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Billiger reisen trug Früchte

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Übereinstimmend melden Österreichs Fremdenverkehrszentren verblüffend gute Ergebnisse über den Verlauf der Reisesaison. Es ist kaum mehr daran zu zweifeln, daß der heurige Sammer mit einem neuen, sensationellen Rekord schließen wird. Durchweg liegen die Fremdenziffern um 10 Prozent über den Vergleichswerten des Vorjahres, viele Orte melden einen Zuwachs von 20 Prozent, vereinzelt werden sogar

Steigerungen um 30 Prozent berichtet. Und dies, obwohl das Wetter heuer keineswegs mitgespielt hatte!

Angesichts der verbesserten Konjunkturlage in Westeuropa hatte die Fremdenverkehrswirtschaft zwar mit einer gewissen Belebung gerechnet, doch zeigen sich selbst die optimistischsten Experten von den tatsächlich errechneten Resultaten völlig überrascht. Von einem solchen Reisezug nach Österreich hatte man nicht im leisesten zu träumen gewagt.

Während das Fremdenverkehrsbarometer in Österreich durchweg „Schönwetter“ zeigt, lassen die Berichte aus anderen europäischen Zentren des Tourismus' kaum auf eine ähnliche Entwicklung schließen. Auch in internationaler Sicht erweist sich demnach die österreichische Zwischenbilanz als echte Sensation. Die neuentbrannte Liebe ausländischer Gäste schlägt sich natürlich auch in harter Münze nieder. Und dies um so mehr, a's es im Gegensatz zum Vorjahr heuer nicht mehr modern zu sein scheint, im Urlaub besonders zu sparen. Nicht weniger als 7,5 Milliarden Schilling gaben die Fremden allein in den ersten sechs Monaten in Österreich aus, was einen Zuwachs um 12 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 1967 bedeutet. Trotz eines weiterhin wachsenden Fernwehs der Österreicher, die zwischen Jänner und Juni 1968 Devisen um 2,4 Milliarden Schilling kauften, blieb der Reingewinn mit 5,2 Milliarden Schilling immer noch um 10 Prozent über den Nettoeinnahmen des vorjährigen Vergleichszeitraumes. Das ist sehr beachtlich, zumal die Ansprüche der Österreicher auf Auslandswährung in den letzten Jahren immer stärker zugenommen haben. Betrug der Sprung nach vorne hier von 1966 auf 1967 schon knapp 20 Prozent, so wird vom ersten Halbjahr 1968 eine Steigerung um weitere 22 Prozent gemeldet. Deutlich deckt sich dieses Erscheinungsbild mit den Berichten aus den österreichischen Uriaubsorten, die weitgehend übereinstimmend zeigen,

daß die Zunahme der Inländerübernachtungen mit der der ausländischen Gäste in keiner Weise Schritt hält.

Im Gegensatz zu den Fremden haben demnach die Österreicher ihre Heimat noch nicht wiederentdeckt.

Ein heilsamer Schock

Wer heute mit den Generalstäblern dieses volkswirtschaftlich so bedeutenden Gewerbezweiges über die Gründe der sich so deutlich abzeichnenden Erfolgsbilanz spricht, bekommt derzeit zumeist noch reichlich hintergründig anmutende Antworten. Man spricht viel von Preisdisziplin und über großangelegte Aktionen der Fremdenverkehrswerbung, die sich nun zu Buche schlagen. Doch was man hier so in der Eile aufzählt, sind sicherlich mitbestimmende, aber letztlich doch nicht entscheidende Faktoren. Sicherlich hat man aus den ungünstigen Resultaten des Vorjahres Konsequenzen gezogen, eine derartige Touristeninvasion kann davon aber kaum ausgelöst worden sein. Zweifelsohne überfordert man die Spitzenmanager, wenn man bereits jetzt von ihnen exakte Analysen erwartet. Keineswegs klüger sind zur Zeit auch die Gastronomen und

Hoteliers, die noch immer alle Hände voll mit ihren Gästen zu tun haben. Ihnen blieb in diesem Sommer kaum Zeit zum Schlafen, geschweige denn zum Nachdenken

Eines steht indes auf alle Fälle fest: Die deutliche Stagnation des Jahres 1967, die sich auf leisen Sohlen schon ein Jahr früher angekündigt hatte, wirkte als heilsamer Schock. Es gab das längst fällige Erwachen aus dem weitverbreiteten Traum, daß die Bäume der erfolgberauschten Fremdenverkehrsindustrie einfach zwangsläufig in den Himmel wachsen müßten!

