Reportage Bulgarien Concordia Roma - © Thomas Seifert

Bulgarien und die vererbte Armut einer Nation

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Bulgarien gehört zu den Ländern mit der höchsten Kinderarmutsrate. Die Volksgruppe der Roma trifft das besonders. Fehlende Teilhabe und soziale Ausgrenzung gehören für sie zum Alltag. Die Hilfsorganisation „Concordia“ will einen Ausweg bieten. Ein Lokalaugenschein.

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Bulgarien gehört zu den Ländern mit der höchsten Kinderarmutsrate. Die Volksgruppe der Roma trifft das besonders. Fehlende Teilhabe und soziale Ausgrenzung gehören für sie zum Alltag. Die Hilfsorganisation „Concordia“ will einen Ausweg bieten. Ein Lokalaugenschein.

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Bilyana wartet vor der Tür. Auf dem Arm hat sie ihren jüngsten Sohn, kaum neun Monate alt, an der anderen Hand zieht ihre Tochter. Die Straße hinauf zum Wohnanhänger, wo die 25-Jährige mit ihren insgesamt fünf Kindern und ihrem Mann wohnt, ist nicht betoniert und matschig. Am Vortag hat es geregnet. Trotzdem tragen die drei nur Sandalen über den Socken.

Die Familie lebt auf engstem Raum am Rande des Dorfes Malki Iskar, rund 90 Kilometer nordöstlich der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Der Vater arbeitet wie die anderen Männer des Dorfes in der Forstwirtschaft und ist nur abends zu Hause. Drinnen ist gerade einmal Platz für drei Betten, einen Kühlschrank und einen kleinen Tisch, der als Arbeitsfläche dient. Fließendes Wasser gibt es nicht. Zum Waschen nutzt die Familie eine große Badewanne, die ansonsten unter dem Wagen verstaut wird. Die Situation der anderen Familien im Viertel unterscheidet sich kaum. Wie Bilyanas Familie zählen auch sie sich zur bulgarischen Minderheit der Roma, die mehr als ein Zehntel der Landesbevölkerung ausmacht.

Die Armut der Nachbarschaft

In Bulgarien gibt es viele solcher Viertel. Sie werden mahalas genannt, vom türkischen Wort mahalle, was so viel wie Nachbarschaft oder Stadtteil bedeutet. Heute werden damit vor allem ärmere Stadt- oder Dorfteile bezeichnet, in denen größtenteils Roma leben. Schätzungen zufolge gibt es um die hundert mahalas im ganzen Land, etwa ein Viertel von ihnen besteht aus illegalen Bauten und verfügt über keine offiziellen Adressen. Das hat Folgen, denn bisher konnte nur Ausweispapiere beantragen, wer eine Adresse hat. Ohne persönliche Dokumente sind Betroffene sowohl von Sozialleistungen als auch von Grundrechten wie dem Wahlrecht ausgeschlossen. Nun soll es mittels Geburtsurkunde möglich sein, die Papiere zu beantragen. Bis die bürokratischen Versäumnisse vollständig aufgeholt sind, wird es aber noch dauern.

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