6561593-1948_51_06.jpg
Digital In Arbeit

BRIEFE AN DEN HERAUSGEBER DER „FURCHE”

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Entgegnung

In seinem Aufsatz ,,Schalldeckel oder Taufsteinkrone” in Nummer 48 der „Furche”, vom 27, November 1948 hat Herr Domvikar Rudolf Bachleitner gegen meine Restaurierung der Taufsteinkrone schwerwiegende Vorwürfe erhoben.

Der für meinen Ruf als Fachmann gefährlichste ist derjenige, die Datierungsinschrift 1476 auf einem Schriftband des Deckelrandes verdorben zu haben, die er während der Restaurierung vollständig und leserlich gesehen zu haben behauptet.

Dazu stelle ich mit tiefem Ernst das Folgende fest: Was ich, wie wohl jeder Restaurator, am Anfang meiner Lehrzeit, also vor mehr als vierzig Jahren, gelernt habe, ist, daß Signaturen und Datierungen unverletzlich sind, daß da weder ergänzt, noch entfernt werden darf, weil das einer wissenschaftlichen und oft auch einer kaufmännischen Urkundenfälschung gleichkommt. Deshalb bin ich bei der Abdeckung dieser Stelle, in sicherer Erwartung der Datierung, mit der Entfernung der drei späteren Farbschichten des 17, bis 19,- Jahrhunderts besonders vorsichtig gewesen, zuletzt immer in Gegenwart von mehreren in der Savoyenkapelle gespannt auf mein Ergebnis wartenden Arbeitskollegen. Es kam damals, im Frühjahr 1946, genau das an Resten zutage, was von da ab bis zur Übergabe der Restaurierung im Juni 1948 und seitdem unverändert blieb, nämlich die letzte Ziffer ganz, die Zehnerziffer 7 verblaßt, aber noch erkennbar, die erste Ziffer 1 in einem guten Rest, Die Hunderterziffer 4 konnte gar nicht kommen, weil hier ein Stück des Schriftbandes, wie leicht erkennbar, ausgebrochen und 1880 bei der Erlerschen Restaurierung eingefügt worden war, deshalb ohne die alte Farbschicht und Kreidgrundierung den glatten weißen Anstrich von 1880 allein trug, der damals über den ganzen Ring und die längst unbekannte Inschrift gestrichen wurde.

Im Mai 1948, als die Abdeckung des ganzen Werkes längst abgeschlossen war, von Dr, Eva Kraft in allen Teilen, auch in der Randinschrift, photographiert wurde und ich, knapp vor der Ablieferung, nur mehr mit dem Zusammenpassen befaßt war, hat mich der Herr Domvikar ein einziges Mal besucht: und zwar zugleich mit Herrn Landeskonservator Dr. Z y k an, Prof. Oettinger und Dr, B ö h m k e r. Damals glaubte er die vollständige Inschrift 1476 und sogar die Ziffer 4, die auf dem falschen Flickholz gar nie da sein konnte, gesehen zu haben, während sonst niemand vorher und nachher von den vielen mich besuchenden Fachleuten und auch die mit ihm zugleich Anwesenden mehr gesehen haben, als eben das, was 1946 aufgedeckt wurde und noch zu sehen ist. Da die Datierung mit der Taufsteinrechnung von 1476 übereinstimmt, ist natürlich von allen Besuchern gerade diese Inschrift genau angesehen worden, und deshalb stehen gegen die Angabe des Herrn Domvikars nicht allein mein eigenes Zeugnis, sondern auch das von zahlreichen anderen Zeugen.

Ich erkläre also, daß der Herr Domvikar in diesem Punkt einer Erinnerungstäuschung unterlegen sein muß und werde, wenn er seinen Vorwurf aufrechterhält, vor Gericht mit einer Reihe von eidbereiten Zeugen den Nachweis führen, daß erstens 1946 bei der Abdeckung die Inschrift unvollständig, wie heute zutage kam, zweitens am Tage von des Herrn Domvikars Besuch von den übrigen Besuchern ebenso gesehen wurde. Dies werde ich auch photographisch und durch Gutachten erhärten.

