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Für alle gesorgt
Unlängst in einer Tischgesellschaft: In die angeregte Unterhaltung fällt der Satz: „Wenn jeder für sich schaut, ist für alle gesorgt.” Kurze, verwirrende Stille, dann engagiertes Gespräch für und wider. Geht die Rechnung auf, ist es nur ein Slogan oder tatsächlich eine Lebensauffassung? Bis eine Dame am Tisch die Gegenthese formuliert: „Wenn jeder für einen anderen schaut, ist für alle gesorgt.”
Jeder für sich; Je enger in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit der Gürtel wird, umso öfter ist diese
Haltung anzutreffen. In manchen politischen Lagern kursiert sie deutlich formuliert als Gruppeninteresse. Vor allem aber befällt sie schleichend und unbewußt die Gesellschaft, die sich dann nicht mehr verantwortlich fühlen möchte für Ausländer, für Asylanten, für alleinstehende Mütter, für ältere Menschen, für Behinderte und Ungeborene.
Spätestens bei dieser Aufzählung muß die Frage folgen: Und jene, die nicht selbst für sich schauen können? Vielfach ist es Bealität: Ihnen hilft keiner (mehr).
Jeder für einen anderen Nur darin kann ich mich als Christ finden, hat doch Jesus von Nazaret ohne Abstriche vorgezeigt, daß die Sorge um den anderen Menschen unverzichtbar ist. Das ist nicht einfach, die Versuchung, vorüberzugehen, lieber andere in Pflicht zu nehmen, ist nicht nur eine literarische Facette der Gleichniserzählung vom Samariter.
Deswegen ist es sinnvoll, zu präzisieren: Jeder für einen anderen - das wäre der sinnvoll solidarische Weg. Er fordert mich heraus, und doch bleibt er in meinen Möglichkeiten.
Sorgen für einen: Das ist auch konkret genug; diesen einen Menschen kann ich mir vorstellen, ihn vielleicht auch kennen. Da spielt Beziehung mit, letztlich auch Persönliches.
Die Alternative ist provozierend; einen Mittelweg gibt es nicht. Für den Best des gemeinsamen Tischgesprächs war das Thema gegeben, das Engagement war mitunter heftig.
Wie geht es Ihnen dabei? Haben Sie eine Meinung? Oder besser noch: Leben Sie eine Meinung? So könnten Sie Sorge tragen, daß wirklich für jeden gesorgt ist.
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