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Demokratie und Staatspolizei

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Der Bundesminister für Inneres hat auf reaht ungewöhnliche Art das Problem der Tätigkeit der Staatspolizei öffentlich zur Debatte gestellt. Die Einrichtung der Staatspolizei besteht zwar in allen Demokratien; eine öffentliche Diskussion über ihre Aufgaben und deren Lösung hat bisher nirgends stattgefunden. Bs wäre also durchaus nichts dagegen einzuwenden, würde über dieses Problem von einem initiativ-freudigen Politiker eine Diskussion In Gang gebracht werden. Bedauerlicherweise erweckten die Ausführungen des Innenministers jedoch eher den Bindruck einer Polemik statt einer objektiven Prüfung. Die Stellungnahme in der Presse war daher auch stark von dem Wunsch getragen, die vorgetragenen Thesen tu unterstützen oder zu bekämpfen.

Eine ernsthafte, sachliche- Auseinandersetzung mit der Frage der Rolle der Staatspolizei in der Demokratie ist daher geboten.

Auch Minister Olah leugnet nicht die Notwendigkeit des Bestehens einer Staatspolizei in der Demokratie. Nach seiner Ansicht hat sie sich aber auf die Bekämpfung der Extremisten und ausländischer Agenten zu beschränken. Diese auf den ersten Blick einleuchtende Definition ist aber reichlich ungenau. Gerade die weite Regierungspartei hat eine wankende Auffassung gezeigt, wer als Extremist anzusehen ist. Bis zum Frühsommer des vergangenen Jahres galt die FPÖ infolge des Verdachtes des Reöhtsextiemismus als unwürdig, sich an der Regierung zu beteiligen. Seither wurde sie von diesem Makel reingewaschen, aber ein Teil der ÖVP als Rechtsextremisten angeprangert.

Aber selbst wenn man diesen Einwand vernachlässigen wallte, scheint es schwer vorstellbar, die staatspolizeiliche Arbeit erst aufzunehmen, wenn ein politisches Delikt bereits begangen wurde. Bei einem geglückten Putsch wird sich ihr Einschrei-' ten von selbst erübrigen, in jedem anderen Fall wird sie mangels entsprechender Unterlagen kaum überwindbare Schwierigkeiten der Aufklärung vorfinden.

In der Diktatur ist die Staatspolizei das Werkzeug der Unterdrückung aller staatsbürgerlichen Rechte, die für die Demokratie wesentlich sind. Die erste Aufgabe der Staatspolizei in der Demokratie liegt daher in der strengen Achtung der Gesetze und der durch sie verfassungsmäßig gewährleisteten Grundrechte. Sie wird daher nur in den seltensten Fällen im Rahmen der Gesetze aktiv einzuschreiten haben, jedoch durch ständige Berichterstattung an die verantwortlichen Stellen die Voraussetzungen zu schaffen hoben, daß ein Einschreiten gar nicht erforderlieh wird. Dieses Ziel kann sie nur erreichen, indem sie alle politisch bedeutsamen Ereignisse systematisch vermerkt und auch über alle im Lande verbreiteten Nachrichten mit politischem Einschlag — selbst wenn sie unrichtig sind — Kenntnis hat, da auch das Bestehen eines Gerüchtes eine gewisse politische Bedeutung betsitzt Vielleicht sollten letztere stärker und gewissenhafter als bisher von den „facts“ geschieden werden. Zugegeben. Aber das ist Sache einer Dienstanweisung, nicht einer Femsehshow.

Die politische Notwendigkeit gestattet aber nicht, gleichgültig welchen Teil der Bevölkerung, von der gebotenen Beobachtung auszunehmen. Es ist noch allgemein erinnerlich, daß im Jahre 1947 der damalige Zentralsekretär der SPÖ eine Parteigründung zugunsten der KPÖ vornahm, ebenso ein ehemaliges Regierungsmitglied der Regierung Schuschnigg. Um aber auch Beispiele aus anderen Demokratien anzuführen, wurde gerade der britischen Staatspolizei eine unzureichende Überwachung des eigenen Kriegsministers Profumo vorgeworfen, der deutschen Nachlässigkeit wegen der zu späten Entdeckung der jahrelangen Spionage durch einen Abgeordneten des Bundestages und der schwedischen eine gewisse Unbekümmerüheit gegenüber dem Treiben von Oberst Wennerström.

