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Die Karten auf den Tisch!

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Die Jagdzeit ist angebrochen. Seit in der benachbarten Bundesrepublik eine Selbstmordserie hoher NATO- Offiziere von sich reden machte und tschechoslowakische Exdiplomaten ihre antikommunistische Gesinnung in der freien Welt durch die Weitergabe geheimnisvoller Listen zu dokumentieren versuchen, glaubt auch Österreich, nicht abseits’stehen zu dürfen. Jedem Land seine Spione. Also auch uns die Unseren! Schließlich hat man ja eine Staatspolizei, die damit fertig wird. Feuer frei!

Dile eine Seite des Problems: Österreich selbst ist weder wirtschaftlich noch militärisch so bedeutend, daß für die Geheimdienste aus Ost und West ein direktes Interesse an heimischen „Geheimnissen” bestünde.

Bleibt das Interesse an politischen Vorgängen. Hier an der berühmten Schnittlinie zwischen Kommunismus und freier Welt treffen einander auch die Agenten aus allen Himmelsrichtungen. Wien und der Rest der Alpetirepublik wurden zum Rendezvousplatz zwei- (wenn nicht ein-) deutiger Gestalten. Das weiß auch die Staatspolizei, der es manchmal sogar gelingt (hinterher), von dem einen oder anderen „Treff” Kenntnis zu erlangen. Ohne, daß ihr diese Kenntnis etwas nützt- Denn das Staatsschutzgesetz und das Strafgesetz geben keine Handhabe, den geheimen Nachrichtenaustausch über Zweitländer unter Strafsanktionen zu setzen.

Ein weit geringerer Teil der Nachrichten, die aus Österreich „gehandelt” werden, betrifft dieses Land salbst. Alle öffentlichen Stellen, etwa Bundeskanzleramt, Außen- und Innenministerium sowie der Franz- Josefs-Kai, müssen ein Interesse daran haben, daß keine Personen aus ihrem Bereich „weiche Stellen” — etwa unangenehme Tatsachen im Privatleben — aufweisen, weil sie in einem Krisenfall dann leicht Erpressungsversuchen ausländischer Geheimdienste erliegen könnten.

Deshalb ist es nur recht und billig, daß Personen bei Übernahme von verantwortungsvollen Aufgaben im öffentlichen Bereich einer gewissen Beobachtung und Durchleuchtung unterzogen werden. Kein vernünftiger Mensch wird sich dagegen wehren — falls er davon überhaupt etwas bemerkt.

Die zweite Seite: Die moderne Massendemokratie, aber auch die enge zwischenstaatliche Verflechtung der Welt setzen den regen Kontakt und die umfassende Information geradezu voraus. Es wäre einfach lächerlich zu verbieten, zum Beispiel nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in der CSSR, mit Ausländem über diese alle österreicher bewegende Intervention zu sprechen und dabei zwangsläufig die eigene Stimmung, Lageeinschätzung oder Vorstellung über Abwehrmaßnahmen gegen eine mögliche Auswertung des Konflikts bekanntzugeben. Noch lächerlicher aber müßte es anmuten, wollte man die — bezahlte oder unbezahlte — Kommentierung von wirtschaftlichen, politischen oder auch militärischen Ereignissen, die in jeder Zeitung, in jedem Kaffeekränzchen breitgetreten werden, als „Spionage” verfolgen.

Einige „Spionagefälle” haben nun die Öffentlichkeit auf geschreckt. Geschickt verstanden es die Staatspolizei und von der Staatspolizei informierte Personen, die Bevölkerung in Atem zu halten. Die Regie war dabei so dramatisch aufgebaut, daß man fast annehmen muß, Boulevardzeitungen haben für die Lieferung von Schlagzeilen Honorar gezahlt. Zuerst fing man „nur” einen Pressebeamten des Bundeskanzleramtes, dem man nach drei Wochen Untersuchungshaft endlich eine Anklage nach § 17 des Staatsschuitzgesetzes anhängen konnte. Dann kam es dicker. Ein ehemaliger Beamter der Abteilung I der Polizeddirektion Wien und ein Dolmetsch von der Fremdenpolizei wurden ausgehoben. Recht so. Sie hatten tatsächlich keine (Fortsetzung auf Seite 2)

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