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Der Kontrollierte kontrolliert...

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Eingeweihte wissen es nk erst seit der gewaltsamen Entfernung Olahs aus dem Wiener Gemeinderat: die Wiener Stadtverfassung bedarf dringend einer Reform. Neben dem inzwischen sattsam bekannten 14 Abs. 4, der einem Mitglied des Gemeinderates, gegen das „wegen eines nicht politischen Verbrechens die Voruntersuchung eingeleitet wird, während des Strafverfahrens die Ausübung seines Mandates“ verbietet, gibt es eine Reihe anderer wesentlicher Be-stimimungsn, die einer kritischen Durchleuchtung auf Verfassungs-kongruenz nicht standhalten.

Gegen den oben zitierten 14 sind die schweren Bedenken wegen des Widerspruches zur Europäischen Menschenrechtskonvention bekannt, die für Österreich verbindlich ist und fordert, daß die Unschuld eines Menschen so lange zu vermuten ist, als dieser nicht rechtskräftig verurteilt wurde.

Aber verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen die Organisationsform des Kontrollamtes der Stadt Wien: Dessen Zweck ist es, „die gesamte Gebarung der Gemeinde und der von der Gemeinde verwalteten, mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Fonds und Stiftungen

auf die ziffernmäßige Richtigkeit, auf die Ordnumgsmäßiigkeit und auf die Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu prüfen“. Der Direktor des Kontrollamtes aber wird auf Vorschlag des Bürgermei-stens vom Gemeinderat auf fünf Jahre bestellt und hat „ein rechtskundiger Verwaltunigsfoeaimter zu sein“.

Weiters berichtet „das Kontrollamt unmittelbar an den Bürgermeister und mindestens einmal jährlich über wichtige Wahrnehmungen an den Gemeinderat“.

Es kommt nun zu der eher 'ungewöhnlich zu nennenden Situation, daß der vom Bürgermeister abhängige Gemeindebeamte des Kontroll-amtes seinen Ohef zu kontrollieren und ihm davon Meldung zu erstatten hat. Wen verwundert da noch, daß der jährlich erscheinende „Bericht des Kontrollamtes“ sich in sehr vorsichtigen Formullierungen und vagen Verbesserungsvorschlägen erschöpft, was bei der „verständnisvollen Beachtung der Bemühungen des Kontrollamtes auch bei bisweilen abweichenden Auffassungen“ ja auch zu erwarten ist.

Einheit von Landtag und Gemeinderat

Eine Lösung dieses Probleimes wäre nur au erreichen, wenn das Kontrollamt direkt dem frei gewählten Landtag unterstellt wäre und so aus dem Einflußbereich des Stadtofoer-hauptes herausgelöst würde.

Doch nicht nur am Beispiel des Kontrollamtes manifestiert sich die All-mächtigkeit des Wiener Bürgermeisters und Landeshauptmannes. Denn dieser hat das autoritäre Recht, Beschlüsse des frei gewählten Gemeinderates, des Stadtsemates, der Gemeinderatsausschüsse und der frei

gewählten Bezirksvertretungen zu sistieren. Sogar die aimtsführenden Stadträte sind weisunigsgebunden. Es gibt also nicht das vergleichsweise in der Bundesverfassung verankerte Prinzip der Eigenverantwortlichkeit der Minister, wobei der amtsführende Stadtrat auf Komimunialebene einem Minister auf Bundesebene gleichzusetzen ist.

Die Identität von Gemeinderat und Landtag, die Tatsache, daß Wien nicht nur eine Gemeinde, sondern auch ein Bundesland, und zwar das bevölkerungsstärkste, ist, wirft eine Reihe von verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Problemen auf, die nur durch eine völlige Trennung von Gemeinde und Land zu beheben wären. Ist die Trennung von Landtag und Gemeihderat ohne große Schwierigkeiten zu bewerkstelligen, so scheint es unmöglich, den Beamtenapparat ebenfalls neu au gliedern. Es sei denn, man nimmt eine noch größere Aufblähung der Verwaltung in Kauf.

„Wachdienst“ und „Hauskontrolle“

Auch der rechtliche Status der Rathauswache, die ebenfalls durch den Olah-Exodius der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, ist nicht einwandfrei zu klären. Laut Geschäftseinteilung des Wiener Magistrates (Geschäftsgruppe 10) sind ihre Aufgaben „Wachdienst und Hauskontrolle in städtischen Amtsgebäuden, Bewachung von Gemeindegut“. Von exekutiver Gewalt ist nichts au lesen.

Neben den skizzierten und nicht vollständig behandelten Problemen ist besonders der Mangel von Möglichkeiten eines Volksbegehrens, einer Volksbefragung, die Unmöglichkeit der Briefwahl sowie jene des Reihens und Streichens undemokratisch. Denn in einer Zeit, in der man eine Verlebendigung der Demokratie zu verwirklichen sucht, sind diese Relikte eines autoritäten Systems abzulehnen — auch wenn es von Lueger stammt.

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