Das Öl und die Sonnenscheinpolitik

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In jüngster Zeit ist es spannend zu beobachten, wie sich die Prognosen zur Wirtschaftslage von einem Tag zum anderen drastisch ändern, und wie plötzlich wieder der Optimismus in hellen Flammen aus den Gazetten lodert. Da wandeln sich die politischen und ökonomischen Entscheidungs- in Hoffnungsträger und wickeln uns in wärmende Voraussagen, es sei nun endlich wieder Frühling und die Märkte würden wieder wachsen und gedeihen. Welche Hoffnung, welche Freude - und das wie zufällig auch noch zu Ostern.

Zur Erreichung dieses Ziels scheint ziemlich jedes Mittel als Argumentationshilfe recht, wie positive Branchenentwicklungen im Promillebereich, marginale Steigerungen bei Stimmungstests unter Managern, oder einfach ein paar gute Tage an den Weltbörsen.

Lichte Illusionen, finstere Realität

Hienieden, weit unter den lichten Höhen der Konjunkturforschung bemerken wir Arbeitnehmer nichts vom Aufschwung - sondern das Gegenteil davon. Die Krise schleicht sich langsam in die Volkswirtschaften zurück und kriecht in Stuben, die sie bisher noch gar nicht besucht hatte. Die Unternehmen investieren immer noch zu wenig, die Banken geben immer noch zu wenig Kredite, die chinesische Wirtschaftslokomotive verliert spürbar an Zugkraft. Und bei uns endet diese Kettenreaktion in der massenhaften Ausstellung von Kündigungsschreiben.

Die Arbeitslosigkeit in Europa lag im Februar bei 10,8 Prozent, das ist ein Zuwachs um 0,1 Prozentpunkte gegenüber Januar. Das bedeutet 162.000 Arbeitslose mehr. Insgesamt sind mehr als 24 Millionen Menschen in der EU arbeitlos - so viele wie seit 15 Jahren nicht mehr.

Dass alles gut wäre, dieses Motto gilt derzeit nur für die Mineralölkonzerne, soferne sie nicht gerade mit Gaslecks in der Nordsee zu kämpfen haben wie Total. Das Öl und die Preisentwicklung der vergangenen Monate nähern sich einem gefählichen Punkt, an dem der Preis zur massiven Wachstumsbremse wird. Schon 2008 hat der hohe Ölpreis dazu beigetragen, dass der Crash an den Finanzmärkten so massiv auf die Realwirtschafts durchschlagen konnte. Daran hat sich nichts geändert. Nur ist die Lage der Staaten, welche die Konjunktur mit Investitionsspritzen auffangen können, ungleich prekärer.

Ölpreis als Senkblei

Der Ölpreis, an dem die gesamte Industrie gedeiht oder eben welkt, wird auch jene Konjunktur im Keim ersticken, an die sich die Hoffnungen der Wirtschaftsforscher klammern. Die Atomkrise um den Iran allein erklärt den dauerhaften Preisanstieg übrigens nicht. Viel eher schon die seit Jahren geübte Preispolitik: Freudigst werden da Panik und Sorgen politischer oder wirtschaftlicher Natur an die Kunden über höhere Preise weitergegeben. Ist das Problem gelöst und Entspannung angesagt, also Preissenkungen, tun die Konzerne so, als ginge sie das gar nichts an.

Das ist ein Indiz für zweierlei Notstände: Erstens funktioniert der Wettbewerb in dem Kernbereich der Wirtschaft wenig bis gar nicht. Zweitens finden ordnende Eingriffe der Gesetzgeber nicht statt, nicht auf nationaler und schon gar nicht auf internationaler Ebene. Das macht die Konsequenzen äußerst bitter - für den tankenden Kunden, die Unternehmen und die Wirtschaftsentwicklung, die sich direkt in steigenden Arbeitslosenzahlen übersetzt.

In diesem Zusammenhang ist es nun doppelt gefährlich, dass die internationale Politik so tut, als gäbe es diese Probleme nicht - und das vermutlich nur deshalb weil die Strategen im Weißen Haus Barack Obamas Wiederwahl nicht durch schlechte Nachrichten von der Wirtschaft gefährden wollen. Eine solche Sonnenscheinpolitik hat das Potenzial sich zu einem Ungetüm aufzublähen, das nicht mehr gebändigt werden kann, wenn es sich aufmacht samt der Weltwirtschaft auf Talfahrt zu gehen.

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