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Eisenhower oder Taft-Mac Arthur?

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Er werde General Mac Arthür nach Washington berufen und ihm ein wichtiges Amt. anvertrauen, teilte kürzlich Senator Taft, der mögliche Präsidentschaftskandidat der Republikaner, seinen aufhorchenden Parteifreunden mit. Schon in wenigen Tagen, am 7. Juli, wird der Nationalkonvent der Republikanischen Partei Taft oder Eisenhower als offiziellen Kandidaten für die Präsidentschaft der USA nominieren; die erwähnte Ankündigung des amerikanischen Senators ist jedoch so bedeutsam, daß eine Klarstellung vor dieser endgültigen Entscheidung nötig wird.

Mac Arthur ist gewissermaßen ein Be- nedek mit verkehrtem Vorzeidien. Wie der österreichische Heerführer hat auch er durch seine militärischen Leistungen Freund und Feind fasziniert. Aber ungleich jenem hat er der Entscheidung auf dem Schlachtfeld gegenüber der politischen, staatsnotwendigen Diskussion den Vorrang geben wollen, und im Gegensatz zu Benedek war er, wenn es um seine Ehre als Soldat ging, zu keinerlei Konzessionen bereit. Diesen Mann, dessen militärische Entscheidungen in den Augen Präsident Trumans offener Unbotmäßigkeit gefährlich nahekamen, will Taft, falls er gewählt wird, mit einem wichtigen Amt betrauen — mit dem Außen- oder Verteidigungsministerium. Was kann man, was muß man von einer solchen Allianz erwarten? Man nennt Robert A. Taft nicht umsonst „Mr. Republican“: als Senator ist er dank seiner glänzenden politischen Fähigkeiten zum Gegenspieler des demokratischen Präsidenten geworden, als Parteimann hat er ein programmatisches Konzept entworfen, mit dessen innenpolitischem Teil die überwältigende Mehrheit der Republikaner einverstanden ist, und stets hat er sein Verlangen, gleich seinem Vater, William Howard Taft, Präsident der USA zu werden, mit den Zielen und Absichten seiner Partei zu identifizieren verstanden. Ein Sieg Tafts wäre also normalerweise nicht so sehr der Erfolg eines hervorragenden Politikers als der Sieg der republikanischen Idee an sich. Von einem Sieg Tafts aber, der von einer Berufung Mac Arthurs gefolgt ist, erwarten viele Amerikaner eine Betonung des persönlichen Moments: die Anhänger Eisenhowers glauben, daß der politische Ehrgeiz Tafts ein abgestimmtes Gegengewicht braucht, und befürchten, daß das militärische Konzept Mac Arthurs den Arbeitsplan Tafts zumindest auf dem Gebiet der Außenpolitik allzu stark und allzu einseitig akzentuieren würde. Die Demokraten aber und die politischen Randschichten zwischen beiden Parteien bezweifeln offen, ob_ Taft und Mac Arthur bereit sind, auf höchstem Posten ihre persönlichen Ziele dem Wohl des Landes unterzuordnen. Der republikanische Konvent, zu einer Entscheidung aufgerufen, die in ihrem letzten Sinn doch nur für das Wohl der Vereinigten Staaten gefällt werden darf, muß diese Bedenken weitester Kreise sorgfältig ab- wägen; er wird dazu um so eher imstande sein, als dem Kandidaten Taft als einziger Konkurrent ein Mann gegenübersteht, an dessen persönlicher und politischer Integrität sogar die gegnerischen Demokraten nichts aussetzei} können.

Eisenhower besitzt nicht die zielstrebige Motorik, nicht die reiche politische Erfahrung Tafts; sein Kriegsrahm ist auch weit weniger augenfällig als derjenige Mac Arthurs; was Eisenhower auszeichnet, sind seine in harter ‘Lebensarbeit gewonnenen Überzeugungen. Mögen sich diese Überzeugungen und die daraus gefolgerten Erkenntnisse mit dem republikanischen Gedankengut decken oder nicht, es sind die Erkenntnisse eines Mannes, der sie persönlich gesammelt hat und persönlich vertritt. Eisenhower ist als politischer Neuling in einen hochpolitischen, in einen ausschließlich politischen Wahlkampf getreten, aber er hat in diesem Feldzug den fast unüberschätz- baren Vorteil — zum Unterschied von seinem Gegner in den eigenen Reihen —, eine menschlich gewinnende Persönlichkeit zu sein; darüber hinaus aber war es der Umstand, daß er, anders als Mac Arthur, die ihm gestellten militärischen Aufgaben bei allem Erfolg stets ohne Eklat löste, der ihm das Vertrauen der Politiker gewinnen half. Letzten Endes aber liegt die Popularität, die ihm als General wie als politischer Kandidat zuteil wurde, tiefer begründet als diejenige seiner Gegenspieler: sie ist die Beliebtheit dessen, auf den seine Mitbürger stolz sind, auf den sie vertrauen.

