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„Die Stapo entscheidet“

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Der Fall Euler enthüllte: die Zustände innerhalb der ÖVP, wo ein Spion zum Intimus eines Ministers werden kann, nur weil er vom Parteispezi empfohlen wird;

die Zustände im Innenministerium unter Soronics, wo Geheimakten zeitweise verschwinden, die Schlüssel zu Schränken mit Ge-heimiakben tagelang gesucht werden und schließlich zufällig aus einem Faszikel herauskollern, wenn nicht die Sekretärin sie mit nach Hause nimmt; die Tatsache, daß man in Österreich bereits auf Grund der Behauptung eines ausländischen Geheimdienstmannes verurteilt werden kann, den ein inländischer Geheimdiienstmann als verläßlich erklärt — wozu das Gericht zweifellos außerstande war.

Monate sind seit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses vergangen. Er hätte sehr viele, sehr ernste Fragen zu klären, doch der Vorsitzende dieses Ausschusses hat sich in der Öffentlichkeit noch nicht einmal gemuckst. Es wäre höchste Zeit, daß er es täte.

Entscheidend war nicht die Argumentation der Anklage, sondern die Aussage Ministerialrat Doktor Häuslers.

Und sie fand im geheimen statt. Der Staatsanwalt hat in seinem Plädoyer gesagt, daß das Rechtsgut der „staatlichen Sicherheit“ über dem der „öffentlichen Verhandlung“ stünde.

Mag sein. Nur glaube ich, daß eine solch dramatische Alternative gar nicht vorlag: Ich kann

mir nicht vorstellen, was so schrecklich sicherheitsgefährdend gewesen wäre, wenn Herr Doktor Häusler die grundsätzlichen Zusammenhänge im Fall Euler vor der Öffentlichkeit aufgedeckt hätte. Ja selbst die Details. Denn Namen wurden sowieso nicht genannt — „weil das die zwischenstaatlichen Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland gefährdet hätte“, so der Vorsitzende. Man sollte sich, glaube ich, mehr um die Sicherheit im Ministerzimmer und weniger um die im Gerichtssaal kümmern.

Der Pressereferent des Innenministers, Alois Euler, wurde schuldig gesprochen. Das Gericht deklarierte ihn zu einem Doppelspion. Zu einem Menschen, der, so heißt es in der Agentensprache, auf zwei Schultern getragen hat. Hauptagent für die Tschechen und Nebenagent für die Westdeutschen. Alois Euler wurde zu einer Strafe — drei Jahre schwerer Kerker — verurteilt, die nur eines auslöste: Kopf schütteln und Zweifel an der Justiz. Vergleicht man nämlich diese Strafe mit jener, die einer der höchsten Beamten dieses Staates, Ministerialrat Dr. Neumer, bekam — 18 Monate schwerer Kerker —, so bleibt das große Unbehagen zurück. Denn, Ministerialrat Dr. Neumer hatte jahrelang wichtigste Staatsgeheimnisse verraten und dafür fast eine, Viertelmillion Schilling verdient. Euler, von seiner Partei beauftragt, das Image des neuen Innenministers Soronics zu popularisieren, wurde durch das Urteil zum Staatsfeind Nummer 1 erklärt.

Für Tathandlungen, die der Öffentlichkeit nicht bekanntgegeben wurden, da die wesentlichen Dinge von Zeugen hinter verschlossenen Türen ausgepackt wurden. Ob er schuldig war oder nicht, hatte das Gericht zu entscheiden. Über das Strafausmaß hat aber auch die Öffentlichkeit zu urteilen. Wie heißt es so schön: „Vor dem Gesetz sind alle Staatsbürger gleich.“ Im Fall Euler anscheinend nicht.