Weniger trifft mich der Verdacht, ich könnte irrig den Taufdeckel an das Taufbecken erst während der Arbeit angepaßt haben. Denn eben auf Grund der Übereinstimmung des konkav geschweiften Vierzehneckringes von Steinrand und Kronenrand begann ja erst mein Auftrag! Auch reichen die feinen spätgotischen Reliefs des Deckelauflagers ja bis zum äußersten Außenrand, und Eichenholz läßt sich weder dehnen noch pressen. Im übrigen ist meine Arbeit nach den von Denkmalamt und Dombauleitung gegebenen Direktiven erfolgt, genau nach dem mir schriftlich erteilten Auftrag, wie jederzeit leicht überprüfbar ist. Endlich hat das Denkmalamt selbst die Aufnahmen 1946 bis 1948 durchgeführt, darüber hinaus wären dem Herrn Domvikar meine Zeichnungen und Farbstudien und exakte Risse ebenso zur Verfügung gestanden, wie mein Restaurierungsbericht und der Anhang über alle Restaurierungen und Ergänzungen an dem Taufwerk aus dem bald erscheinenden Buch von Herrn Professor Oettinger, Ich hätte auch an Hand der ausgeschiedenen, von 1880 stammenden Teile des Schalldeckels zeigen können, wie einfach die Teilung in echt und falsch schon nach Holz und Fassung war und wie leicht es Wäre, in kurzer Zeit den vorigen Zustand wiederherzustellen. Nur würde das nach meinem Urteil, in dem ich mich mit meinen Fachkollegen einig weiß, nunmehr, da wir die herrliche Tauf-, krone zu dem erhaltenen Steinbecken wiedergewonnen haben, eine wirklich beklagenswerte Maßnahme sein.

Die Abgelehnten

Hochverehrter Herr Herausgeber! Das Nazigesetz war kein gutes Gesetz, denn es war unter Zwang beschlossen worden. Die Amnestie der Minderbelasteten hat wohl viele Härten beseitigt, aber was ist mit den ,,abgelehnten Parteianwärtern”! ]a, das gibt’s und wie aus einer amtlichen Mitteilung zu entnehmen ist, sind es noch 1 6.0 0 0, die nicht wissen, was sie sind, aber zugleich wurde amtlich mit geteilt, daß trotz Verdopplung der Senate es noch — vier Jahre dauern werde, bis die letzten erfahren werden, was sie sind, entweder Staatsbürger, die nie Nazi waren (sie zahlten ja auch nie einen Beitrag, trugen nie ein Parteiabzeichen und waren wohl als „Abgelehnte” sicherlich Gegenstand von Argwohn und besonderer Überwachung), oder aber — amnestierte Minderbelastete.

Die Nachteile sind nicht gering, sie bekommen kaum einen Auslandspaß, können bestimmten Berufsvereinigungen nicht beitreten usw. Daß sie abgelehnt wurden, spricht doch wohl nur für sie, warum stellt man sie schlechter als „Minderbelastete”, die doch Beiträge leisteten und gewisse Vorteile genossen, oder will man den Abgelehnten vielleicht 10 bis 14 Jahre nach Ablehnung noch eine „Sühneabgabe” auferlegen und wenn, nach welchem Vermögenstand will man sie bemessen, da die Ablehnung und die Entscheidung des Senates vielleicht mehr als 14 Jahre auseinander liegen! Die, sagen wir, Ungereimtheit wird nicht besser, wenn wir es für durchaus möglich halten, daß bei der Ersterfassung bei den politischen Behörden Organe mitwirkten, die schon ihrem „Landrat” treu gedient hatten, aber schon im Genuß der Absolution standen. Ungereimtheiten in der Rechtsordnung sind aber wie Rostflecke, sie fressen immer tiefer und entwerten das Objekt. Hat man bei der Amnestie nicht vergessen, daß man den Versuch nicht schwerer sühnen sollte als die e r- folgreiche Tat!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung