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Sozialethische Schulweisheit

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WAS DES KAISERS IST. Zehn Kapitel christlicher Ethik de Politischen. Von Richard Sauser. Verlag Josef Knecht, Frankfurt am Main, 1968. 969 Selten. DH 17.80.

Das Buch des Heidelberger Honorarprofessors beginnt mit einem ungewöhnlich apologetischen Vorwort. Alle möglichen Einwände gegen den in konservativer Methodik dargebotenen konservativen Inhalt des Werkes werden antizipiert. Die „lückenhaften“ Kapitel seien „neben und als Frucht vieler anderer Arbeit entstanden und wären wohl ohne die dringende Einladung des Verlages nicht einer weiteren Öffentlichkeit vorgelegit worden“. Sie wurden also vorgelegt. Die ersten neun Kapitel — beginnend mit der Feststellung, „das Evangelium ist kein politisches Manifest“, und endend mit der Forderung, die Freiheit „verantwortlich zu leben, ist mit der Kraft seines Glaubens und dem Antrieb der selbstlosen Liebe der wertvollste Beitrag des Christen zu jeglicher Kultur“ — sind ein zwar nicht ressentimentfreier, aber sauber durchgeführter Abriß traditioneller katholischer Sozialdoktrin. Das meiste stehe bei Thomas, des weiteren sei bei Augustinus und Aristoteles nachzulesen. Die konkrete politische Wirklichkeit hätten die Bius-Päpste (IX., XL, XII.) behandelt. Was nachher kam, etwa ein Johannes, ein Paul, bleibt unberücksichtigt. Da gelingt es eher noch Mao Tse-tung, in Form eines Bändchens aus der Fischer-Bücherei, sich einen Platz im Text und im Personenverzeichnis zu erobern. Dort nämlich, wo es unreflektiert gegen die permanente Revolution geht: „Wieviel nüchterner ist da Thomas von Aquin! Auch er kennt eine mögliche Entwicklung der politischen Ordnung, sogar durch einen revolutionären Umsturz. Aber er prüft die sittliche Berechtigung sehr sorgsam und sachlich." Was von allen revolutionären Bewegungen der Gegenwart selbstverständlich verabsäumt wird. Ob es dem postkonziliären Selbstverständnis der Kirche entspricht, zu schreiben: „Die Kirche besitzt also zunächst unfehlbare Lehrautörität, und der christliche Glaube ist Autoritätsglaube. Schon Augustinus, der den Begriff der Autorität in diesem Zusammenhang übernimmt, sagt: ,Ich würde dem Evangelium nicht glauben, wenn mich nicht .die Autorität der katholischen Kirche dazu bewegte “ fS. 139), darf wohl füglich bezweifelt werden. Ebenso wie die Behauptung, die schon auf Seite 25 erhoben wird: „Auch Jesus hat sich den gesetzten Ordnungen eingefügt.“

Besonders problematisch wird eine 1968 erscheinende Sozialethik aber dann, wenn mit Begriffen wie „geheime Schadloshaltung“ oder „Tugend der Epikie“ als Mittel gegen ungerechte Anordnungen der Staatsgewalt operiert wird, wobei diese „vielfach unbekannten Tugenden“ durchaus nicht eine „schlaue

Umgehung des Gesetzes“ meinten (S. 179).

Der Versuch, den Anschluß an die gegenwärtigen Strömungen im sozialphilosophischen Denken der Kirche zu gewinnen, wird recht zaghaft im letzten Kapitel „Utopie und Hoffnung“ gemacht. Metz und Rahner kommen hier zum erstenmal vor, allerdings so dürftig und aus dem Zusammenhang gerissen zitiert, daß man den Eindruck hat, sie sollen zu durchaus konservativen Theologen gestempelt werden. Wenn man dann noch belehrt wird, daß die

Utopie den Menschen um seine eigentliche Zukunft betrügt (S. 252) — diese Auffassung hat man bei der Lektüre von „Populorum progres- sio“ wohl endgültig abgelegt —, kommt man zu einem Gesamteindruck, der sich etwa so formulieren läßt: Nur eine politische Ethik, die sich mit der gegenwärtigen Weltsituation und mit dem diesbezüglichen sozialen Bewußtsein der Weltkirche konkret auseinandersetzt, hat Aussicht auf aufmerksame Beachtung. Den vorliegenden zehn Kapiteln muß eine solche versagt bleiben.

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