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Warenhäuser — stark expansiv

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Das Warenhaus ist ein in eine neue Größendimension fortentwickeltes Gemischtwarengeschäft. Dem organisatorischen Modell nach gleicht es weithin dem orientalischen Basar, aber auch dem Jahrmarkt alten Stils. Güter des täglichen und vor allem des periodischen Bedarfs werden bei einem relativ geringen Service feilgehalten, wobei die Kunden zu einem großen Teil Schaukunden und weniger Kaufkunden sind. Das Schauendürfen ohne Kaufzwang stellt gleichzeitig einen wesentlich Teil der Werbung des Warenhauses dar. Das Warenhaus ist daher sowohl Rummelplatz als auch Ort ernsthafter Nachfrage. Vom Basar des Orients ist das Warenhaus vor allem durch die zentrale Führung, den Verkauf in geschlossenen Räumen und durch die festen Preise unterschieden.

Durch Ausschaltung des Großhandels beim Bezug der Waren und einen Einkauf in außerordentlich großen Mengen sind die Warenhäuser — ähnlich wie die Konsumgenossenschaften — in der Lage, ihre Güter zu, relativ niedrigen Preisen anzubieten.

Im System des Discount-Hauses werden die noch vom Warenhaus der alten Art angebotenen Dienste (wie die Aufmachung der Waren) auf ein Minimum reduziert. Es kommt zum sogenannten „kontaktlosen Verkauf“, da der Käufer, weil nicht zur Nachfrage aufgefordert, meist von sich aus die Initiative zum Kauf eTgreift, ist doch das Betreten des Warenhauses noch nicht mit dem Zwang verbunden, ein Verkaufsgespräch zu beginnen.

Das Warenhaus ist als Kooperation von in einem Gebäude befindlichen Fachgeschäften zu verstehen. Daß dem so ist, kann man etwa am Beispiel des Wiener AEZ (im Ursprung: „Börsenbasar“) erkennen, das den Charakter eines Warenhauses hat und sich von diesem nur darin unterscheidet, daß die einzelnen Abteilungen je für sich einem einzelnen Gewerbetreibenden gehören und miteinander im Konkurrenzkampf stehen.

Weil eine Koordination von Fachgeschäften, trifft die Expansion der Warenhäuser vor allem den mittelständischen Fachhandel, dessen relativer Anteil am Gesamtbetrag der Umsätze im Einzelhandel im Absinken ist.

Warenhaus und Einzelhändler

In Österreich etablieren sich in einem wachsenden Umfang ausländische Großversandhäuser und bieten bei gigantischen Werbungskosten (die selbstverständlich vom Abnehmer bezahlt werden müssen) ihre Waren bis in den letzten Einödhof an.

Daneben entstehen, von Banken und Warenhausketten des Inlandes und des Auslandes finanziert, neue Warenhäuser. Schon bestehende werden ausgebaut. Vermöge ihrer besonderen Standortlage und ihrer Kapitalausstattung haben die Warenhäuser sowohl hinsichtlich der Preisrechnung wie in der Art der Darbietung ihrer Waren Chancen, die dem mittelständischen Händler nicht verfügbar sind.

Gegen die massierte Konkurrenz kann der mittelständische Einzelhändler nur sein spezifisches, sein persönliches Service, bieten, Leistungen, die das Warenhaus nicht verfügbar hat, auch deshalb nicht, weil sie von ihm, in Kenntnis der Dinge, auch nicht verlangt werden: eine persönliche, weil am Verkaufserfolg nachdrücklich interessierte Bedienung und eine Information auf Grund besonderer Sachkundigkeit. Die Kompliziertheit in der Bedienung vieler technischer Geräte und beim Gebrauch von Gütern — auch bei Markenwaren — stellt heute einen wesentlichen Bestandteil des Kaufwertes dar. Der kleine Händler verkauft also als Beigabe zur eigentlichen Ware Kontakt und Information. Vorläufig werden jedoch beide Leistungen nicht in jenem Maß begehrt, daß dem Vordringen der Warenhäuser Einhalt geboten werden könnte.

Durch die Ausbreitung der Warenhäuser — von anderen Bestimmungsgründen abgesehen — kommt es zu einer bedenklichen Reduktion der Zahl der mittelständischen Händler, zumindest ihres Umsatzanteiles, und dies unter Verwendung des Instrumentarismus der sogenannten westlichen Wirtschaftspolitik. Selbstverständlich vollzieht sich die faktische Enteignung oder Zuriickdrängung . der . Kleinen durch die Großeauki eiskalter. Korrektheit unter strikter Beachtung der bestehenden Gesetze und unter einem synchronen Bekenntnis zur Privateigentumsordnung.