Ein Jahr später, da die Krise schlagartig überwunden scheint, spürt man ganz deutlich, wie stark die Ernüchterung noch in den Knochen von Stubenmädchen, Köchen, Kellnern und Gastwirten steckt. Man merkt es an vielen Einzelheiten: am Service, an den Preisen, den Portionen und an den bei weitem freundlicheren Gesichtem. Neu inthronisiert, scheint der Gast — wie es sich gehört —, wieder auf dem besten Weg, König zu sein. Letztlich auch im Interesse der Fremdenverkehrswirtschaft selbst ist zu hoffen, daß das magere Jahr 1967 möglichst lang in taufrischer Erinnerung bleiben möge.

Essen und — Benzin locken!

Während die Vertreter der österreichischen Fremdenverkehrswirtschaft heuer noch etwas verblüfft der in dieser Stärke nicht erwarteten Fremdeninvasion gegenüberstehen, hält der ausländische Gast bei Befragungen kaum mit den Beweggründen hinter dem Berg,” weshalb er Österreich heuer wieder stark favorisierte. Zunächst haben die Bürger aus der Bundesrepublik, ermutigt durch die wirtschaftliche Neubelebung, die alte Reiselust zurückgewonnen. Sie ziehen Österreich

wegen seines niedrigeren Preisniveaus und wegen des kürzeren Anmarschweges den übrigen europäischen Reiseländern vor. Auch die Touristen aus anderen europäischen Staaten nennen an erster Stelle die

relativ niederen Preise als für den Entschluß maßgebend, die Ferien in Österreich zu verbringen. Die landschaftliche Schönheit und (angeblich!) günstigeres Wetter folgen im Motivenkatalog demgegenüber erst mit beachtlichem Respektsabstand.

Vergleicht man das Ansteigen der

Lebenshaltungskosten in den einzelnen Staaten Europas etwa zwischen dem ersten Halbjahr 1967 und dem ersten Halbjahr 1968, so findet man diese Ansicht der Touristen glatt bestätigt. Wie sich zeigt, führen sie einen sehr präzisen Rechenstift. Während die Lebenshaltungskosten in dieser Zeit bei uns um 2,5 Prozent anzogen, verzeichnete die Schweiz 3,5 Prozent, Frankreich 3,6 Prozent, Norwegen 4,3 Prozent, Großbritannien 3 Prozent und Dänemark 10,2 Prozent höhere Lebenshaltungskosten.

Dies wirkt sich natürlich auch im Urlaub aus, zumal dann, wenn man bedenkt, daß die Preise der österreichischen Fremdenverkehrsindustrie unter dem Schock des vorjährigen Erlebnisses die allgemeine Aufwärtsentwicklung nicht mitgemacht und sieh zu den Preisen des Vorjahres präsentiert hat. Während die Übernachtungspreise nur knapp unter denen der ausländischen Konkurrenz bei freilich nicht immer adäquater Qualität liegen, wird der Abstand beim Essen doch stark deutlich. Während das Durchschnittsmenü in Österreich bei 30 Schilling liegt, hat man in Italien, der Schweiz und Frankreich dafür um 60 bis 100 Prozent mehr zu zahlen. Eine Rolle spielt natürlich auch der Benzinpreis, sind doch Österreichs Auslandsgäste zu 85 Prozent mit dem eigenen Wagen unterwegs. Normalbenzin kostet in österreid 3.40 Schilling, in Deutschlanc 4.10 Schilling. Das sind Unterschiede, die schon ins Gewicht fallen.

Für die Zukunft sollte sich Österreichs Fremdenverkehrswirtschaft jedenfalls dessen bewußt sein, daß gerade die Erhaltung der Preisdistanz gegenüber den Konkurrenzländern von entscheidender Bedeutung ist. Der Erfolg des heurigen Fremdenverkehrsjahres darf daher nicht dazu verleiten, die Preisschraube wieder um einen Gang weiterzudrehen. Es könnte sonst vielleicht in der nächsten Saison wieder zur Krise kommen.

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