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Die Geistliche Führung hat im Iran viel von ihrer Macht verloren. Die Revolutionsgarden haben das Sagen in der Wirtschaft, aber auch im Atomprogramm, das die Vormachtstellung im Nahen Osten sichern soll.

Mit dem Humor in der Werbung ist das so eine Sache. Was in der einen Zeit noch lustig erscheint, bleibt in einem geänderten historischen Umfeld quasi im Hals stecken. Die amerikanische "New England Company“, Ende der 60er Jahre eine der größten Energiekonzerne der USA, fand es lustig, die nukleare Zukunft den Amerikanern über seitenfüllende Inserate anzupreisen. Titel: "Raten Sie mal, wer Atomkraftwerke baut“. Das "Erraten“ fiel nicht schwer, denn gleich darunter prangte ein Konterfei des iranischen Schah Mohammed Reza Pahlavi in voller Montur. Flockig dazugetextet stand: "Der Schah sitzt auf einem der größten Ölreserven der Welt. Trotzdem will er zwei Atomkraftwerke errichten. Er weiß: Das Öl geht zur Neige, und die Zeit mit ihr“.

40 Jahre später ist die vorgebliche Weitsicht des Schah zum Schrecken der Weltdiplomatie geworden. Letzterer scheint angesichts der immer realer werdenden Gefahr einer Nuklearmacht Iran nun tatsächlich auch die Zeit auszugehen.

Vergangene Woche kündigte der Iran die weitere Anreicherung von Uran an. Nur wenige Schritte, so die Internationale Atomenergiebehörde in Wien, sei der Iran von der Herstellung von atomwaffenfähigem Plutonium entfernt.

Washington im Visier

Lustig wird dabei nur noch dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und seinen Freunden wie Venezuelas Präsident Hugo Chavez. Aufgepflanzt vor dem Amtssitz von Chavez in Caracas lagen die beiden Präsidenten einander scherzend in den Armen. Chavez: "Bald wird sich hier der Boden öffnen und eine dicke Atombombe erscheinen. Wir haben Washington schon im Visier.“

In Washington findet die US-Regierung die Angelegenheit nicht mehr zum Lachen. Eine "neu Eskalationsstufe“ sei erreicht, so Verteidigungsminister Leon Panetta, der Iran drohe "die rote Linie zu überschreiten“. In London protestierte der britische Außenminister William Hague gegen den "provokativen Akt“. An diplomatischen Nadelstichen mangelt es tatsächlich nicht. Zu Neujahr drohte das Regime in Teheran, die Straße von Hormus im persischen Golf zu sperren, die wichtigste Ölverkehrsader der Welt. Dass der Iran solche Warnungen folgenlos aussprechen kann ohne sofort mit weiteren Sanktionen der Staatengemeinschaft rechnen zu müssen, bestätigt Macht und Einfluss, welche die Regierung in Teheran in der instabilsten Region der Welt erreicht hat.

Politisch und strategisch könnte die Position des Regimes nicht besser sein um das angestrebte Ziel - Hegemonialmacht im Nahen Osten zu werden - zu erreichen: Das Atomprogramm scheint kaum verwundbar. Die Herzstücke der Nuklearindustrie befinden sich in Anlagen in Natanz, Fardo und Quom, jeweils mehr als 20 Meter unter der Erdoberfläche. Der Iran hat Israel mit der von Teheran finanzierten libanesischen Hezbollah und der palästinensischen Hamas seine bis an die Zähne bewaffneten radikalislamischen Schergen quasi vor die Haustür gestellt. Jeder Militärschlag Israels gegen das Atomprogramm würde mit hunderten Hezbollah- und Hamas-Raketen auf israelische Siedlungen beantwortet werden - abgesehen von den ballistischen Raketen des Iran - die eine Reichweite über 1300 Kilometer besitzen und mit chemischen Kampfstoffen bestückt werden können. Die arabische Revolution prallte am Iran ab und beseitigte gleichzeitig ehemalige Intimfeinde wie Ägyptens Autokraten Hosni Mubarak. Außerdem scheint der Versuch Ahmadinedschads, das verbündete Regime von Bashir al-Assad in Syrien mit allen Mitteln an der Macht zu halten, zu gelingen. Der Iran liefert nach Geheimdienstberichten Waffen und Knowhow zur Unterdrückung der Aufständischen Richtung Damaskus. Vergangene Woche wurden drei Vertreter der iranischen Revolutionsgarden bei Kampfhandlungen in Syrien festgenommen. Im Nachbarland Irak fährt der schiitische Ministerpräsident Nuri al-Maliki nach dem Abzug der US-Truppen nun einen stark proiranischen Kurs.

