Calendario_pasquale - © Wikimedia  - Osterkalender für die Jahre 532-632

Christian Gastgeber über den Ostertermin: „Wir stülpen unser Zeitmodell über“

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Nicht nur der Computer leitet sich – sprachlich – von der Wissenschaft der Ermittlung des Ostertermins („Komputistik“) ab. Die christlichen Kalenderrechner verhedderten sich ab der Spätantike beim Datum der Auferstehung völlig. Byzantinist Christian Gastgeber im Gespräch.

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Nicht nur der Computer leitet sich – sprachlich – von der Wissenschaft der Ermittlung des Ostertermins („Komputistik“) ab. Die christlichen Kalenderrechner verhedderten sich ab der Spätantike beim Datum der Auferstehung völlig. Byzantinist Christian Gastgeber im Gespräch.

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Die Komputistik, die Berechnung des Ostertermins, war in Spätantike und Mittelalter eine wichtige Wissenschaftsdisziplin. Der Byzantinist Christian Gastgeber forscht an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften dazu.

DIE FURCHE: Warum hatte die Frage der Berechnung des Ostertermins in der Spätantike solch eine Bedeutung?
Christian Gastgeber: Als zentraler Festtag des Christentums sollte der Ostersonntag am selben Tag gefeiert werden. Das Problem war seine Fixierung: Es wurde kein fixes Monatsdatum (nach unserem Sonnenjahr) bestimmt, sondern ein bewegliches Datum, es musste für jedes Jahr neu berechnet werden. Man einigte sich im Laufe der Zeit auf zeitliche Parameter: nach der Frühlingssonnenwende, nach dem 14. Tag des jeweiligen Mondmonats (= Vollmond), unverändert an einem Sonntag. Falls der 14. Mondmonatstag nach der Frühlingssonnenwende genau auf einen Sonntag fiel, wich man auf den nächsten Sonntag aus. Es orientierte sich das christliche Osterfest daher ein wenig am jüdischen Pessachfest, das jedoch strikt den Abend des 14. Mondtags im ersten Frühlingsmonat einhielt. Das Christentum wollte einen Zusammenfall mit dem Pessachfest vermeiden und nahm den Tag der Auferstehung, also Sonntag. Wenn der Fall eintreten sollte, dass Sonntag und 14. Mondmonatstag zusammenfielen, also Pessach auf Sonntag fiel, dann nahm man den folgenden Sonntag.

DIE FURCHE: Wann wurde dies festgelegt?
Gastgeber: Angeblich wurde dies im Rahmen des 1. Ökumenischen Konzils zu Nikaia (325) vereinbart. Zuvor und auch weiterhin gab es verschiedene andere Möglichkeiten, den Ostertermin zu berechnen. Einige nahmen einfach den 14. Tag des ersten Frühlingsmondmonats; andere folgten der jüdischen Praxis; der Tag der Frühlingssonnenwende wurde weiters nicht immer genau eingehalten. Andere entwickelten sehr subtile mathematische Modelle zu den Mondzyklen. Mit der Fixierung der zeitlichen Parameter am 1. Ökumenischen Konzil brauchte es aber auch Autoritäten, die den jeweiligen Ostertermin korrekt berechneten und dann unter den Gläubigen bekannt machten, das war in der Regel der Bischof mit seinem Osterbrief. Sonst konnte es einem Christen passieren, dass er von einer Stadt in eine andere reiste und an verschiedenen Sonntagen Ostern gefeiert wurde. Dann stellte sich die Frage: Wer hat Recht und wer berechnet falsch oder folgt gar „häretischen“ Traditionen? Dies war ein Problem in der Frühzeit des Christentums, weil es althergebrachte lokale Traditionen gab, die selbst mit neuen Universalregeln nicht beseitigt werden konnten. Die Quellen der Zeit sprechen von großen Konflikten und Unterschieden. Denn wie stand man dann vor den Juden und den Vertretern der heidnischen Kulte da, wenn man selbst nicht wusste, wann man den zentralen Festtag feierte? Die Frage der Autorität zur Bestimmung des richtigen Ostertermins wurde damit auch zu einem Politikum in aufschwellenden Konflikten zwischen Regionen und Machtzentren.

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