Klimapilgern: Hoffnung nach Paris tragen

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Ende November beginnt in Paris die Weltklimakonferenz. In den Wochen davor pilgern weltweit Tausende in Richtung dieses Ortes. Hierzulande ist ab 17. Oktober "Klimapilgern" angesagt - eine ökumenische Initiative der Kirchen um der Zukunft willen.

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Ende November beginnt in Paris die Weltklimakonferenz. In den Wochen davor pilgern weltweit Tausende in Richtung dieses Ortes. Hierzulande ist ab 17. Oktober "Klimapilgern" angesagt - eine ökumenische Initiative der Kirchen um der Zukunft willen.

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Vor zwei Jahren beschloss der Ökumenische Rat der Kirchen, alle christlichen Kirchen zu einem "Pilgerweg für Klimagerechtigkeit" aufzurufen. In diesen Wochen, unmittelbar vor der Weltklimakonferenz zu Jahresende in Paris, ist es soweit: Tausende Pilger und Pilgerinnen vom Nordkap bis Südafrika ziehen Richtung Paris. Kleine Lebensadern der Hoffnung und Solidarität sollen sie sein, die Pilgerwege.

Pilgern ist gesund, kommunikativ und spirituell - und es ist auch ressourcenschonend und damit das perfekte Mittel, um der Sorge um das Klima Ausdruck zu verleihen. Unzählige Menschen machten sich bereits auf den Weg. "Wutbürger" sind sie nicht, aber ein wenig Wut wird schon ihre Schritte beflügeln, wenn sie an die Größe des Anliegens und die Zaghaftigkeit der Verantwortlichen denken.

Breites ökumenisches Spektrum

Auch in Österreich wird ein Teilstück des Pilgerweges gegangen. Ein breites ökumenisches Spektrum an kirchlichen Gruppen unterstützt dabei das Anliegen. Am 17. Oktober wird in Wien - im Beisein des evangelischen Superintendent Hansjörg Lein, des griechisch-orthodoxen Metropoliten Arsenios Kardamakis und dem Linzer katholischen Bischof Ludwig Schwarz - der österreichische Pilgerweg für Klimagerechtigkeit gestartet. Die drei Kirchenoberen werden den Pilgernden Botschaften zur Klimagerechtigkeit aus ihren jeweiligen christlichen Traditionen mit auf den Weg geben, bevor diese zur ersten Tagesetappe nach Purkersdorf aufbrechen.

370 Kilometer Wegstrecke gilt es in 22 Tagesetappen Richtung Westen zurückzulegen. Eine Kerngruppe wird dabei von täglich wechselnden Mitpilgernden und Gästen begleitet. "Wir wollen ein Signal setzen, dass entschlossenes politisches Handeln nötig ist!", so Martin Krenn von der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO), der für die Organisation verantwortlich zeichnet. Das ist ganz im Sinne von Papst Franziskus, der die "Schwäche der politischen Reaktionen" und die erfolglos gebliebenen Klimakonferenzen in seiner Schöpfungs-Enzyklika "Laudato si'" mehrfach benennt.

Dort heißt es etwa: "Viele von denen, die mehr Ressourcen und ökonomische oder politische Macht besitzen, scheinen sich vor allem darauf zu konzentrieren, die Probleme zu verschleiern oder ihre Symptome zu verbergen, und sie versuchen nur, einige negative Auswirkungen des Klimawandels zu reduzieren. Viele Symptome zeigen aber an, dass diese Wirkungen jedes Mal schlimmer sein können, wenn wir mit den gegenwärtigen Produktionsmodellen und Konsumgewohnheiten fortfahren."

Ganz bewusst hat Franziskus daher deren Veröffentlichung einige Monate vor der Konferenz in Paris angesetzt, um dem Gewissen der Entscheidungstragenden Platz zur Entfaltung zu geben.

"Rucksack der Alternativen"

Was genau geschieht nun beim "Klimapilgern"? Es wird nicht nur einfach gegangen, sondern zusätzlich werden "Kraftorte und Schmerzpunkte" besucht. Es bestehen ja schon viele Initiativen und Bemühungen, umweltsensibel und solidarisch zu leben. Diese Initiativen und Projekte von Pfarren, Gemeinden, Schulen und Betrieben füllen den "Rucksack der Alternativen", der als Beitrag der österreichischen Bevölkerung nach Paris gebracht werden soll.

"Wir alle müssen uns im Bereich der Schöpfungsverantwortung und des Klimaschutzes engagieren, da es um unsere Welt und um die nächsten Generationen geht", fordert der Kärntner Bischof Alois Schwarz, Referatsbischof für Umwelt und Wirtschaft in der Österreichischen Bischofskonferenz. Die Klimapilgernden wählen den spirituellen Weg, um das Anliegen des Klimaschutzes zu unterstützen und ein Zeichen der Solidarität mit den Betroffenen zu setzen. Ein 40-seitiges "Pilgerheft" bietet nicht nur spirituelle Impulse, sondern zeigt ganz konkrete Möglichkeiten auf, sich in Kirche und Gesellschaft einzubringen.

Die Pilgernden der Kerngruppe gehen die gesamte Strecke zu Fuß von Wien über St. Pölten, Melk, Maria Taferl, Bad Kreuzen, Mauthausen, Linz, Ottensheim, Wels, Lambach, Vöcklabruck, Michaelbeuern bis Salzburg. Wer selbst zur Klimapilgerin oder zum Klimapilger werden möchte, kann sich auf Tagesetappen anschließen (Informationen im Web unter www.klimapilgern.at).

"Was wird das Pilgern schon nützen?", fragen sich vielleicht manche. Papst Franziskus kritisiert in "Laudato si'", dass "einige engagierte und betende Christen unter dem Vorwand von Realismus und Pragmatismus gewöhnlich die Umweltsorgen bespötteln". Diesem Spott steht das Bemühen der Pilgernden gegenüber, Alternativen für einen zukunftsfähigen Lebensstil aufzuzeigen. Christen haben immer schon der Kraft des Gebetes vertraut, und der Kraft von Gemeinschaft. Medien, Kirchen, Gemeinden, Einzelpersonen und Gruppen vor Ort beschäftigen sich mit dem Thema Klima - das ist schon einmal was.

Ökologische Leitlinien nötig

Was für die Enzyklika "Laudato si'" gilt, gilt auch für das Klimapilgern: Loben allein ist zu wenig, Pilgern allein ebenso. Die christlichen Kirchen brauchen zusätzlich zu den vielen gelingenden und vorbildlichen Einzelinitiativen und -projekten auch ein klares Konzept in Richtung Nachhaltigkeit. Ökologische Leitlinien, die - für alle österreichischen Diözesen gültig - nicht nur geschrieben und beschlossen, sondern auch umgesetzt und evaluiert werden, wären etwa ein ernstzunehmender Schritt in diese Richtung.

Inzwischen ziehen die Pilger und Pilgerinnen eine Spur der Hoffnung auf dem Boden, den Franziskus mit seiner Enzyklika bereitet hat. In diesem Sinne ist Paris sicher nicht Endstation, aber eine wichtige Zwischenetappe.

Die Autorin ist Umweltbeauftragte der Diözese Graz-Seckau und Sprecherin der Konferenz der kirchlichen Umweltbeauftragten Österreichs

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