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„Keine Blutspender für Kommunisten“

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Hans-Jürgen Wischnewski machte sich seit 1957 als Bundestagsabgeordneter vor allem einen Namen dadurch, daß er sich besonders intensiv mit afrikanischen Problemen befaßte. Als einziger deutscher Politiker nahm er 1960 am panafrikanischen Kongreß in Tunis teil. Im Kabinett Kiesinger wurde der 44 Jahre alte Wischnewski 1966 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Er gab das Ministerium vor wenigen Monaten auf, um im Wahljahr als Bundesgeschäftsführer seiner Partei tätig zu sein.

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Hans-Jürgen Wischnewski machte sich seit 1957 als Bundestagsabgeordneter vor allem einen Namen dadurch, daß er sich besonders intensiv mit afrikanischen Problemen befaßte. Als einziger deutscher Politiker nahm er 1960 am panafrikanischen Kongreß in Tunis teil. Im Kabinett Kiesinger wurde der 44 Jahre alte Wischnewski 1966 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Er gab das Ministerium vor wenigen Monaten auf, um im Wahljahr als Bundesgeschäftsführer seiner Partei tätig zu sein.

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„Viele Sozialdemokraten waren gemeinsam mit Kommunisten in den Zuchthäusern und Konzentrationslagern des Dritten Reiches. Auch Dr. Kurt Schumacher, der 1. Vorsitzende der .Sozialdemokratischen Partei Deutschlands' (SPD) in den drei Westzonen und später in der Bundesrepublik Deutschland von 1945 bis zu seinem Tode im Jahre 1952, hatte während seiner langjährigen Haft mit vielen kommunistischen Leidensgenossen zusammengelebt. Er wußte jedoch die menschliche Solidarität des gemeinsamen Leidens von einer politischen Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und Kommunisten, von einer Aktionseinheit oder Einheitsfront von Sozialdemokratie und Kommunismus streng und konsequent zu trennen. Dr. Kurt Schumacher erklärte: ,Die Sozialdemokratie hat keine Veranlassung, für den geschwächten Parteikörper der Kommunisten den Blutspender abzugeben und auf irgendeinen Annäherungsversuch auch nur andeutungsweise einzugehen. Mit den Kommunisten gibt es £ür uns kein Paktieren.' Zwei Jahrzehnte später, Ende 1968,'stellte“ der jetzige 1. Vorsitzende der SPD, Bundesaußenminister Willy Brandt, in einem Schreiben an alle SPD-Mitglieder aus gegebenem Anlaß unmißverständlich fest: .Zwischen deutschen Sozialdemokraten und deutschen Kommunisten gibt es keine sachliche Grundlage für Gespräche oder gar Aktionen.'

Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) in der Bundesrepublik wurde im August 1956 vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verboten. Grundlage des Verbotsantrags und des Urteils war Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland: .Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche, demokratische

Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.'

Im Grunde genommen traf das Verbotsurteil gegen die KPD einen politischen Leichnam. Im freien Teil Deutschlands war die Kommunistische Partei zum Zeitpunkt ihres Verbots bereits zur einflußlosen politischen Sekte geworden. Bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag im Jahre 1949 errang die KPD immerhin noch 5,7 Prozent, das sind knapp 1.4 Millionen der 23,7 Millionen gültigen Stimmen. Im Jahre 1953 erhielt die KPD bei den Bundestagswahlen nur noch 2,2 Prozent, das sind rund 607.000 der 27,5 Millionen gültigen Stimmen. Die Wähler, besonders die arbeitenden Menschen, deren Denken und Handeln von den Vorstellungen eines demokratischen, freiheitlichen Sozialismus bestimmt sind, hatten ihr Urteil über die KPD bereits lange vor dem offiziellen Verbot dieser Partei ausgesprochen.

So starrsinnig, wie die Kommunisten in der Bundesrepublik seit nahezu 13 Jahren auf der verfassungsrechtlich unimöglichen Wiederzulassung der durch das Bundesverfassungsgericht verbotenen KPD bestehen, so ablehnend reagierten sie auf Angebote — 'auch vieler sozialdemokratischer Politiker — eine neue, verfassungs-konfortme kommunistische Partei zu gründen. Erst nach einem langen Spiel hinter den Kulissen der Zentralkomitees und Politbüros von KPdSU, SED und der verbotenen KPD (deren Führungsgremien in Ost-Berlin residieren), und nach komplizierten strategischen und taktischen Überlegungen, wurde mit dem Segen der genannten Gremien Ende September 1968 in der Bundesrepublik Deutschland eine neue Kommunistische Partei gegründet — neu konstituiert, wie die Kommunisten sagen: Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP). Die Eltern begrüßten die Geburt, „abjr, sie verleugnen bis heute die Elternschaft. Und das Kind ver- leugnet -seine Eltern. Seit der Gründung der DKP wird zwischen SED und KPD einerseits und der DKP 'anderseits das groteske Schauspiel des ,Nicht-mit-einander-zu-tun-haben-Wollens' gespielt. Und doch gibt es keinen Zweifel: Altgediente — wenn auch oft jung an Jaihren — kommunistische Funktionäre stellen das Gros der DKP-Funktionäre. Ob die kommunistische Partei, in der sie wirken, nun ,DKP oder ,KPD' heißt: Die Marschrichtung brauchen sie nicht zu ändern. Mitte April dieses Jahres hielt die DKP in Essen ihren 1. Parteitag ab. Das Fazit dieser Veranstaltung: Das Programm dieser Partei mag noch so wohltemperiert und ausgefeilt sein; die Partei mag sich noch so modern und demokratisch geben — die DKP wird in der politischen Landschaft der Bundesrepublik Deutschland als eine Partei erscheinen, die im Sinne und zum Wohlgefallen der KPdSU und der SED orthodox kommunistische Politik betreibt. Dabei sucht die DKP nach Bundesgenossen, hinter denen sie hertraben kann und mit deren Hilfe sie versuchen will, eine breite Massenbasis zu erringen. Allein wird sie das niemals schaffen. Nicht das erste und gewiß nicht das letzte Mal machten die Kommunisten in der Bundesrepublik, mit massiver Schützenhilfe durch die SED in Ost-Berlin, auf und nach dem 1. Parteitag der DKP den deutschen Sozialdemokraten ein plumpvertrauliches .Bündnis'-Angebot. Die Antwort der SPD formulierte unmißverständlich das SPD-Präsidium: ,Die deutsche Sozialdemokratie weist jeden Anbiederungsversuch der DKP auf das entschiedenste zurück. Es gibt keine Gemeinsamkeiten zwischen deutschen Sozialdemokraten und Kommunisten.'“

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