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Kameraden und Verbote

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Der Innenminister hat sich die Feindschaft führender Kamerad-schaftsbündler zugezogen, weil er es wagte, das vorgesehene Landestreffen der im Kameradschaftsbund organisierten Veteranen in Wiener Neustadt von der Tagesordnung abzusetzen. Mit dieser in weiten Kreisen nicht populären Maßnahme ist Minister Czettel wieder an die vorderste Front der politischen Auseinandersetzung aufgerückt. Die Freiheitlichen, die ja sonst in Niederösterreich in Sachen Politik nichts mitzureden haben, sehen sich plötzlich als die Hüter der Demokratie und betonen lautstark, Czettel habe dem Druck der extremen Linken in gefährlicher Weise nachgegeben.

Wir wissen, daß die Melodie aus dem Lager der Volkspartei ähnlich klingt, nur oam vieles leiser, gibt es doch auch dort viele Politiker der Volkspartei, die diesmal mit dem Schritt des Innenministers einver-verstanden sind. Aber es stehen Bundespräsidentenwahlen vor der Tür, und gerade diesmal kommt es auf jede Stimme an. Einen Hauch Opportunismus muß man einer Partei in Wahlzeiten schon verzeihen, wenn dadurch die Grundsätze nicht ganz vernebelt werden.

Das Verbot einer ordnungsgemäß angemeldeten Veranstaltung ist nun freilich eine sehr ernste Sache, auch wenn es im Interesse des inneren Friedens erfolgt. Es ist ein bedeutender Eingriff in die in einer Demokratie garantierten Rechte der Staatsbürger. Die Meinungsfreiheit, die Religionsfreiheit und die Versammlungsfreiheit gehören zu den Grundpfeilern demokratischer Ordnung. Das Verbot einer Veranstaltung muß alle mit Sorge erfüllen, denen die Demokratie am Herzen liegt. Noch dazu zu einem Zeitpunkt, da wir den zwanzigsten Jahrestag der Befreiung, der Errichtung der Zweiten Republik feiern.

Die Vorgeschichte für den Schritt des Innenministers ist bekannt:

Seit langem protestieren die Kommunisten gegen das geplante Landestreffen des Kameradschaftsbundes in Wiener Neustadt. In der „Allzeit Getreuen“ gibt es noch eine der stärksten KP-Gruppen des Landes. Nun sind aber Polemiken der extremen lirken Kräfte — sie spielen sich dort, wo sie nicht die Macht im Staate innehaben, gerne als Gralshüter der Demokratie auf — nichts Außergewöhnliches. Wir haben weder eine Hitler-Diktatur noch eine Volksdemokratie, und daher können auch extreme Zwergparteien ihre Ansichten mit aller ihnen zur Verfügung stehenden Lautstärke verkünden. Das weckt so manchen satten Wohlstandskarpfen aus seiner politischen Lethargie, fordert zur geistigen Auseinandersetzung heraus und regt das demokratiscne Leben an.

Allein die kommunistischen Proteste wären also noch kein Grund zu einer besonderen Beunruhigung gewesen. Es gilt aber, noch andere Komponenten darzulegen:

• Die „Affäre Borodajkewycz“, von manchen bagatellisiert, von manchen hochgespielt, hat einen düsteren Schatten über Österreich geworfen. Und das erste Opfer des Neonazismus war ein Fanal für alle demokratischen Kräfte, besonders auf der Hut zu sein, und war ein Fanal auch für den Innenminister, den man ganz zu Recht in erster Linie für die Aufrechterhaltung der inneren Ruhe und Sicherheit verantwortlich machen muß, dafür, daß ähnliche blutige Auseinandersetzungen im Hinkunft auf jeden Fall unterbunden werden. Ein gebranntes Kind fürchtet das Feuer!

• Der „Sekundärgermane“ und die für ihn streitenden Studenten haben in der mittleren und älteren Generation die Erinnerung an eine noch immer nicht ganz bewältigte Vergangenheit wachgerufen. Was im Unterbewußtsein noch nicht verdaut, rückte wieder ins Bewußtsein: Sollte nach 20 Jahren Zweiter Republik eine Wiederholung der dreißiger Jahre möglich sein? Wohl nicht zuletzt aus Sorge um den inneren Frieden wurden der Proteste gegen das Treffen des niederösterreichischen Kameradschaftsbundes in Wiener Neustadt immer mehr — es waren vor allem aller Couleur Gewerkschafter, die nun ihre Bedenken anmeldeten.