Nun gibt es auch im Bereich des Handels Entwicklungen, die aufhalten zu wollen eine gleichsam naturgesetzliche Entwicklung leugnen hieße. Der Wille' zum preisgünstigen Kauf entspricht jenem rationalen Denken, da auch der Kaufmann bekundet, wenn er im Sinne einer Maximierung seiner Gewinne handelt. Man kann es aber dem Käufer nicht verargen, wenn er sich in Warenhäusern dann 'eindeckt, wenn er annimmt, dadurch sein Nominaleinkommen besser zu nutzen.

Ebenso gehört eben die Expansion, wenn man sich das Wirtschaften nicht wirklichkeitsfremd als statisch vorstellt, zum Wesen jeder ErwerBstätig-keit. Das gilt auch für den Handel. Schließlich will auch ein mittelständischer Händler zum ersten am Platz, wenn nicht im Land aufsteigen.

Anderseits müssen wir aber ernste Bedenken äußern, wenn sich eine

Entwicklung anbahnt, die in ihrer Intensität keineswegs naturnotwendig verläuft, sondern sich als eine Summe von Manipulationen zugunsten der Großen erweist.

Fünfte Kolonne des Kollektivismus

Die allenthalben sichtbaren Konzentrationsprozesse im Handel sind geeignet, eine verdächtig aufdringlich als „privat“ etikettierte Wirtschaftsweise im Rahmen des Verteilungsprozesses in eine faktisch kollektivistische zu verwandeln. Auf diese Weise aber bildet sich im Zentrum der sogenannten „Privatwirtschaft“ eine fünfte Kolonne des Kollektivismus, die sich über reichlich dotierte Werbeetats gerade jene Elemente zu kaufen vermag, deren Pflicht es wäre, die Öffentlichkeit auf den bedenklich gewordenen Vorgang einer Bedrohung unserer noch im Konzept freiheitlichen Wirtschaftsordnung zu verweisen. Jedenfalls ist der perfekte Kollektivismus des Ostens, weil offen deklariert, ehrlicher als • der durch Wortschwaden verdeckte iin Westen, dessen Werbenarkotika uns übersehen lassen, da'3 er letzten Endes auch zum Konsumzwang führen muß.

Vor allem aber ist es bedenklich, wenn eine Regierung, die sich als Ganzes dem System einer Konkurrenzwirtschaft verpflichtet fühlt, die Konkurrenzbedingungen gerade zuungunsten der Eigentümer kleiner Betriebe ändert, nicht förmlich initiativ, sondern eben durch Duldung.

Das geschieht etwa durch die faktische Begünstigung der Großen im Rahmen des Abgabenrechtes. Die Kostenvorteile der Großbetriebe des Einzelhandels werden beispielsweise im Umsatzsteuerrecht nur unzureichend aufgewogen. Die oft beantragte „Warenhausumsatzsteuer“ wurde nicht eingeführt. Bei vertikaler Expansion eines Warenhauses durch Einbezug eines Erzeugungsbetriebes gibt es ebenfalls — ausgenommen in der Textilwirtschaft — umsatzsteuerliche Benefizin.

Auf der gleichen Linie liegt die Mithilfe verstaatlichter Banken bei der Finanzierung von Warenhäusern, jener gleichen Banken, die sich dem kleinen Händler nachdrücklich verschließen, wenn er es wagen sollte, einen Investitionskredit oder gar einen Betriebsmittelkredit anzusprechen. Bei der Eigentumswirklich-keit in Österreich führt außerdem die indirekte Errichtung eines Warenhauses durch eine Großbank unvermeidbar zur Bildung verstaatlichter Warenhäuser. Man würde das erst deutlich erkennen, sollten einmal die Sozialisten die Großbanken in ihren Einflußbereich ziehen können.

Die Gegner der Privatoigentums-ordnung — als Prinzip und noch mehr als Wirklichkeit — sind nicht allein die ostentativen Anhänger des Etatismus, sondern auch jene, die unter „Freiheit in der Wirtschaft“ nur die Freiheit in der Expansion ihres eigenen Unternehmens verstehen. Dabei soll keineswegs einer mittelständischen Idylle das Wort geredet werden, einer zünftlerischen Kartellierung. Auch' der Händler darf sich nicht der Dynamik des wirtschaftlichen Prozesses entziehen. Der Handel ist keinswegs Selbstzweck, sondern wie alles Wirtschaften auf den Menschen bezogen.

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