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Mehr Probleme durch offene Grenzen

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FURCHE: Ein Anliegen des Burgenlandes ist, Industrie anzusiedeln. Sehen Sie hier nach der Öffnung Osteuropas Ungarn als Kon-

LANDESHAUPTMANN JOHANN SIPÖTZ: Zum Teil ja, weil der eine oder andere Betrieb aufgrund der günstigeren Lohnverhältnisse eher nach Ungarn geht. Wir waren bisher immer als Niedriglohnland eine verlängerte Werkbank für Betriebe.

Es zeigt sich jetzt, daß das Burgenland als zentraler Standort für Unternehmen viel interessanter wird, diese jetzt ihre Verwaltung dort haben, und zum Teil Forschung und Entwicklung, und daß jetzt jenseits der Grenze die verlängerte Werkbank in Ungarn ist. Das machen Packard Electric, Vossen so. Das bringt qualifizierte Arbeitsplätze und zum anderen eine stärkere Absicherung unseres Standortes.

FURCHE: Aufweichen Gebieten gibt es Kooperationen mit Ungarn?

SIPÖTZ: Etwa 20 bis 30 burgen-ländische Unternehmen haben Joint Ventures. Das geht von Baumaterialerzeugung über Metallwaren, von Packard Electric, das Kabelsätze erzeugt, bis zur Vossen Textilindustrie.

FURCHE: Sie haben vorgeschlagen, Wirtschaftsparks an der Grenze zur Tschechoslowakei und zu Ungarn zu errichten. Wie soll das ausschauen?

SIPÖTZ: Wir glauben, daß einige Standorte durch die offene Grenze eine völlig neue Bedeutung bekommen haben. Ich denke an Paindorf und Kittsee, die am Schnittpunkt zwischen Ungarn-Wien und Preßburg-Wien liegen, aber auch an den Raum Pinkafeld, Oberwart, Großpetersdorf der nahe zu Steinamanger liegt.

Wir versuchen Grundstücke aufzuschließen mit allen Infrastruktureinrichtungen. Darüber hinaus

sind Gewerbeparks geplant, die Einrichtungen schaffen, damit Betriebe diese nützen können.

*

FURCHE: In welchen Größenordnungen sollen sich diese Investitionen bewegen?

SIPÖTZ: In erster Linie übernehmen wir die Auf schließungskosten, aber nicht alleine, sondern gemeinsam mit Banken usw.

FURCHE: Wenn große Zuschüsse geboten werden besteht aber die Gefahr, daß ein Betrieb nur wegen der Zuschüsse sich ansiedelt und, wenn diese sich gerechnet haben, ihn später schließt.

SIPÖTZ: Es ist noch kein Betrieb, der sich im Burgenland ansiedeln wollte, an der Starthilfe gescheitert. Packard Electric, zum Beispiel, hat innerhalb von eineinhalb Jahren mehr an Steuern und Abgaben gezahlt, als es an öffentlichen Förderungen bekommen hat.

FURCHE: Burgenland versucht im Bädertourismus ein zweites Standbein aufzubauen. Wie geschieht das?

SIPÖTZ: Das Land hat drei Bohrungen vorfinanziert, in Bad Tatz-mannsdorf, in Stegersbach und teilweise in Lutzmannsburg. In Bad Tatzmannsdorf sind wir so weit, daß eine private Gruppe vor einigen Tagen mit dem Golfplatz begonnen hat. Die Gesamtinvestitionen gehen über eine Milliarde Schilling. Damit wird Tatzmannsdorf die größte Tourismusgemeinde Burgenlands werden. Auch in Stegersbach verhandeln wir mit privaten Investoren. Wir geben nicht Subventionen, wir beteiligen uns aber eventuell.

FURCHE: Für den Nationalpark Neusiedlersee gibt es schon die politische Willenserklärung. Wie weit sind sie mit der Umsetzung?

