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Im aktiveren Wettbewerb

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Die „Programmierung“ der EWG steht auch keineswegs im Widerspruch zur marktwirtschaftlichen Wettbewerbspolitik. Ihr Ziel ist (laut Aktionsprogramm) vielmehr, „alle Mittel zu finden und einzusetzen, die geeignet sind, den aktiven Wettbewerb zwischen den Unternehmen, besonders auf dem Gebiete der Preise, überall dort wiederherzustellen, wo er verschwunden ist oder sich abgeschwächt hat“.

Die „Wirtschaftsplanung“ oder wirtschaftspolitische „Programmierung“ der EWG wäre ein höchst unrealistisches Unterfangen, wenn nicht schon lange vorher in allen westlichen Ländern ähnliche Gedanken und Konzepte entwickelt und zum Teil auch praktisch erprobt worden wären.

Am festesten verankert ist der Gedanke der Wirtschaftsplanung in Frankreich. Hier werden schon seit Kriegsende Wirtschaftspläne für Perioden von jeweils vier bis fünf Jahren aufgestellt, in denen die Regierung ihre wirtschafts- und sozialpolitischen Absichten darlegt. Die Planziele der Regierung haben keinen Zwangscharakter, sondern sind nur unverbindliche Leitbilder für die Unternehmerentscheidungen. Ihre Breitenwirkung beruht vor allem darauf, daß die verschiedenen sozialen Gruppen (Unternehmerverbände, Gewerkschaften, Landwirte, Familienverbände u. a.) an der Ausarbeitung dieser Pläne mitwirken und die Unternehmer die „Planziele“ vielfach freiwillig als Richtschnur für ihre Entscheidungen benützen.

Im Gegensatz zu Frankreich wird in der Bundesrepublik Deutschland die „Planification“ oder „Programmierung“ einer künftigen Wirtschaftspolitik noch mit einiger Skepsis betrachtet. Die Bundesrepublik habe auch bisher der Programmierung nicht bedurft, um die wirtschaftliche Dynamik zu enfalten. Trotzdem ist man auch hier längst bemüht, die Wirtschaftspolitik wissenschaftlich zu fundieren. Diese Aufgabe erfüllt vor allem der wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium. Kürzlich hat auch der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, demzufolge ein „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ gegründet wird. Dieser Rat soll jährlich ein fundiertes Gutachten (Quasi-Nationalbudget) erstatten, „da zur Erleichterung der Urteilsbildung bei allen wirtschaftspolitisch verantwortlichen Instanzen und in der Öffentlichkeit beitragen soll“.

In Großbritannien war nach dem Sturz der Labour-Regierung (Oktober 1951) die „Wirtschaftsplanung“ etwas in Mißkredit geraten. Das jährliche Nationalbudget wurde auf- gegben, der vom Schatzkanzler herausgegebene „Economic Survey" beschränkte sich immer mehr auf einen ausführlichen Rückblick über die wirtschaftliche Entwicklung im abgelaufenen Jahr. Erst in jünster Zeit (vielleicht unter dem Eindruck der anhaltenden Stagnation) hat auch die konservative Regierung ein positiveres Verhältnis zur „Wirtschaftsplanung“ gewonnen. Der im Herbst 1962 gegründete „National Economic Development Council"(NEDC) hat die Aufgabe erhalten, die Regierung bei der langfristigen Haftung der Wirtschaft zu unterstützen. Dieser „Nationale Rat für wirtschaftliche Entwicklung“ hat kürzlich einen langfristigen Plan für die Entwicklung der Wirtschaft bis 1966 herausgegeben, mit Prognoseziffern über Wachstumsrate, Produktion und Investitionen in den einzelnen Branchen sowie einer Reihe von Vorschlägen und Empfehlungen für wirtschaftspolitische Maßnahmen.

In Norwegen bildet das jährliche „Nationalbudget" die Grundlage für die Koordinierung der staatlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik. Obwohl in Norwegen das Privateigentum weitaus überwiegt (die seit Kriegsende regierende sozialdemokratische Arbeiterpartei ist undogmatisch und pragmatisch), beeinflußt das Nationalbudget auch das Unternehmetverhalten.

In Schweden hat das jährliche Nationalbudget eine geringere Bedeutung als in Norwegen, es stellt nur eine Art offizieller Konjunkturprognose dar, hat jedoch keinerlei verbindlichen Charakter. Jedenfalls aber liefern die Größenvorstellungen und Argumente des Nationalbudgets die Grundlage für eingehende sachliche Diskussionen in Regierung, Parlament und Öffentlichkeit.

ln den Niederlanden hat das jährliche „Nationalbudget" prognostischen Charakter, es ist ein Beratungsinstrument der Regierung. Ein „Planungsamt“ hat die Aufgabe, die makroökonomischen Größen auf Grund wissenschaftlicher Mechoden vorauszuberechnen, nicht aber Sollziffern oder konkrete Projekte vorzulegen. Da das „Nationalbudget“ der Regierung als Grundlage für ihre Politik dient und die Öffentlichkeit über die künftige Entwicklung informiert, ist es für die Wirtschaftspraxis ein nicht zu unterschätzender Faktor.

In Italien wurde im Herbst 1962 eine „Nationale Kommission für Programmierung“ gegründet. Der von ihr bereits vorgelegte erste „Wirtschaftsplan“ enthält einige Prognoseziffern und wirtschaftspolitische Richtlinien, ist aber nicht verbindlich. Das wichtigste und wirksamste Element der Wirtschaftsplanung bildet in

Italien die von dem Ministerium mit Hilfe staatlicher Holdinggesellschaften betriebene Koordination der Industrie mit starker staatlicher Beteiligung.

Von den außereuropäischen Ländern können hier nur zwei erwähnt werden: Japan und die USA.

Wiewohl in Japan die Privatwirtschaft bei weitem dominiert, wurde auch hier für die Zeit von 1961 bis 1970 ein „Plan zur Verdoppelung des Nationaleinkommens“ entworfen. „Der Plan" enthält konkrete Ziffern für wichtige volkswirtschaftliche Größen und wird von einem „Wirtschaftsplanungsamt" im Ministerrang betreut.

In den Vereinigten Staaten von Amerika besitzt der Präsident durch den

„Employment Act" von 1946 gewisse gesetzliche Handhaben für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik. Der Präsident gibt jeweils zu Beginn der Sitzungsperiode dem Kongreß einen Wirtschaftsbericht, der den gegenwärtigen Stand und die Entwicklungstendenzen der Wirtschaft schildert sowie wirtschaftspolitische Empfehlungen qualitativer Natur enthält. Nur für das Bruttonationalprodukt und für fiskalische Daten werden Schätzziffern angegeben. Der Präsident wird vom „Council of Economic Advisers“ beraten. Das „Joint Economic Committee" ist das Organ der wirtschaftspolitischen Meinungsbildung der Legislative. Es nimmt zum Bericht und zu den Empfehlungen des Präsidenten kritisch Stellung, macht Sonderuntersuchungen und veranstaltet „Hearings".

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