Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Unklarheiten wuchern weiter
Am 14. April begännt also der Prozeß gegen Alois Euler. Es werden dann fünfeinhalb Monate vergangen sein, seitdem die Staatspolizei zum erstenmal durchsickern ließ, daß sie gegen den Journalisten Verdacht wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt hege, und beinahe fünf Monate, seitdem sie via Staatsanwalt einen richterlichen Haftbefehl erwirkte. In diesen Monaten hat sich mancherlei ereignet — sofern man neue Verdächtigungen als Ereignisse bezeichnen kann. Denn ein Ministerialrat i. R. wurde ebenfalls verhaftet, weil ihm vorgeworfen wird, daß er zum Schaden Österreichs Nachrichten, die ihm von Amts wegen bekannt waren, an ausländische Stellen weitergegeben habe. Außerdem erschienen in einer Zeitung Meldungen, wonach ein weiterer Journalist und eine Sekretärin unter die Lupe genommen worden seien — und daß noch kein Blatt etwas über angebliche Erhebungen gegen einen bestimmten aktiven Beamten berichtete, ist weniger der Dichte des Erhebungsapparats als mehr dem Umstand zuzuschreiben, daß anscheinend die Zeitungsschreiber weniger sorglos mit Verdächtigungen sind als Teile des Polizeiapparats. Irgend etwas ist faul! Denn wie immer das Verfahren gegen Alois Euler enden wird, es hat den Anschein, daß zuerst einmal verhaftet wurde, und man sich dann mit aller Kraft anstrengte, einen Haftgrund zu finden, der nach außen hin und im nachhinein diese Haft rechtfertigen könnte.
Man erinnere sich: Zuerst sprach man im Zusammenhang mit Euler von „Spionage“. Später zog man sichauf „Amtsmißbrauch“ zurück. Dann tauchten Gerüchte auf, daß Teile der Verhandlung gegen Euler unter Ausschluß der Öffentlichkeit geführt werden sollen, was darauf hindeutet, daß dem Beschuldigten doch subversive Verbindungen mit dem Ausland vorgeworfen werden. Nun zieht man sich auf die Formel zurück, daß davon keine Rede sein könne und es im freien Ermessen des Richters liege, ob er den Ausschluß der Öffentlichkeit verfüge oder nicht. Dabei fehlt es nicht an dunklen Andeutungen über Dinge, die für die Staatspolizei „erwiesen“ seien, jedoch nicht „bewiesen“ werden könnten, weil man, so man darüber in öffentlicher Verhandlung spräche, die Arbeit der Staatspolizei gefährden könne.
Was heißt aber das wiederum? Man erinnert sich an die Aussage des Sektionschefs Dr. Peterlunger im Olah-Prozeß; und sagte nicht derselbe Beamte in einem TV-Interview über Spionage kurz zuvor selbst, daß sich die Schuhe beschmutze, wer im Kot gehe?
Alle Achtung also vor den Männern, die, selbst keineswegs fürstlich entlohnt, tagtäglich mit Menschen zu tun haben, die für ihr schändliches Gewerbe um den Preis des Staatsverrats besser und leichter zu Geld kommen als der erfolgreichste Beamte. Gemessen an der Verantwortung und an der Arbeitsleistung, die Beamte wie Peterlunger tragen und vollbringen, ist selbst ein Spitzenverdienst bei Vater Staat kein Geschenk. Aber man versetze sich in die Lage anderer, in die Lage Eulers zum Beispiel.
• Er hat seinen Beruf verloren — p!nerlei, wie der Prozeß endet;
• er hat seine Familie verloren — einerlei, wie der Prozeß endet; • er hat seine Ehre verloren — einerlei, wie der Prozeß endet. Was kann ein Euler schon angestellt haben, daß er Monate in Haft bleibt? Sind die Amtsobliegenheiten, denen er in den wenigen Monaten seines Vertragsverhältnisses mit dem Innenministerium unterworfen war, so verworren, daß man Monate benötigt, um sie zu entwirren?
Nun geht der Tanz mit einem pensionierten Ministerialrat los! Leute, die sich in den Dingen auskennen, die diesen Exbeamten von Amts wegen beschäftigten, bezweifeln, daß er überhaupt etwas verraten konnte, was nicht ohnehin in nationalen und internationalen Handbüchern und Statistiken aufscheint. Hat sich das noch nicht bis zur Staatspolizei und bis zum Staatsanwalt herumgesprochen?
Oder vertraut man mehr einer obskuren Liste, die ein abgesprungener CSSR-Diplomat mit sich führt und die er ratenweise (nach welchem System?) preisgibt? Doch was ist dann mit jener Liste eines ehemaligen Staatspolizisten, von der dar Innenminister selbst in einem Pressegespräch — soweit man den Zeitungsberichten hierüber trauen kann — erklärte, daß sie „Namen mit Zahlen“ von Kriminalpolizisten enthalte? Kommen diese Namen nun auch ratenweise in Verruf? Und was sagt der Parlamentarische Untersuchungsausschuß dazu? Fragen über Fragen. Fragen, die einer raschen und sauberen Antwort harren, soll nicht zu vieles in Frage gestellt werden. Zuviel — das ist das Vertrauen in Österreichs Exekutive und Justiz.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!