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„Landesverrat“ als Kabale?

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Österreich hat einen „Hauch von Landesverrat“ verspürt. Wer in der Affäre um den geheimen Landesverteidigungsplan auf einen harten Spionagefall tippt und etwa Parallelen in der internationalen Spionagechronik sucht, wird allerdings enttäuscht. Denn das, was den Major im Planungsstab des Verteidigungsministeriums Hans Aehrenthal hinter Schloß und Riegel gebracht hat, heißt nur in der Gerichtssprache „Verrat von Staatsgeheimnissen“. Ähnlich hart klingt auch der Vorwurf, der nun dem Wehrjournalisten der Tageszeitung „Die Presse“, Georg Posan-ner, gemacht wird. Er soll Staatsgeheimnisse „ausgespäht“ haben. Allgemein verständlich heißt das Spionage.

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Österreich hat einen „Hauch von Landesverrat“ verspürt. Wer in der Affäre um den geheimen Landesverteidigungsplan auf einen harten Spionagefall tippt und etwa Parallelen in der internationalen Spionagechronik sucht, wird allerdings enttäuscht. Denn das, was den Major im Planungsstab des Verteidigungsministeriums Hans Aehrenthal hinter Schloß und Riegel gebracht hat, heißt nur in der Gerichtssprache „Verrat von Staatsgeheimnissen“. Ähnlich hart klingt auch der Vorwurf, der nun dem Wehrjournalisten der Tageszeitung „Die Presse“, Georg Posan-ner, gemacht wird. Er soll Staatsgeheimnisse „ausgespäht“ haben. Allgemein verständlich heißt das Spionage.

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Die vierzehn Tage seit der Verhaftung Major Aehrenthals haben allerdings zu einer allgemeinen Ernüchterung geführt. Was dia als Spionagefall im Raum geistert, was da Staatspolizei, militärische Abwehroffiziere und den Untersuchungsrichter zu 'einer Haupt- und Staatsaktion ver-anlaßte, zeigt sich mehr und mehr als ein Amalgam aus falsch verstandener Kameraderie unter Offizieren und alten Freunden — aus Geltungssucht, Einfluß und Postengerangel unter Generalen verschiedener parteipolitischer Zurechnung und schließlich als das Bild eines in seiner Reformphase und in seinem Verhältnis zur Öffentlichkeit noch immer nicht konsolidierten Bundesheeres.

Nochmals kurz zur Erinnerung: was stand am Anfang der Affäre? Btereits Mitte Februar hatte das stei-rische ÖVP-Blatt „Tagespost“ berichtet, daß ein dem geheimen Verteidigungsplan als Grundlage dienender Zustandsbericht über das Bundesheer auf höchsten Befehl hin eingezogen worden sei. Als Grund nannte die Grazer Zeitung,. der Bericht wäre einer Bankrott-Erklärung der SPÖ-Reform gleichgekommen. Ein „Kreisky nahestehender General“ müßte nun diesen Bericht „umschreiben“. Vorerst blieb allerdings diese Nachricht sowohl von den Parteien als auch von den Zeitungen ohne Echo; offenbar reagierten auch die militärische Abwehr und die Staatspolizei nicht, obwohl die Nachricht nur aus der engsten' Führungsspitze des Ministeriums kommen konnte. Zumindest mußte der

Informant der Zeitung etwas mit dem Plan zu tun haben.

Die weiteren Stationen sind hinlänglich bekannt. Hausdurchsuchung und Verhaftung von Major Aehrenthal, Referent im Planungsbüro, dessen Chef der der ÖVP nahestehende General Habermann ist; darauf Vorwurf der Grazer „Tagespost“, mit der Verhaftung des Majors sollte sein Vorgesetzter getroffen werden. Habenmann gelte als gewichtiger Kandidat für eine neu zu besetzende Spitzenposition im Verteidigungsministerium — und das solle offenbar hintertrieben werden; Hausdurchsuchung bei Redakteur Posan-ner, nicht aber Durchsuchung der Redaktionsräume der „Presse“; darauf Proteste gegen die staatliche Einengung der journalistischen Berufsausübung; die Parteien begannen sich der Sache anzunehmen. Vorwurf der ÖVP: Der Zustandsbericht über das Bundesheer sei manipuliert worden, aber eine von der Volkspartei verlangte Sondersitzung des Landesverteiidigungsrates bringt eine überraschende Einmütigkeit der zuerst zerstritten scheinenden Generale. Sie weisen den Manipulationsverdacht scharf von sich. Begründung: der Plan sei noch nicht fertig, also könne er auch noch nicht manipuliert worden sein. Zwischenbilanz: der verhaftete Offizier ist noch immer im Gefängnis. Offizieller Grund: es bestehe „Verabredungsgefahr. (Erstaunlich ist nur, daß der Richter diese Gefahr bei den Angeklagten im Bauring-Skandal nicht gesehen hat.)

Der Journalist wird nun ebenfalls der Spionage verdächtigt und bei Gericht verhört.

Was steckt dahinter? Die militärische Abwehr sucht seit Jahren ein militärisches Informationsleck an höchster Stelle. Mit Ragelmäßigkeit erscheinen in der kommunistischen „Volksstimme“ nämlich geheimste Details aus dem Bundesheer. Die nicht sehr kluge Andeutung des Presse-Redakteurs Posanner in

einem Zeitungsbericht......er wisse

Details des Verteidigungsplanes, deren Veröffentlichung mit Landesverrat gleichzusetzen wäre“, hat die bereits geschilderte Haupt- und Staatsaktion ausgelöst. Für diese unvorsichtige Äußerung muß nun ein gutgläubiger Idealist, nämlich Major Aehrenthal, büßen. Er soll Posanner diese Details, ob schriftlich, ob als Photokopien, oder mündlich weitergegeben haben.

Was hat der Offizier aber Verbrecherisches getan? Nicht mehr und nicht weniger, als auch andere verantwortungsbewußte Offiziere des Heeres bereits getan haben, etwa der Armeekommandant. Dieser hat sich ja bereits mehrfach mit Formulierungen an die Öffentlichkeit gewandt, die demnach ebenso als Verrat von Staatsgeheimnissen zu werten wären: etwa seine Kritik, daß Österreichs Luftraum ungeschützt sei.

Dabei hat der General zweifellos pflichtgemäß gehandelt; er hat — via Medien — die Öffentlichkeit auf einen Mißstand aufmerksam gemacht. Mißt man mit gleichem Maß, müßten auch General Spannocchi und alle Journalisten, die seine Äußerungen verbreitet haben, ins Kittchen. Oder liegt der einzige Unterschied im Dienstrang?

Die Affäre hat mit Sicherheit Sohwachstellen gezeigt; nicht so sehr Schwachstallen in der inneren Sicherheit des Verteidigungsministe-riums, als vielmehr durch das noch immer gestörte Verhältnis zwischen

Landesverteidigung und Öffentlichkeit Mitschuldig ist freilich die Gesetzeslage — höchste Zeit daher, daß ein modernes Mediengesetz kommt Die derzeitige Rechtslage macht nämlioh die angestammte Aufgabe des Journalisten, eine Kontrollfunk-tion auszuüben, zu einem gefährlichen Risiko. Sie könnte im Extremfall ziu einer Knebelung der Pressefreiheit werden. Und das sollte keinesfalls am Ende der Affäre Aehren-thal/Posanner herauskommen.

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