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Volksaktien oder nicht -

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Der Vorschlag des Generalsekretärs der Volkspartei, Dr. Withalm, der Bund möge einen Teil der Anteilrechte der verstaatlichten Böhler-Werke A. G. in Form von Volksaktien verkaufen, um mit dem Erlös einen zu gründenden Kulturbautenfonds zu speisen, hat den innenpolitischen Grabenkampf wieder etwas belebt. Die sozialistische Abneigung gegenüber allem, was mit dem Gedanken der Volksaktie zusammenhängt, äußerte sich in einer ebenso unsachlichen wie geschickten Replik auf den Withalm-Vorschlag, nämlich, den Böhler-Werken würden durch einen Verkauf von Aktien aus dem Bundesbesitz Betriebsmittel entzogen, daher könne man dem Vorschlag nicht zustimmen.

Wenn A dem B eine Aktie der X-AG. verkauft, dann berührt das den Geschäftsbetrieb der X-AG. überhaupt nicht, noch dazu, wenn A die absolute Mehrheit behält. Es handelt sich eben nur um die Übertragung von Anteilsrechten; ein Vorgang, der das Unternehmen weder stärkt noch schwächt und sich überhaupt nicht in der Sphäre des Unternehmens abspielt.

Das Argument, daß die Böhler-Werke, sofern Aktien vom Bund an Private verkauft werden, unter Umständen Dividenden zahlen müßten und ihnen dadurch Mittel für Investitionen entzogen würden, ist wirtschaftspolitisch recht gefährlich.

Es bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß die Selbstfinanzierung offenbar zum unantastbaren Prinzip erhoben wird, und das in einer Zeit, da die Notwendigkeit, einen funktionsfähigen Kapitalmarkt zu schaffen, um unerwünschte Wirkungen der Selbstfinanzierung hintanzuhalten, wohl von niemandem bestritten wird.

*

Aber das sind alles Fragen, die den Kern des Volksaktienstreites nicht treffen. Es soll hier gar nicht geprüft werden, ob die Idee, aus dem,t Erlös eines Aktienverkaufes einen Kulturbäüten-fonds zu dotieren und der Schulraumnot abzuhelfen, zweckmäßig ist öder flicht, “a“enri'auch diese Frage berührt den Kern des Problems nicht.

Letztlich läuft die Diskussion auf Formeln hinaus, die die entscheidenden Punkte gar nicht berühren. i

Einerseits: Die Burg der Verstaatlichten wird von den privaten Kapitalisten berannt, die nichts anderes im Sinn haben, als ununterbrochen Breschen zu schlagen, um den Weg für einen privaten Monopolkapitalismus zu bereiten, oder, wenn sie das schon nicht fertigbringen, so soll wenigstens für einige „beati possidentes“ ein anständiger Gewinn herausspringen.

Anderseits: Zur Sicherung der Freiheit ist eine breite Streuung des Eigentums nötig. Leider fehlt ein umfassendes Konzept, um diesen an sich wichtigen Gedanken zu untermauern.

Punktuelle Maßnahmen werden wahrscheinlich keine merkbaren politischen Erfolge bringen, wenn sie vielleicht auch zur Lösung irgendeiner tagespolitischen Frage beitragen können. Letztlich aber werden alle noch so gut gemeinten Maßnahmen, sofern sie nicht Bestandteile eines umfassenden sozialreformatorischen Programms sind, nicht die erwünschten Wirkungen zeigen. Durch eine geschickte sozialistische Propaganda und ein nicht immer glückliches Manövrieren in den eigenen Reihen wird der ÖVP immer wieder der „Schwarze Peter“ zugespielt, eine Partei der Besitzenden zu sein, die nichts anderes will, als die Reichen noch reicher machen.

Das Odium der „bürgerlichen Besitzerpartei“ wird in den Augen der breiten Masse der Arbeitnehmerschaft durch Versuche, da und dort Aktien verstaatlichter Betriebe zu streuen, nur verstärkt, wenn eine fundierte publizistische Vorbereitung fehlt und die Gegenseite noch dazu geschickt repliziert. Die Eigentumstreuungs-Politik, wenn sie echtes Anliegen und Programm werden soll, muß publizistisch und propagandistisch gewissenhaft vorbereitet werden, da Begriffe, die niemals ordentlich erklärt wurden und daher nicht verstanden werden, von einer guten Gegenpropaganda leicht und wirksam in Mißkredit gebracht werden können.

Man dürfte nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß ein Großteil der Bevölkerung gegenwärtig in allen Versuchen. Aktien verstaatlichter Betriebe zu verkaufen, nichts anderes erblickt, als das reaktionäre Bestreben, die bestehende Besitzverteilung beizubehalten, zu stärken und den Expansionsdrang der verstaatlichten Industrie zu bremsen. Das sind sehr wirkungsvolle Argumente, die das echte sozial-reformatorische Anliegen verwischen, das hinter dem Wunsch nach einer breiten Streuung des Eigentums an den Produktionsmitteln steht. Erst wenn ein umfassendes Programm existiert und Diskussionsgrundlage geworden ist, hat die Forderung nach einer breiten Eigentumsstreuung echte politische Chancen.

