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Bildung von Meinung - oder von Politik?

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Welche Gefahren es mit sich bringen kann, wenn das Fernsehen sich in die Gestaltung von Politik einmischt, darauf wurde in dieser Rubrik bereits anläßlich der Diskussion über die Sendungen aus dem Parlament hingewiesen. Vergangene Woche wurde diese Gefährlichkeit vor den Augen des Fernsehpublikums geradezu am Objekt demonstriert. Es ist hier die Rede von dem ORF-Interview, das zwischen den drei wichtig sten Männern unserer Regierung und dem Leiter der Nachrichtenabteilung des Rundfunks und seinen zwei Gehilfen stattfand. Was hier geschah, war eine richtige „tour de force”, mit der insbesondere dem Bundies- und dem Vizekanzler von Herrn Dalma eine weitaus härtere und intransin- gentere Haltung in der ÖIG- Frage aufgezwungen wurde, als sie ursprünglich und zu Beginn des Interviews eingenommen hatten. Daß das — für alle Fernseher deutlich wahrnehmbar — möglich war, erhellt die ganze Lage im Verhältnis zwischen führenden Politikern in Österreich und einer Institution, die aus einem Instrument zur Förderung der Meinungsbildung der Öffentlichkeit zur mächtigen und gefährlichen Waffe einer „Privatpartei” von Spitzenangestellten der Rundfunk Ges. m. b. H. geworden ist. Umgekehrt erwies sich just in der ÖIG-Frage die Impotenz der im Zusammenhang damit veranstalteten Befragungen von Betriebsräten und Angestellten der Verstaatlichten Betriebe. Selbstverständlich (in diesem Österreich), gab jeher Setnebs’rat s6ifoe Wh- “ drücke entsprechend der von seiner Partei vertretenen Cinie in der Sache wieder. Die ehrlichste Meinung war noch die eines Arbeiters: er sagte, daß es ihm ganz wurscht sei, ob sein Betrieb staatlich und österreichisch bleibe oder nicht, wenn ihm nur ein gutes Einkommen und sein Arbeitsplatz gesichert sei. Ob dieses ihm jedoch durch die von der Regierung oder durch die von der SPÖ vertretene Haltung gewährleistet werde, darüber Klarheit zu schaffen, ist auch in den vom Fernsehen durchgeführten

Diskussionen der Politiker (beginnend bei Kreisky und Withalm) nicht gelungen. Vielleicht ist das wirklich gar nicht möglich — wenigstens nicht, wenn alle sich davor drücken woVen, zuzugeben, daß es sich hier um eine grundsätzliche Frage handle: welcher Sektor in Österreich gestärkt werden solle, der private oder der öffentliche. Just dies wäre eine Aufgabe des Fernsehens: du bei mitzuhelfen, daß der Diskussion von Grundsatzfragen nicht aus dem Weg gegangen werde. Oberflächlichkeit gibt es nicht nur in der Behandlung von Politik im Fernsehen, sondern auch in der Geistes- und Sozialpolitik. Es geht nicht an, daß ein notabene in einem katholischen Land so wichtiges Thema wie das der aus ihrem Stand getretenen Priester und ihres Zölibates so miszella- nisch-anękdotisch behandelt wird, wie in der letzten „Horizonte”- Sendung. Das Verschulden liegt nicht nur bei den Leuten, welche die Sendung gemacht haben, sondern bei jenen, welche ihnen die Sendezeit dafür vorportionierten. Eine solche Sendung verdiente doch wohl mindestens so viel Dauer wie irgendeine seichte Unterhaltung, etwa der „Goldene Schuß”.

So ist der Sport derzeit der Ehrenretter des Fernsehens. Hier spielt die Interpretation nicht so eine große Rolle wie die Darbringung echter Leistungen. So etwa bei den Übertragungen der Europameisterschaften im Rudern. Was für ein Vergnügen, hier junge Leute — ohne LSD — ohne Pop — oder SDS-Hysterie — nur mit einem sauberen Willen ausgestattet, Höchstleistungen vollbringen zu sehen.

So verdient auch Teddy Pod- gorsky für seine Bergsteigersendung eine Kandidatur für einen künftigen „Oskar” des Fernsehens. Hier wurde nicht nur die Sache der Alpinistik in ihrem Wesen erfaßt, sondern auch einzigartige begeisternde Aufnahmen vermittelt. Hier ist die Art , von „Speise”, derer eine Jugend oeäarf’ welche der moralischen und physischen Verfettung der Wohlständigkeit, zu entrinnen wünscht. Die Sendung verdient nicht nur Wiederholung, sondern auch Vorführungen im Schulpro- gramm.

Ein Fernsehrezensent kann sich täuschen. So, wenn er keinen Empfangsapparat für Farbe besitzt. Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, daß Farbsendungen, die ich in Schwarzweiß gesehen und negativ kritisiert hatte, große Vorzüge besessen hätten, die jedoch nur in Farbe erkennbar waren. Bedauere, aber es ist so, daß derzeit in Österreich nur 12.000 Leute Farbfernsehapparate haben, wohl aber eine Million und zweihunderttausend Schwarzweißapparate.

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