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Den Haß überwinden

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Aggressive Islamisten lehnen alles Westliche und damit auch das Christentum ab. Welche Chancen hat derzeit ein christlichmuslimischer Dialog?

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Aggressive Islamisten lehnen alles Westliche und damit auch das Christentum ab. Welche Chancen hat derzeit ein christlichmuslimischer Dialog?

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Die Lage ist schwierig geworden. Der angestrebte Dialog zwischen Christen und Muslimen wird immer wieder durch Ereignisse der Weltpolitik, durch die Mili-tanz fundamentalistischer Gruppierungen, durch nicht ausreichend begründete Entscheidungen lokaler Vertreter religiöser Gemeinschaften oder durch nicht durchdachte Äußerungen politischer Akteure belastet. Wir sind kaum aus den Startlöchern herausgekommen, da werden wir unsanft zurückgeworfen. Dies gilt sowohl für Christen als für Muslime.

Besorgt durch die zunehmende Härte militanter Islamisten fragen sich die Bürger in den westlichen Ländern, ob sie nun einer blutigen Konfrontation mit den Muslimen entgegenrennen, welche auch die Zukunft Europas und der westlichen Welt bedroht. Sie beklagen die unerbittliche Politik der Islamisierung in den Ländern, deren Regime einen fundamentalistischen Islam zur Grundlage haben und die Quellen des Islams (Koran und Uberlieferung) ohne jeden hermeneutischen Versuch interpretieren und somit der Welt mit einem starren und bedrohlichen Gesicht aus längst überholten Zeiten entgegentreten.

Damit geht einher eine starre Un-empfindlichkeit für die allgemeine Gültigkeit und Universalität der Menschenrechte, ein Reharren auf obsolet gewordenen Maßnahmen des Strafgesetzes und auf Richtlinien für die den Frauen zugedachten Rollen und Verhaltensformen, die der islamischen Gesellschaft eine bessere Zukunft verbauen. Der Islam wird im Westen immer mehr als Risikofaktor eingeschätzt.

Muslime ihrerseits klagen immer lauter über das Unrecht, das ihnen während der Kolonialzeit angetan wurde, und über die immer quälender werdenden Folgen der Herrschaftsgelüste des Westens (den sie leider immer noch mit dem Christentum ineinssetzen). Vor der un-einholbaren Überlegenheit des Westens auf dem für das Leben und Überleben der Menschen unentbehrlich gewordenen Gebiet der Wissenschaft und der Technik peinigt sie der Gedanke, daß das Versprechen des Korans, die Muslime seien die beste Gemeinschaft unter den Menschen (vergleiche Koran 3,110) noch uneingelöst geblieben ist.

Und wenn sie sich an die moderne, westlich bestimmte Welt anpassen, fragen sie sich, wo nicht ihre islamische Identität beträchtlichen Schaden genommen hat. Muslimische Minderheiten in aller Welt leiden außerdem unter dem Mißtrauen und dem Druck der nicht-islamischen Mehrheiten. Sie fragen sich zum Reispiel, ob sie und vor allem ihre Kinder in Europa oder Amerika noch eine Zukunft haben. Der Westen wird durch die Islamisten immer härter abgelehnt und bekämpft.

In dieser emotional geladenen Atmosphäre ist es nicht leichter geworden, zu einem ruhigen, sachorien-tierten, menschengerechten, konstruktiven Dialog zwischen Christen und Muslimen zu finden. Dennoch muß festgehalten werden: Der Westen ist nicht das Christentum; - die

Muslime sind nicht alle Anhänger der aggressiven Islamisten; - nicht alle Christen nehmen eine ablehnende Haltung gegenüber dem Islam ein.

Außerdem gibt es etliche positive Anzeichen, die für die Zukunft hoffen lassen. Eine beachtliche Anzahl von Christen und Muslimen in der Welt befürwortet eine intensive Begegnung und eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen dem Westen und der islamischen Welt, zwischen Christen und Muslimen. Die Befürworter des Dialogs und der Zusammenarbeit betrachten diese als eine Notwendigkeit und als die einzige annehmbare Alternative zu einer verlustreichen Konfrontation. Ihr gemeinsames Anliegen ist die Beseitigung der vielen Mißverständnisse und Vorurteile, die ihre gemeinsame Geschichte bis in unsere Tage hinein belasten, das Gewinnen gegenseitigen Vertrauens, das Erzielen einer tieferen Verständigung einer allmählichen Annäherung der Partner, endlich die Überwindung einer Vergangenheit und einer Gegenwart voller Entfremdung, Konfrontation, Feindschaft und Haß.

Außerdem erstreben die Befürworter des Dialogs gemeinsame Bemühungen um die Lösung der gemeinsamen Probleme unserer einen Welt, unter anderem um die Errichtung einer humanen, gerechten und geschwisterlichen Gesellschafts- und Weltordnung.

Daß dies nicht nur schwärmerische Träume sind, bezeugen die Aktivitäten offizieller Stellen - wie zum Beispiel des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog in

Rom - und der vielen Akademien, Rildungshäuser und Organisationen, die einen solchen Dialog vorbereiten und direkt durchführen. Es sei hier -stellvertretend für die unzähligen Institutionen in der Welt - nur auf zwei Stellen in Österreich hingewiesen: die von der Österreichischen Bischofskonferenz errichtete Kontaktstelle für Weltreligionen in Wien und die Theologische Hochschule St. Gabriel mit deren Religionstheologischem Institut.

Gerade dort wurden seit 1976 jährlich internationale Tagungen, Akademien und Konferenzen veranstaltet, von denen einige dem Dialog mit dem Islam gewidmet waren, an denen auch Vertreter islamischer Hochschulen (zum Reispiel der Az-har-Universität/Kairo) teilgenom -men haben und deren Ergebnisse auch in Veröffentlichungen vorlie 8en-

Ausdrücklich sei die Internationale Christlich-Islamische Konferenz „Frieden für die Menschheit” erwähnt, die das Institut im Jahre 1993 in Wien veranstaltet hat und deren Schlußerklärung eine positive Perspektive für die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen sowie zwischen Westen und islamischer Welt eröffnet hat.

All diese Initiativen und Bemühungen in der Welt schenken Hoffnung und machen Mut für die Zukunft.

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