Der Papageno-Effekt: Positive Nachahmung
Die Suizid-Berichterstattung zählt zu den schwierigsten Feldern im Journalismus: Wie den Opfern gerecht werden und gleichzeitig legitimes Informationsinteresse bedienen? Und wie Nachahmungstaten verhindern? Ein Symposium widmet sich diesen Fragen.
Die Suizid-Berichterstattung zählt zu den schwierigsten Feldern im Journalismus: Wie den Opfern gerecht werden und gleichzeitig legitimes Informationsinteresse bedienen? Und wie Nachahmungstaten verhindern? Ein Symposium widmet sich diesen Fragen.
Es treffen sich in unserer Zeit zwei Phänomene: eine steigende Zahl an psychischen Krankheiten und gleichzeitig eine immer länger werdende tägliche Verweildauer der Menschen in Medien.
Nun wird aus Sorge vor Nachahmung in den Qualitätsmedien relativ wenig über Angst, Depression oder auch über Suizid berichtet.
Diese Sorge vor dem sogenannten „Werther-Effekt“ führt aber dazu, dass sich in unserer digitalen Zeit traurige und einsame Menschen mit ihren Problemen im Radio, im Fernsehen und in den Zeitungen nicht wiederfinden. Diese gutgemeinte Rücksichtnahme der Journalistinnen und Journalisten wirkt also wie ein Brandbeschleuniger, denn Betroffene fühlen sich daher noch einsamer, als sie eh schon sind: weil ja in der Wirklichkeit der Medien ihre Sorgen, Ängste und ihre Sicht der Welt offenbar nicht stattfinden.
„Papageno-Effekt“ statt „Werther-Effekt“
Dazu forscht an der Meduni Wien Thomas Niederkrotenthaler. Er konnte bereits 2010 nachweisen, dass es eben nicht nur einen negativen Nachahmungseffekt, sondern auch einen positiven Nachahmungseffekt, den sogenannten „Papageno-Effekt“ gibt.
Insbesondere eine verantwortungsvolle Berichterstattung von Suiziden kann nämlich durchaus präventive Wirkung haben. Wenn man das Leben eines Verstorbenen nicht nur auf dessen Todestag reduziert, sondern von Lebensleistungen berichtet; oder wenn man Angehörige und ihre Liebe zum Verstorbenen beschreibt; wenn man von Hoffnung berichtet, die sogar in solchen schrecklichen Momenten nicht stirbt. Wenn es also nicht um Schuld und Vorwürfe, sondern um Wertschätzung und um Perspektiven in diesen traurigsten Momenten des Lebens geht.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!