Reibereien innerhalb der Führung

Während außenpolitisch alles für einen Ausbau der Macht von Mahmoud Ahmadinedschad spricht, ist seine Position innerhalb der iranischen Nomenklatur umstritten. Immer wieder scheint es Reibereien zwischen dem Präsidenten und dem religiösen Führer Ayatollah Khamenei zu geben, die sich durch alle Ebenen der Machthierarchie ziehen. Das iranische Parlament, in der Mehrheit von Getreuen des religiösen Führers besetzt und von der Idee getragen, der Staat müsse einer "Herrschaft der Rechtsgelehrten“ gehorchen, hat allein im vergangenen Jahr dreimal offen gegen Ahmadinedschad opponiert. Gegen Außenminister Saleh setzte es ein Amtsenthebungsverfahren in Gang, einen Ministervorschlag Ahmadinedschads lehnte es ab, ebenso wie die geplante Fusion von Erdöl- und Energieministerium. Engste Vertraute des Präsidenten wie Esfandir Maschai werden in Freitagsgebeten gar der Hexerei und der Kontakte mit Dämonen bezichtigt, mit denen sich der Präsident Vorteile zu schaffen versuche.

Kahmenei selbst schaltete sich im Oktober persönlich ein. Eines Tages werde der Iran das Präsidentenamt per Verfassung abschaffen, so der geistliche Führer. Doch Ahmadinedschad hat sich seit 2005 eine beachtliche Hausmacht aufgebaut. Die Revolutionsgarden, aus deren Eliten Ahmadinedschad selbst stammt, besetzen die wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Ämter im Land. Neun der zwölf Kabinettsmitglieder sind deklarierte Revolutionsgardisten, Pasdaran oder Vertreter der gefürchteten Basij. US-Außenministerin Hillary Clinton sprach in diesem Zusammenhang davon, dass sich der Iran "in Richtung einer Militärdiktatur bewegt“.

Das Imperium der Garden

Seit 2005 haben Vertreter dieser Gruppen auch die wirtschaftliche Macht im Land an sich gebracht. Mehr als 800 Firmen gehören zu dem Wirtschaftsimperium der Garden, das unter der Dachfirma "Khatam al-Anbia“ organisiert ist. Dazu gehören auch Raffinerien und Pipelines. Der Jahresumsatz wird auf 15 Milliarden Dollar geschätzt. Zusätzlich betreiben die Garden steuerfrei gestellte Stiftungen wie die Bonyad Mostazafan (Stiftung der Unterdrückten), die nach Medienangaben Wirtschaftsbetriebe mit insgesamt 200.000 Werktätigen unterhält.

Noch unter der Regierungszeit des liberalen Präsidenten Mohammed Kahtami hatte das iranisch Parlament gegen ein breites Netzwerk von Schmuggelrouten und 60 eigenen Schiffsanlegestellen protestiert, über das die Garden zollfrei Industriegüter aber auch "verbotene“ Produkte wie Alkohol ins Land schmuggelten.

Nach einer von der UNO veröffentlichten Liste kontrollieren die Garden auch das iranische Atomprogramm. Der Chef des Programms, Fereydoun Abbasi-Davani, ist ein Nuklearwissenschafter aus den Reihen der Garden. Er wird vom US-Institut ISIS, das auf Nuklearproliferation spezialisiert ist, als einer der führenden Köpfe des atomaren iranischen Rüstungsprogramms geführt. Abbasi-Davani ist auch Vizepräsident des Iran.

Das entspricht auch der budgetären Stellung seines Unternehmens. Es hat in den vergangenen Jahren immerhin schon mehr als 10 Milliarden Dollar verschlungen. Zum Wohl der Bevölkerung geschah das kaum.

Denn Irans Wirtschaft wächst nur sehr bescheiden, die Arbeitslosigkeit liegt offiziell bei 15 Prozent. Laut der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung sind mehr als die Hälfte der arbeitsfähigen Iraner arbeitslos. Übrigens kann man auch darüber noch trefflich scherzen, wenn man Mahmud Ahmadinedschad oder Hugo Chavez heißt: "Das Einzige, was wir beide zünden, sind Bomben gegen das soziale Elend.“

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