SIPÖTZ: Wir haben den Großteil der Flächen angepachtet, der südliche Sandeck, Neudeck und von

Esterhazy ungefähr 4.000 Hektar. Wir haben den Bereich der langen Lacke, die Siegendorfer Wiesen. Wir wollen auf Illmitzer Hottergebiet 1.400 Hektar anpachten, so-daß wir 7.000 Hektar haben. Die 4.000 Hektar von Esterhazy sollen die Kernzone sein, die touristisch nicht genutzt werden soll. Die Randzonen sollen für den sanften Tourismus genutzt werden. Der nächste Schritt wird sein, daß wir mit dem Bund die Nationalparkgesellschaft gründen, den Vertrag über die Finanzierung abschließen und zum Schluß das Nationalparkgesetz.

FURCHE: Wann soll der Nationalpark fertig werden?

SIPÖTZ: Zum Jubiläumsjahr, also noch heuer.

FURCHE: Ein klassischer Problembereich ist die Landwirtschaft, da Burgenland, im Vergleich zur EG, sehr kleine Einheiten hat. Welche Strategien gibt es?

SIPÖTZ: Es zwei Möglichkeiten: daß die vielen Kleinen aufhören und wenige Große entstehen, oder daß viele Kleine aufhören als hauptberufliche Landwirte und das im Nebenerwerb weitermachen. 70 Prozent der Landwirte sind im Nebenerwerb. Ich glaube, daß diese Entwicklung verstärkt weitergehen wird und vor allem die jungen Leute die kleinen Betriebe aufgeben werden.

Wenn es im Weinbau gelingt.daß wir uns mit Qualitätswein auf dem Markt durchsetzen können, dann haben wir in der EG eine Chance. Der Weinskandal hat dazu geführt, daß wir bei der Qualität einen riesigen Sprung vorwärts gemacht haben.

FURCHE: Die internationale Zusammenarbeit soll durch ein Regionalparlament gefördert werden. Was soll das werden?

SIPÖTZ: Mein Vorschlag war, daß wir mit den Komitaten Györ,

Sopron und Vas eine Art Regional -Parlament schaffen, in dem Abgeordnete zusammenkommen und Fragen beiderseitigen Interesses, Fragen der Infrastruktur, des Verkehrs, des Naturschutzes, der Raumplanung, auch der Wirtschaft, wie Einkaufszentren und ähnliches, vielleicht auch Landwirtschaft und Grenzübergänge, besprechen sollen. Wir überlegen, gewisse Bestimmungen zu vereinheitlichen, sodaß hinsichtlich des Nationalparks bei uns nicht andere Regeln gelten als in Ungarn.

Wir wollen auf Regierungsebene stärkere Zusammenarbeit in Form eines Regionalausschusses. Ich denke, daß es in Zukunft viel, mehr Probleme geben wird, weil die Grenzen offen sind.

FURCHE: Es werden verstärkt Investitionen notwendig sein, andererseits hat Burgenland ein Budgetdefizit von 2,3 Milliarden Schilling.

SIPÖTZ: Ich glaube, daß wir die Investitionen, die wir vorhaben, ohne weiteres verwirklichen können. Wir werden über den Risikofinanzierungsfonds, den wir schaffen mit dem Erlös von Privatisierungen, Investitionen tätigen können. Wir haben heute einen Schuldenstand, der niedriger ist als vor sechs oder sieben Jahren.

FURCHE: Wird es zu Umschichtungen im Landesbudget kommen?

SIPÖTZ: Wir haben immer Schwerpunkte gehabt. In den sechziger Jahren der Schulbau, in den siebziger und achtziger Jahren der Krankenhausbau. Die Schwerpunkte in den nächsten Jahren müssen Betriebsansiedlungen sein, Straßenbau, und wir hoffen, daß es zu einer neuen Bahn kommt und neue Einrichtungen im Nahverkehr geben wird.

Mit Burgenlands Landeshauptmann HANS SIPÖTZ sprach MARTIN MAIR. Zu den Problemen des Burgenlandes im 70. Jahr des Bestehens siehe das Dossier auf den Seiten 9-12.

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