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Berndorf und die Lehren

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Um von allem Anfang an allen Unterstellungen und böswilligen Interpretationen die Spitze zu nehmen: Wir verurteilen selbstverständlich als Christen mit allen anderen rechtlich denkenden Österreichern Prügel und geballte Fäuste als politische Argumente auf das schärfste. Deshalb müßten wir auch Aktionen, wie jene vom vergangenen Sonntag, wo in Berndorf Kameradschaftsbündler von Gegendemonstranten attakiert wurden, entschieden mißbilligen — auch wenn letztere in ihrer Mehrheit keine Kommunisten gewesen wären. Mehr oder weniger schwer Verletzte, eine zerfetzte Fahne, Haßtiraden. So geht es nicht.

Es geht aber auch nicht so weiter, wie es in den letzten Jahren beim Österreichischen Kameradschaftsbund gehalten wurde. Immer stärker und dreister spielten sich, nicht zuletzt gerade in Niederösterreich, Männer in den Vordergrund, die unter dem Deckmantel der Pflege der Frontkameradschaft einer Glorifizierung des Hitler-Krieges das Wort redeten und die Hetze gegen tote und lebende Männer des österreichischen Widerstandes zum System erhoben.

Noch einmal: Kommunisten als Sachwalter österreichischer Interessen sind uns äußerst unsympathisch und noch dazu nicht immer glaubhaft — auch wenn es sich nicht um Rollkommandos handeln würde.

Allein, vielleicht tragen die Verantwortlichen in beiden Regierungsparteien das Ihre mit dazu bei, daß wieder rechts marschiert und links geprügelt wird. Dieses Blatt hat schon seit längerer Zeit auf die offenkundige Fehlentwicklung im ÖKB aufmerksam gemacht. Die Delegiertentagung des österreichischen Katholikentages im Frühjahr dieses Jahres in St. Pölten tat es ebenfalls. Nichts geschah. Niemand wies seine Mandatare und Funktionäre an, in den lokalen Organisationen nach dem Rechten zu sehen und an die Adresse der Kameradschaftsbündler etwa ähnliche Worte zu richten, wie sie der aufrechte Bauernbunddirektor des Burgenlandes, Hans P e s a t a, erst unlängst im „Bur-genländischen Bauernbündler“ (25. September 1962) den „Alten Kameraden“ unter anderem zurief:

„Kamerad, ich mächte mit Dir reden, als einer, der dabei war, der mit Dir auszog und der gleich Dir das Glück hatte, wieder nach Hause zu kommen. Vielleicht lag ich nur wenige Meter von Dir entfernt im selben Graben und mit derselben tödlichen Angst, als feindliche Panzer die Stellung durchbrachen und sich anschickten, uns mit ihren Ketten zu zermalmen. Vielleicht ging ich an Dir vorbei, ah ein Stahlgewitter uns niederwarf. Vielleicht lag ich im Feldlazarett neben Dir und hörte Dein Stöhnen und Rufen nach der Mutter.

Kamerad, versteh mich recht! Nichts gegen die Kameradschaft, nichts gegen die treue Freundschaft zwischen Männern, die dem Tod ein Schnippchen schiuzen. Nichts gegen die Pflege der Tradition — aber alles gegen }ene, die mit hnhltöuenden Phrasen die Grauen-haftigkeit des Krieges verniedlichen, die aus dem Sterben der Millionen ein Theater machen. Was sind das für Menschen, die nach 17 ]ahren Ruhe in unserer Heimat wieder vom Heldentod träumen (meist denken sie an den Heldentod der anderen), die wieder Führer werden wollen und dabei ununterbrochen von „soldatischer Pflichterfüllung“ reden?

Kamerad, zur Pflichterfüllung ein ernstes Wort: Pflichten hat jeder Mensch, ein gerütteltes Maß voll, in der Schule, im Beruf, gegen Vater und Mutter, gegen Frau und Kinder, gegen Gott und sich selbst.

Darüber hinaus hat jeder anständige Mann in jedem , Staat die helltge Pflicht; wewi seine Heimat in Gefahr ist, wenn übermütige Feinde diese angreifen, zur Waffe zu greifen. Aber ich Frage Dich: Hat Polen, Frankreich, Rußland oder ein anderer Staat, gegen den wir kämpften, Österreich angegriffen? O^er hat Grofldeutschland, in das wir Österreicher hineingepreßt wurden, diese Staaten überfallen und aus Europa ein Trümmerfeld mit fast 50 Millionen Toten gemacht?

Kamerad, und noch eines: ich muß es Dir sagen, auch wenn Du mich nicht verstehen solltest oder nun glaubst, daß ich Deine .soldatische Ehre' mißachte.

Dieser zweite Weltkrieg war kein „österreichischer Krieg“. Du hast in einem Krieg gekämpft, der nicht der Deine war. Du hast geblutet und geopfert, für eine Sache, die nicht die Deine war. Deswegen ist Dein Opfer und Deine Tat nicht weniger wert.

Kamerad, hast Du schon bedacht, daß bei einem Sieg Großdeutschlands es heute kein Österreich gäbe? Dies, Kameradschaftsbündler, wollte und mußte ich Dir sagen. Denke darüber nach und schaue Deine Orden vom Hitlers Gnaden mit anderen Augen als bisher an.“

So hat man aber nicht gesprochen. Ganz im Gegenteil: Man hielt oft wacker mit. Man lauschte ohne ein Wort der Widerrede den hohlen Worten; man ermunterte durch Telegramme; man klatschte gedankenlos Beifall. Gedankenlos? Oder dachte man doch an etwas? An den Wahltag und an Stimmenfang?

Und jetzt sind die Kommunisten mit von der Partie. Aber auch ihren verurteilungswerten Attacken soll es nicht gelingen, die derzeit Verantwortlichen im ÖKB „salonfähig“ zu machen. Angriffe der Kommunisten allein sind kein Salböl der Demokratie.

Die Bilder vom letzten Sonntag, auf denen von Gendarmen getrennt Kameradschaftsbündler und kommunistische Aktivisten einander gegenüberstehen, erinnern fatal an jene Bilder aus der Ersten Republik, wo 1928 in Wiener Neustadt Heimwehr und Schutzbund, ebenfalls nur durch einen dünnen Kordon der Exekutive getrennt, aufmarschierten — zum späteren Bürgerkrieg.

Den Anfängen heißt es wehren. Eine verantwortliche österreichische Politik hat dafür zu sorgen, daß der Tag von Berndorf nur eine traurige Episode bleibt.

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