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Die Stellung der amerikanischen Arbeiterschaft

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New York City, im Dezember 1947

In den kommenden Präsidentschaftswahlen von 1948 werden die Stimmen der amerikanischen Arbeiterschaft und ihrer Gewerkschaften eine bedeutsame Rolle spielen. Als vor einigen Monaten eine Kette wilder Streiks den ruhigen Ablauf des Wirtschaftslebens bedrohte und gleichzeitig kommunistischer Einfluß sich geltend zu machen versuchte, wurde vom Kongreß der „Taft-Hartley Labour Act“ geschaffen, der die Beziehungen zwischen Arbeiterschaft und Unternehmer regulieren soll. Zur selben Zeit verlangte das neue Gesetz von den Arbeiterführern die Erklärung, daß ihre Uhions nicht kommunistisch organisiert seien. Es gab viele Proteste auf seitens der Gewerkschaften, nicht sosehr wegen der Ausschaltung der Kommunisten, als wegen der Begrenzung des Streikrechtes. Wie immer man i die Bestimmungen des Gesetzes beurteilen mag — die Kette der Streiks ist abgerissen und die Vereinigten Staaten genießen zur Zeit eine Periode wohltuenden Arbeitsfriedens.

Kein Zweifel„ daß die überwältigende Mehrheit der amerikanischen Arbeiter und ihrer Gewerkschaftsführer gegen jede Form des Kommunismus ist. Den Beweis hiefür lieferte die mächtigste Union vor einigen Wochen. Die Gewerkschaft der amerikanischen Autoindustriearbeiter entfernte in ihren Wahlen die Linksradikalen aus der Leitung und übergab die Führung Walter Reuther, einem ihrer Tüchtigsten. Keine andere Gewerkschaft hat eine höherqualifizierte Arbeiterschaft wie die UAW (United Automobile Workers); deren Stellung ist das verläßliche Baromter für die Einstellung der anderen Arbeiter.

Der amerikanische Arbeiter kennt nicht den Klassenkampf, sondern nur den Gruppenkampf. Sein Schild ist seine Gewerkschaft, seine Wirtschaftsorganisation. Ihm fehlt überhaupt das Gefühl der Klasse. Seine soziale Stellung ist eine halbbürgerliche. Er hat die Wohnung des Durch-schnittsamerikaners, achtzig unter hundert haben ihr eigenes Auto. Er fühlt sich sozial gleichberechtigt mit seinem Unternehmer, den er — in kleineren Unternehmungen —

gerne beim Vornamen nennt. Er hat nicht das Gefühl, daß seinen Kindern soziale Grenzen gesetzt sind. Seine Tochter könnte einen reichen Fabrikanten heiraten. Er ist in keiner Weise dem „White-Collar“-MaÄ, dem Büroangestellten, sozial unterlegen und kann seinen Kindern dieselbe Erziehung bieten, wie sein Unternehmer. Ihm fehlt so überhaupt der Begriff des Proletariats.

Kommunistischer Einfluß hat sich nur in gewissen Gebieten fühlbar gemacht, in denen die Mehrzahl der Arbeiter aus Einwanderern der jüngeren Zeit besteht. Die Massen der slawischen Kohlenarbeiter in Pennsylvanien und der ungeschulten Kräfte in den Downtown-Sections von New York, Chikago oder Pittsburg sind dem Angriff der kommunistischen Propaganda ausgesetzt, bisher ohne nennenswerten Erfolg. Sehr gute Kenner der Lage erklären, die Religiosität der polnischen, ungarischen und ukrainischen Arbeiterfamilien biete ihnen einen sicheren Schutz gegen die Volksvergiftung.

Nicht unter der Arbeiterschaft, sondern in den Kreisen der Halbgebildeten findet der Kommunismus seine Anhängerschaft, unter linksliberalen Radiokommentatoren, Journalisten, kleinen Kinoschauspielern. Die kürzlich abgehaltene Untersuchung im Kongreß über gewisse Vorgänge in Hollywood hat dies deutlich zutage gebracht. Aber wieder erwies es sich, wie klein dieser Kreis ist. Die Reaktion Amerikas gegen den Kommunismus ist tausendfach stärker, als es die des Deutschen Reiches gegen Hitler zwischen 1926 und 1932 war. Und dies wird den Frieden der Welt sichern.

Die Wahlen von 1948 werden, wie seit Jahrzehnten, zwischen den beiden großen Parteien, den Republicans und den Demo-crats, entscheiden, und die Arbeiterschaft wird ihre Stimmen auf beide aufteilen. Eine dritte oder vierte Partei, ob sie „Labour“ oder „Liberal“ sich nennen mag, Parteigruppen, die von den Stimmen der äußersten Linken leben, werden über die Vorstädte der Industriebezirke nicht hinauskommen.

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