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Lehrer, Eltern und Dichtung

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Unterwegs zu neuen Leitbildern. Von Georg Picht. Werkbund-Verlag, Würzburg. 62 Seiten. Preis 2.70 DM.

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Unterwegs zu neuen Leitbildern. Von Georg Picht. Werkbund-Verlag, Würzburg. 62 Seiten. Preis 2.70 DM.

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In einer tiefschürfenden, streng wissenschaftlichen Untersuchung über Wahrheit und Wissenschaft kommt der Verfasser zu dem Schluß: Wie erschließen wir den Raum, den das Schicksal des menschlichen Geistes uns Vorbehalten hat? Die Herrlichkeit, von der wir staunen könnten, haben wir verschüttet. Das Heil, an dem wir zweifeln könnten, ist unserem Zeitalter versunken. Die geschichtliche Stunde unseres Denkens steht nicht im Glanz ihrer vorausgehenden Offenbarung; sie steht in dem Zwielicht, in dem die gesetzgebende Vernunft ihre autoritäre Herrschaft errichtet hat. Erst wenn wir gelernt haben, daß die ursprüngliche Form, die Wahrheit zu erkennen, das Fragen selbst ist, wird sich uns auftun, was die Welt Wissenschaft und Wahrheit uns heute noch verbergen, aber auch aufbewahren.

In dem zweiten Vortrag beschäftigt sich der Autor mit dem Thema „Unterwegs zu neuen Leitbildern“. Leitbild ist die Uebersetzung von Ideal. Ein auf Leitbildern ausgerichtetes ist ein auf Ideale ausgerichtetes Leben, es ist das Leben eines Idealisten. Wenn an Stelle von Ideal Leitbild, Norm, Wert, Standardbegriff gesagt wird, so kommt einerseits die Entwertung des Begriffes, anderseits aber auch das Festhalten einer idealistischen Denkweise zum Ausdruck. Picht hat die Vorstellungswelten und ihre Leitbilder, die Setzung neuer Werte durch den Willen zur Macht und den absoluten Idealismus klar erörtert. In der Idealität wie in der Realität ist die Selbstentfremdung des Menschen festzustellen. Platon eröffnet auf der wahren Bahn der Geschichte Dimensionen dieses Unterwegs, Johannes 14, 6 fällt das erlösende Wort: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Unterwegs in der Nachfolge Christi. Die daran schließenden Folgerungen mit dem Hinweis auf Matthäus 27, 46 können nicht unwidersprochen bleiben. Darum die Resignation des Verfassers. „Was sollen wir tun? Wir sollen fragen und unterwegs sein, das ist alles.“

Elternhaus, Höhere Schule und Universität. Von Hellmut B e c k e r und Wolfgang Clemens. Werkbund-Verlag, Würzburg. 58 Seiten. Preis 2.70 DM.

Beide Verfasser haben die Schulverhältnisse der Deutschen Bundesrepublik, insbesondere die Bayerns, im Auge. Die höheren Schulen entsprechen unseren Mittelschulen. Hellmut Becker ist Anwalt der Elternschaft. In drei Abschnitten: Elternnot — Elternrecht — Elternpflicht untersucht er die Ursachen der Schwierigkeiten zwischen Schule und Elternhaus und gibt Hinweise auf die Lösung unter Mitwirkung der Elternschaft. In Erziehungsfragen ist das Elternhaus entscheidend, für das Erziehungsmonopol des Lehrers ist in der Demokratie und in unserer Zeit kein Raum. Wenn die Eltern in freiem Zusammenwirken mit den Lehrern diesen ihre Aufgaben erleichtern sollen, dann muß auch die Lehrerschaft sich klar sein, daß Erziehung und Unterricht nur Erfolg haben können, wenn die Eltern dabei mitwirken. Die entscheidende Veränderung des pädagogischen Klimas der höheren Schulen muß von der Zusammenarbeit an den einzelnen Schulen ausgehen, die pädagogische Partnerschaft von Eltern und

Lehrern wird vom einzelnen Kinde in der einzelnen Schulklasse und in der konkreten Gemeinschaft der einzelnen höheren Schule gelebt.

Wolfgang K 1 e m e n t nimmt als Hochschullehrer Stellung zu dem Problem und meint; Die Spannung zwischen Fülle an Stoff und Fächern einerseits und der Aufnahmefähigkeit der Jugend anderseits kann nicht als gesund betrachtet werden. Die Quantität des zu Lernenden ist auf Kosten der Qualität gegangen, das In-die-Breite-Gehen hat das In-die-Tiefe- Gehen verhindert. Es ist noch immer Tatsache, daß man sich dem Stoff, dem Wissensgebiet gegenüber mehr verpflichtet fühlt als dem Kind. Hier könnten alle Schularten von der heutigen Volksschule lernen.

Kleines Lehrerbrevier. Von Hans Handl und Elisabeth Schicht. Verlag für Jugend und Volk, Wien. 175 Seiten.

Das Buch hält sich absichtlich von jeder wissenschaftlichen Begründung fern. Es soll als eine aus der Erfahrung des Lehrers geschöpfte, etwas erwärmende und durchblutende Ergänzung der Lehrtätigkeit gebracht werden. Dies ist den etwas zu optimistischen Verfassern gelungen. Leider unterschätzen sie den Pflichtschullehrer in seinem Berufsethos. Wie ein roter Faden durchzieht die Betrachtungen die stets wiederkehrende Mahnung: „Lieber Kollege, wie alt und gescheit du auch bist, lege einmal für eine einzige Minute dein großes Selhstbewußtsein. zur ; Seite und beantwort dit ganz allein die -Frage, ob du nicht selbst daran schuld bist.“- Bezeichnend an der pädagogischen Plauderei ist aber das Geständnis auf Seite 148: „Das tödliche Gift für etwas, das man ausrotten will, ist das Ignorieren. Es heißt nicht umsonst, man schweigt eine Sache tot.“ Ob die beiden Verfasser über Gott und Christentum in ihrem Brevier deshalb kein einziges Wort finden?

Die Dichtung in Unterricht und Wissenschaft. Von Fritz B 1 ä 11 n e r. Werkbund-Verlag, Würzburg. 36 Seiten. Preis 2 DM.

An einem trefflichen Beispiel, R. A. Schröders „Ein geistliches Abendlied“, deckt der Verfasser das Fundament seiner Untersuchung auf. Dichtung ist nur wirklich im Modus des Sprechens und des Hörens. Zweierlei Künste erzeugt und verlangt sie: Die des Sprechens und die des Hörens. Man kann nicht verstehen, wenn man nicht die Dichtung au? der Partitur des Druckes in ihre Wirklichkeit übergeführt hat' Der Unterricht muß zum Sprechen und Hören erziehen, weil nur darin die Dichtung wirklich ist. Die'vielen Irrwege und Umwege im Unterricht werden in Anwendung dieses Kritikums betrachtet und abgelehnt. Grundsatz: Zuerst die Dichtung selbst, dann noch einmal die Dichtung, jetzt formal'gesehen, .dann zuletzt erst und durchaus nicht immer die Dichtung als Dokument menschlichen Wertes und geschichtlicher Augenblicke. Bei Prüfung der wissenschaftlichen Leistungen meint der Verfasser resigniert: „Ich fürchte, es steht bei der Behandlung der Dichtung in Unterricht und Erziehung noch ebenso schlecht wie in den zwanziger Jahren, als ich studierte und niemals Dichtung hörte oder zu sprechen aufgefordert wurde.“

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