu bringen, so könnte dies durch einen zeitlich beschränkten Übergang auf flexible Wechselkurse entweder nur für ausgesuchte oder aber für alle Notierungen bewirkt werden. Hätten sich diese Wechselkurse nach etwa sechs Wochen 'auf dem Währungsmarkt eingependelt, dann könnten die so gefundenen Kurse im Rahmen eines neuen internationalen Währungsabkommens wieder für Jahre oder gar Jahrzehnte hinaus fixiert werden. In diesem Zusammenhang wäre dann auch das starre Währungsgerüst ein wenig elastischer zu gestalten, indem die Bandbreiten vergrößert werden, innerhalb derer sich die Währungskurse bewegen können.

Dieser Vorschlag wurde vor einiger Zeit schon vom Basler Währungstheoretiker Edgar Salin in die Diskussion gebracht. Die „Chikago-Schule“ der amerikanischen Nationalökonomie, deren führender Kopf Milton Friedman ist, steht dieser Idee nahe. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil Friedman Nixons Währungsberater ist, und weil der amerikanische Präsident auf eine gründlegende Reform des Weltwährungssystems drängt. Schon Anfang Mai 1969 vertrat Friedman die Ansicht, „daß Deutschland einer Inflation nicht entgehen kann, wenn der jetzige Wechselkurs beibehalten wird. Das ist ganz einfach unmöglich. Es wäre jedoch falsch, wenn Deutschland einfach auf einen anderen Kurs übergehen würde. In einigen Jahren stünde es vor dem gleichen Problem — so oder so. Deshalb wäre es für Deutschland weitaus besser, wenn es allein dem Markt überlassan bliebe, den Wert der Mark zu bestimmen.“ Zweifellos würde auch eine termini-sierte Flexibilität der Währungen eine Galdpreiserhöhung zur Folge halben, wogegen sich die Weltpolitik aus zwei Gründen sträubt: sie befürchtet damit das GoMreservoir der Sowjetunion aufzuwerten und Südafrika Vorteile zuzuspielen. Doch aus welchem Blickwinkel immer man die Währungssituation sieht, sie ist verfahren und reformbedürftig.

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