"Kärnten ist viel weiter als sein Ruf"

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Die neu gestartete "Initiative für Kärnten" will das marode Bundesland zukunftsfit machen und nebenbei sein beschädigtes Image reparieren. Funktionieren soll das mittels Crowdfunding und dem zivilgesellschaftlichen Engagement vieler einzelner.

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Die neu gestartete "Initiative für Kärnten" will das marode Bundesland zukunftsfit machen und nebenbei sein beschädigtes Image reparieren. Funktionieren soll das mittels Crowdfunding und dem zivilgesellschaftlichen Engagement vieler einzelner.

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Die Initiative, die unabhängig und unpolitisch sein will, wird von Privatpersonen und der Kärntner Industriellenvereinigung finanziert. Unter den Gründern finden sich bekannte Gesichter wie Alt-Landeshauptmann Christof Zernatto oder Ex-Infineon-Chefin Monika Kircher.

DIE FURCHE: Sie wollen nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Image und Selbstbewusstsein des Landes verbessern. Das klingt nach einem längerfristigen Projekt.

Monika Kircher: Das Problem der leeren Kassen der öffentlichen Hand schlägt sich auch nieder im Selbstbewusstsein Kärntens, in Zukunftsthemen, die Chancen bringen könnten. Wir haben unsere Initiative als Experiment begonnen, es geht ja um eine neue Form des zivilgesellschaftlichen Engagements abseits von Parteien und Institutionen. Dieser längerfristigen Herausforderung wollen wir uns stellen, denn so eine tiefe Krise, wie sie der Kärntner Landeshaushalt leider über längere Zeit erfahren wird, braucht jede Form des Engagements.

DIE FURCHE: Wie können sich Interessierte als Unterstützer einbringen?

Kircher: Wer sich als Akteur auf unserer Homepage registriert, bekundet Interesse, die Initiative durch Zeit, Know-how oder Geld zu unterstützen. Wir nehmen niemandem die Eigeninitiative ab, sondern wollen Leute, die eigeninitiativ sind, unterstützen und begleiten. Zur Bürgerbeteiligung gehört nicht nur, zur Wahl zu gehen, sondern auch, sich mitverantwortlich zu fühlen für die Zukunft des Landes, und nicht alle Entscheidungen an die Poltiik zu delegieren. Wir verstehen uns als begleitend für die Landespolitik, die in vielen Bereichen wie Bildung auf die richtigen Themen setzt, aber alleine diese schwere Krise nicht bewältigen kann.

DIE FURCHE: Erwacht dieses Bewusstsein in der Bevölkerung nach Haider, Hypo etc. jetzt ?

Kircher: Kärnten könnte durch diese Krise in manchen Bereichen durchaus Vorreiter werden, etwa, was zivilgesellschaftliches Engagement oder Innovation betrifft. Österreich neigt ja durchaus zur Trägheit, nicht nur die öffentlichen Systeme, auch die Zivilgesellschaft, da kann eine Krise durchaus eine neue Entwicklung lostreten.

DIE FURCHE: Wie schaut denn Ihr Finanzierungsmodell aus?

Kircher: Wir konnten als erstes Bundesland eine der größten Crowdfunding-Plattformen Österreichs, respekt.net, als Partner gewinnen und mit den Beiträgen vieler Spender bereits zehn Projekte ausfinanzieren. Heuer werden wir einige Leuchtturmprojekte von wirtschaflticher Relevanz angehen und arbeiten dazu in den sechs Bereichen Bildung, Gesellschaft, Innnovation und Wissenschaft, Kultur, Sport und Wirtschaft. Wir Gründerinnen und Gründer wollen uns dann zurücknehmen, um junge Leute stellvertretend für Kärnten vor den Vorhang zu holen.

DIE FURCHE: Welche Projekte sind spruchreif?

Kircher: Bereits in Umsetzung ist ein innovatives Berufsorientierungsprojekt, das die International School Carinthia mit Kärntner Unternehmen durchführt. Ein weiteres umgesetztes Projekt ist "Meine Heimat - Deine Heimat": Hier geht es darum, dass die Bevölkerung mehr über die Herkunft der Flüchtlinge lernt und auch diese umgekehrt Kärnten, unsere Werte etc. besser kennenlernen sollen. Ganz neu ist ein Projekt des Stadttheaters Klagenfurt, wo junge Talente als Jugendchor im Stadttheater eingesetzt werden sollen.

DIE FURCHE: Auch heuer müssen 50 Millionen Euro eingespart werden. Das wird gerade dort spürbar, wo Subventionen getrichen werden, sprich im Kultur- und Sozialbereich. Wie wollen Sie gegensteuern?

Kircher: Crowdfunding kann da kurzfristig eine Ergänzung sein. Was wir nicht der öffentlichen Hand abnehmen können und wollen, ist, die größeren Budgetbrocken umzuschichten in Richtung Zukunft. Aber Kärnten ist als eines der ersten Bundesländer mitten in der Umsetzung eines neuen transparenteren und wirtschaftsnäheren Budget-Modells, das die Zielvorgaben und die Wirkungsorientierung in den Mittelpunkt stellt - es könnte ein Vorreitermodell für Österreich werden.

DIE FURCHE: Wie wollen Sie der Kärntner Wirtschaft neue Impulse geben?

Kircher: Wir unterstützen bereits anlaufende Unternehmensgründungen im Technologie-Bereich durch Mentoring und unser Netzwerk, aber auch durch Crowdinvesting. Kärnten bietet ideale Voraussetzungen, um Innovation und Hightech mit Lebensqualität zu verbinden: Wir befinden uns an der Schnittstelle mehrerer Kulturen und Sprachen. Wir glauben an die Zukunft des Landes mithilfe der Kärntner Leitbetriebe, die weltweit top positioniert sind, und mithilfe der vielen erfolgreichen mittleren und kleinen Unternehmen. Es braucht aber mehr Kooperationen innerhalb der Branchen in Kärnten und über die Branchen hinweg.

DIE FURCHE: Wie sieht das neue Kärnten aus, das Ihnen vorschwebt?

Kircher: Im Sinne der gelebten Internationalität ist Kärnten real viel weiter als sein Ruf. Es gibt eine deutliche Zuwanderung von Expertinnen und Experten aus aller Welt, wir haben nun den Carinthian International Club und die International School Carinthia, was Kärnten zunehmend attraktiv für Hochqualifizierte und ihre Familien macht. Hier findet auch seit Jahren der größte Innovationskongress Europas statt, Kärnten hat den größten Forschungsbetrieb Österreichs mit Infineon.

DIE FURCHE: Bis 2060 soll Kärntens Bevölkerung um fast sieben Prozent schrumpfen. Wie wollen Sie gegen die Abwanderung der Jugend und des Wissens ankämpfen?

Kircher: Einerseits sollen junge Menschen aus ländlichen Regionen weggehen, um sich weiterzubilden. Andererseits wäre es wichtig, dass sie Lust haben, zurückzukommen - und dass wir auch Zuzug von anderen talentierten Familien haben. Wir müssen die offenstehenden, hochqualifizierten Jobs besser bewerben. Es gibt auch ein Projekt in Kooperation mit der Med Uni Graz und den Kärntner Krankenanstalten, damit angehende Ärzte in den Kärntner Spitälern Praxis sammeln und ihnen der Berufseinstieg hier schmackhaft gemacht wird. Zusätzlich geht es natürlich um ganztätige Schulformen und Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Unser Ziel ist es, eine ganztägige, mehrsprachige Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr in jedem Bezirk anzubieten, so wie es in Villach und Klagenfurt schon sehr erfolgreich praktiziert wird.

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