Es ist wahrscheinlich, daß heute in manchen anderen Staaten dem ehrgeizigen, in seiner politischen Ünbedingtheit erstaunlich effektvollen Taft der Sieg um Nominierung und sctließliche Wahl gelänge, und es ist fast sicher, daß nicht wenige Völker es vorzögen, sich vom faszinierenden Mac Arthur in eine ungewisse, aber unter Umständen glanzvolle Zukunft führen zu lassen, statt den latenten Gefahren der Gegenwart weiterhin trotzen zu müssen. Die Amerikaner aber wollen in ihrer überwältigenden Mehrheit keinen Präsidenten, der die Zügel allzu straff zieht und nach außen wie im Innern mit starker Hand regiert; sie wollen auch nicht, daß man die Zügel schießen lasse, um möglichst schnell dem fragwürdigen Fernziel sich zu nähern — sie wollen freiwillig jenem Mann folgen, dem sie aus eigenem Vertrauen schenken. Es herrscht kein Zweifel darüber, daß die republikanische Seite über einen solchen, in den Augen vieler Amerikaner vertrauenswürdigen Kandidaten verfügt, denn selten noch waren so weite Kreise der USA auf einen ihrer Mitbürger so stolz wie auf Eisenhower. Wohl aber kann man daran zweifeln, ob Eisenhower von den Republikanem auch wirklich nominiert werden wird, denn die Entscheidung des bevorstehenden Konvents wird wohl letzten Endes, aber, wie bei jedem Parteitag, eben auch wirklich nur letzten Endes, den Interessen des Staates zu entsprechen suchen.

Tafts Chancen sind seit dem Augenblick, da er seine künftige Zusammenarbeit mit Mac Arthur ankündigte, zweifellos gestiegen. Der republikanische Konvent hätte unter anderen Umständen von einer Nominierung des propagandistisch nicht besonders zugkräftigen „Mr. Republican“ wohl Abstand genommen; nun aber, da es sich erweist, daß die Kombination Taft-Mac Arthur bei den Präsidentschaftswahlen einen schwächeren demokratischen Gegenkandidaten vielleicht doch schlagen könnte, hat sich die Situation zugunsten dės Senators verschoben. Eisenhower, der ursprünglich damit rechnen durfte, die Überlegung, er werde die Republikanische Partei bei den Novemberwahlen mit Sicherheit zum Sieg führen, müßte sich gegen die Argumente der Taft-Anhänger durchsetzen können, sieht sich einer neuen Situation gegenüber: von den 1206 Delegierten des Konvents braucht Taft zu seinen bisher gewonnenen 464 nur noch 140 Stimmen, um das für eine Nominierung nötige absolute Mehr zu erzielen. Dennoch ist die Stimmung im Lager Eisenhowers ebenso optimistisch wie diejenige der Freunde Tafts. Der Senator hat wohl einen weit größeren Vorsprung erzielt, als ursprünglich angenommen werden konnte, aber der General hat seit seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten sowohl bei seinen 390 sicheren, als auch bei den noch unentschiedenen Delegierten einen ausgezeichneten Eindruck hinterlassen. Es wird also zu einem harten, langwierigen Kampf kommen, der sich in einer direkten Auseinandersetzung Eisenhower — Taft zuspitzen sollte. Wohl werden die Anhänger des Senators, welche die Parteimaschinerie kontrollieren, versuchen, durch eine geschickte Regie im Konvent Tafts Nominierung schon in den ersten Wahlgängen zu sichern; die bisherigen Erfahrungen haben aber gezeigt, daß die amerikanischen Politiker genug Übersicht besitzen, um Inszenierungen dieser Art verhindern zu können. Kommt es also tatsächlich zu einer persönlichen Auseinandersetzung zwischen Taft und Eisen- hower, bleibt die Frage, welcher der beiden Kandidaten vom republikanischen Konvent nominiert werden wird, wohl nicht länger offen: der General, der Mann des Vertrauens, würde in diesem Fall stärker sein als der Senator, dessen Mann Mac Arthur ist.

Es ist möglich, daß an dieser Stelle der künftige Einfluß Mac Arthurs überschätzt worden ist — die bisherige Handlungsweise des amerikanischen Kriegshelden hat die Amerikaner jedenfalls vorsichtig gemacht. Phänomene und Probleme, wie dasjenige Mac Arthurs sind in Österreich seit eh und je undenkbar gewesen, aber die Geschichte der ehemaligen Monarchie zeigt das leuchtende Gegenbeispiel: Feldzeugmeister Benedek hat vor noch nicht hundert Jahren seiner soldatischen Ehre und seinem persönlichen Ruhm entsagt, um seinem Kaiser und seinem Land einen größeren Dienst zu erweisen, als er je durch einen militärischen Sieg zu erringen gewesen wäre. Mac Arthur, als Benedek mit verkehrtem Vorzeichen, wollte das Gegenteil unternehmen.

Die Mehrheit der republikanisch gesinnten Amerikaner, die von Benedek nichts, von Mac Arthur aber vieles weiß, hat schon längst für einen der möglichen Präsidentschaftskandidaten ihres Lagers Partei ergriffen: für Dwight D. Eisen- hower, den Mann ihres Vertrauens. Es ist abzuwarten, ob sich die Delegierten des Nationalkonvents der Meinung ihrer Wähler verschließen werden oder nicht: von ihrer Entscheidung hängt jedenfalls mehr ab, als sie vielleicht selbst ahnen mögen.

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