Verurteilt wurde Euler auf Grund der Angaben des „Gesprächspartners“, eines Beamten des westdeutschen Nachrichtendienstes BND, von dem nicht einmal der Name genannt wurde. Die „Quelle“ sprudelte nur aus dem Mund des Stapo-Beamten Häusler, der in seiner geheimen Aussage vor Gericht sogar in der betreffenden Materie an eine teilweise Amtsverschwiegenheit gebunden blieb. Häusler charakterisierte seinen anonymen ausländischen Bekannten als „verläßlich“, und dies genügte auch dem Gericht, die Angaben des Informanten als tragfähige Grundlage für eine Verurteilung anzusehen. Damit ist das Euler-Verfahren zum Präzedenzfall geworden. Der Schuldspruch heißt, daß in letzter Konsequenz nicht mehr das Gericht, sondern die Stapo über die Glaubwürdigkeit recht zwielichtiger Kronzeugen und damit über die Schuldfrage entscheidet. Dies war bisher in Österreich nicht üblich, sondern nur ein paar Dutzend Kilometer weiter jenseits der Grenzen. Wenn das Beispiel Schule macht, könnten in Zukunft die Behauptungen eines Denunzianten genügen, einen Mißliebigen in den Kerker zu schicken. Auch solche, die einem „Gesprächspartner“ mißliebig sind.

Sollte vielleicht ein Gericht einem Zeugen Quasnicka glauben, der auf Ehre und Gewissen angibt, daß ein gewisser Sedlacek von einem gewissen Nepila erfahren hat, daß der Nowak ein Hendl gestohlen hat? Aber so war es doch in diesem Prozeß, der zugegebenermaßen kein normaler, sondern ein Spionageprozeß war. Man sollte jedoch dabei nicht vergessen, daß dieser nicht normale Prozeß vor einem ganz normalen Gericht abrollte, denn Militär-und Spionagegerichte gibt es bei uns nicht.

Wenn der Staatsanwalt ausführte, daß es darauf ankomme, ob der Zeuge Ministerialrat Dr. Häusler glaubwürdig sei oder nicht, denn nur auf seine nichtöffentliche Aussage könne sich eine Verurteilung Eulers gründen, so muß diese „Glaubwürdigkeit“, ohne dem Zeugen etwa nicht zu glauben, unter die Lupe genommen werden. Für das Gericht mußt Dr. Häusler glaubwürdig sein. Für Häusler, Leiter der Grupp Staatspolizei, mußte sein Gesprächspartner vom westdeutschen Geheimdienst, ein ganz hoher Beamter, glaubwürdig sein. Bitte schön, immerhin hat er ihn ja schon jahrelang gut gekannt... Dieser hohe Herr X mußte sich, was die Glaubwürdigkeit betrifft, wieder auf einen Unteriäufer Y verlassen, und da ja nicht anzunehmen ist, daß Herr Y direkt mit dem letzten, untersten Agenten gesprochen hat, der angeblich sagte, er habe den Akt „Weltjugendfestspiele“ von Euler erhalten, mußte auch für Unterläufer Y dieser Agent glaubwürdig sein. Wenn man sich jetzt noch in die Geheimdienst'atmosphäre versetzt, müssen einem unweigerlich Zweifel an diesen Bruchstücken der Glaubwürdigkeit kommen. Der Staatsanwalt hat gesagt, es sei sekundär, wann, wo, und wie der Angeklagte zu den Geheimdokumenten gekommen ist, er sei eben durch das nicht öffentliche Beweisverfahren als Doppelspion überführt worden. Basta. Es sei dahingestellt, ob Euler ein Spion war oder nicht. Doch ein Beweis-verfahren dieser Art hätte eine Verurteilung des Angeklagten einfach nicht zulassen dürfen. Es wäre nicht verwunderlich, wenn jemand auf den Gedanken käme, zu sagen, daß das Gericht die von Westdeutschlands Geheimdienst Gnaden unserer Staatspolizei gegebenen „Beweise“ zur Kenntnis nehmen mußte. (... wären sonst „die zwischenstaatlichen Beziehungen gestört“?)

Der Vorsitzende bedauerte, daß kein Zeuge des westdeutschen Geheimdienstes der Zeugenladung zum Prozeß Folge geleistet hat. Auch nicht der Herr „Karger“ (wie viele Namen hat er noch?). Gerade er wäre jedoch vermutlich der Kronzeuge gewesen.

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