Nach den Darlegungen des Innenministers hätte aber die Beobachtung jeder einzelnen dieser genannten Personen eine grobe Ungehörigkeit gebildet. Es ist völlig unbestritten, daß die Sicherheitspolizei bei ihren Bemühungen zur Aufdeckung eines Verbrechens auch eine unbedeutende und vermutlich unwichtige Spur verfolgen muß, ja selbst lange Zeit einer falschen Fährte nachgehen kann. Es ist schwer zu begreifen, daß dieser anerkannte Grundsatz auf die Staatspolizei keine Anwendung finden soll.

Es ist nicht ganz verständlich, daß diese pflichtgemäße Wahrnehmung aller das öffentliche Leben möglicherweise beeinflussenden Vorgänge als „Bespitzelung“ bezeichnet wird.

Die Staatspolizei ist ebenso wie alle anderen Behörden dem Beamten-haftpflichtgesetz unterworfen, das die materielle Verantwortung des Staates und des schuldigen Beamten zugunsten eines durch gesetzwidriges Einschreiten Geschädigten vorsieht. Es ist kein Fall bekannt, daß eine solche Klage seit Wiedererrichtung der unabhängigen Republik Österreich gegen einen Angehörigen der Staatspolizei eingebracht worden wäre.

Es bleibt nun noch zu prüfen, ob Erkundigungen über die besonderen Lebensumstände von Staatsbürgern, ihre charakterliche Veranlagung und ihren Ruf zulässig sind. Diese Frage kann unbeschadet des öffentlichen Interesses derartiger Erwägungen schon deshalb nicht rundweg abgelehnt werden, da der Staat zahlreiche Auskunfteien konzessioniert und von ihnen Steuern einhebt, die über Anfragen von Privatpersonen vor Geschäftsabschlüssen, Anstellungen, Eheschließungen usw. wesentlich weitergehende Erhebungen anstellen und dem Interessenten auch das Ergebnis bekanntgeben.

Die bisher dargelegten Tatsachen gestatten den Schluß, daß die Sammlung eines Maximums an Nachrichten zum Zwecke der Gewinnung eines richtigen Bildes und der Information der Regierung gerade in der Demokratie die wesentliche Aufgabe der Staatspolizei darstellt Daraus ergibt sich aber, daß diese Behörde gerade in der Demokratie eine zusätzliche Aufgabe zu erfüllen hat, nämlich, Informationsorgan der Regierung zu sein. Eine Streichung dieser Seite ihrer Tätigkeit ließe das Informationsbedürfnis weites bestehen. Wer sollte es befriedigen? Vielleicht die Parteisekre-tariate? Dies wäre mehr als bedenklich, weil die Objektivität und die entsprechende Schulung zuminde-stens angezweifelt werden könnten, das Bearntenhaftpflichtgesetz aber in keinem Fall mehr anwendbar wäre.

Der Bundesminister für Inneres schloß seine Fernseihsendung mit der Erklärung ab, daß er sich zwar kritisieren, aber nicht beleidigen lassen müsse.

Er wird zu beherzigen haben, daß in der Demokratie dieses gleiche Recht jedermann in Anspruch nehmen kann. Er hat für seine Behauptung, daß die Tätigkeit der Beamten der Staatspolizei ohne Kenntnis und gegen den Willen seiner Vorgänger erfolgt sei, bisher keinen Beweis angeboten, geschweige denn erbracht, hingegen haben mehrere Persönlichkeiten bereits bestätigt, daß Innenminister Helmer den Arbeitsbereich und die Methode genau gekannt hat.

Es wäre nicht zum besten für die Demokratie, wenn die Segnungen des Rechtsstaates nur mehr den Berufsverbrechern zugute kämen, die Beamten aber keinen Anspruch mehr darauf hätten. Nach landläufiger Auffassung ist der Innenminister für die Ruhe und Sicherheit der Republik verantwortlich. Es ist aus mehr als einem Grund sehr zu bedauern, daß Maßnahmen des Innenministers in der letzten Zeit Unruhe auslösen.

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