• Es fehlt offensichtlich das Vertrauen einer breiten Öffentlichkeit zum Kameradschaftsbund. Wir möchten hier eindeutig feststellen: Das Fußvolk des Kameradschaftsbundes hat den ideologischen Bodensatz der NS-Ära, der von der braunen Propagandamaschine angehäuft worden war, über Bord geworfen. Es ist diesen Männern bewußt, daß sie von einem brutalen Regime in einen ebenso brutalen Krieg getrieben wurden, der nicht der Österreichs war. Sie wollen nichts weiter als eine Pflege der persönlichen Geselligkeit und der Kameradschaft. Jener echten Kameradschaft, die in harter Zeit erprobt worden war. Und es brauchte viel Tapferkeit, wenn Hunderttausende an den Todesfronten aushielten, weil sie keine andere Alternative hatten, wollten sie nicht auch ihre Namensangehörigen („Sippenhaftung“) in größte Gefahr bringen.

Leider gibt es aber gerade im niederösterreichischen Kameradschaftsbund besonders radikal-deutsch-nationale Kräfte, die sich bedeutende Führungspositionen erobern konnten. Es sind jene, die Hitler, so weit als nur irgendwie möglich, von der Kriegssohuld befreien möchten, die im „Kamerad“ die „historische Wahrheit“ in einer Weise darstellen, wie wir uns das in einer Gegenwartsausgabe des „Völkischen Beobachters“ vorstellen könnten. Es sind jene Kreise, aus deren Reden noch immer die leise Trauer über die verflossene „Glorie“ des Großdeutschen Reiches herauszuhören ist. Sie machen es den kleinen ehemaligen Landsern nicht leicht, die richtige Orientierung im Österreich von heute zu finden, sie machen es auch vielen Demokraten schwer — auch solchen, die nicht im linken Lager stehen —, an die positiven Aufgaben des Kameradschaftsbundes zu glauben.

Wir erinnern uns noch recht gut an die beschämenden Vorkommnisse in Maria-Langegg, wo gewisse Kameradschaftsbundführer den im KZ ermordeten Priestern die Ehre versagen wollten. Es mutet uns mehr als sonderbar an, daß nun jener Dr. Faber, der die Hauptrolle in der Affäre Maria-Langegg gespielt hatte, dieser Tage zum Ehrenobmann des Kameradschaftsvereines Krems ernannt wurde. Der Vizepräsident des niederösterreichischen Kamerad-schaftsbundes, Kriz, und seine Mannen erklärten sich geradezu solidarisch mit der ehemaligen Handlungsweise des Dr. Faber. Nach einem Artikel in der von Faber herausgegebenen Lokalzeitung hat Kriz erklärt:

„Diese Ehrung sei angetan, ihm (nämlich Dr. Faber, Anm. d. Verf.) für die Herabsetzung, die ihm zuteil geworden, volle Genugtuung zu geben.“

Darf man sich unter solchen Umständen wundern, wenn der Kameradschaftsbund wieder einmal ein Unbehagen verursacht? Dazu kommt noch, daß der nunmehrige Ehrenobmann des Kameradschaftsvereines Krems erst kürzlich seine Zeitungsspalten für einen langen Artikel aus der Feder von Taras Borodajkewycz öffnete, offenbar, um diesem zumindest in einem kleinen Lokalblatt die Möglichkeit zur „Ehrenrettung“ zu geben.

Es wäre hohe Zeit, im nieder-österreichischen Kameradschaftsbund ein Revirement in seiner Führungselite vorzunehmen. Nicht durch die Aufstellung einer „Ordnungstruppe“ oder eines „Saalschutzes“ — davon war schon einmal die Rede! —, sondern nur durch eine solche Operation kann die demokratische Glaubwürdigkeit des Kameradschaftsbundes aufgewertet werden. Der Öffentlichkeit muß es leichter gemacht werden, Vertrauen zum Kameradschaftsbund kaben zu können. „Die Furche“ hat Innenminister Czettel auch schon harte Worte gesagt, diesmal kann man wohl feststellen: Außergewöhnliche Umstände können einmal außergewöhnliche Maßnahmen notwendig erscheinen lassen.

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