Prof. Dr. Oswald v. Nell-Breuning SJ„ der bekannte katholische Sozialphilosoph, äußert in seiner grundsätzlichen Untersuchung „Ist Eigentum eine Ordnungsmacht?“ (S. 25 ff.) zu diesem Problem einige Thesen, die gründlich studiert, vor allen aber in eine eigene programmatische Darstellung der ÖVP eingebaut werden sollten.

„Eigentums- (Vermögens-) Bildung der Nicht-Unternehmer oder, wie wir auch zu sagen pflegen, der Haushalte, ist nicht möglich auf Kosten des Verbrauches dieser Kreise, sondern nur zu Lasten der Unternehmergewinne. — Daß diese Verkürzung des Unternehmergewinns und die Hinüberleitung des in der Wirtschaft laufend neu sich bildenden Vermögens (des Eigentums an den Neuinvestitionen) von den Unternehmern zu den Haushalten nicht durch Erhöhung der Löhne allein, sondern nur durch Verbindung höherer Löhne mit entsprechend erhöhter Er-spamisbildung möglich ist, wurde schon an früherer Stelle einmal erwähnt, muß aber hier ausdrücklich nochmals unterstrichen werden ... Strukturpolitisch bedeutet dies, daß an die Stelle der Selbstfinanzierung mehr und mehr die Kapitalmarktfinanzierung tritt — an sich eine erfreuliche Erscheinung. Leider aber trifft das die Personal- und Personalgesellschafts-Unter-nehmen viel empfindlicher als die kapitalgesellschaftlichen Unternehmen, und von diesen die kleineren wieder mehr als die großen-, die ganz großen Unternehmen von Weltruf werden vielleicht überhaupt nicht betroffen. Das bedeutet: Eine wirklich zu Buche schlagende Eigentums- (Vermögens-) Bildung breiter Kreise verschiebt die Wettbewerbsverhältnisse zuungunsten der Personal- und Personalgesellschafts-Unter-nehmen einschließlich der in kapitalgesellschaftlicher Form betriebenen sogenannten Familienunternehmen und begünstigt statt dessen ausgesprochenermaßen die Kapitalgesellschaften, und diese wieder um so mehr, je größer und mächtiger sie ohnehin sind ...

Will man diesen Prozeß in Gang bringen, muß man frühzeitig überlegen, was vorzukehren ist, um hier nicht eine möglicherweise äußerst bedenkliche gesellschaftliche Macht des Eigentums in der Hand von Nicht-Eigentümern entstehen zu lassen.

Ich sage: frühzeitig überlegen und rechtzeitig vorkehren-, abschrecken lasse ich mich jedenfalls nicht!...

In dem Maß, wie der Anteil der bisher vermögenslosen Bevölkerungskreise an diesen beiden funktionellen Einkommensarten — Grundrente und Kapitalrendite — steigt, nimmt der Anteil, den diese beiden Einkommensarten am gesamten Volkseinkommen haben, ab, und der marktgereckte Anteil des Arbeitseinkommens

Iwafrf'.iudi-r mi jmi?Umv jnsiwd c: - Was die jAtbeitnehmerschaft angeht, so wird ihr Einkommen aus einem überproportional gewachsenen Arbeitseinkommen (Lohn, Gehalt oder wie immer genannt) und einem neuen, jedoch nur unterproportional wachsenden Einkommen aus Eigentum (Zins, Dividende) bestehen.

Dieser zweite Einkommensbestandteil wird im

Vergleich zum erstgenannten nur von untergeordneter Bedeutung sein-, das Arbeitseinkommen ist und bleibt, ja es erweist sich in immer steigendem Maße als die Königin aller Einkommensarten . ..

Beziehen verschiedene Bevölkerungsgruppen jede nur eine einzige funktionelle Einkommensart, so daß die Verteilung der funktionellen Einkommen zugleich die Höhe der personellen Einkommen bestimmt, dann muß das die Kämpfe um die funktionelle Einkommensverteilung außerordentlich verschärfen . ..

Breite Einkommens- (Vermögens-) Streuung erweist sich als gesellschaftliche Ordnungs- und Friedensmacht dahingehend, daß sie die für die kapitalistische Klassengesellschaft typische Auseinandersetzung um Arbeitseinkommen und arbeitsloses Einkommen, den Streit um das sogenannte Recht auf den vollen Arbeitsertrag entgiftet.. .

Ich betonte, eine rechte gesellschaftliche Ordnung sei nicht durch ein neues Eigentumsrecht oder eine Neuverteilung des Eigentums, oder jedenfalls nicht dadurch allein zu schaffen, sondern nur, indem wir das Zusammenspiel und Ineinandergreifen der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Kräfte sinnvoll neu regeln, mit anderen Worten: es bedürfe einer verfassungsrechtlichen Neuordnung der Gesellschaft...

Der Versuch, ein neues gesellschaftspolitisches Programm, ja ein neues gesellschaf.' :hes Ordnungssystem anzustreben, wird heftigen Widerspruch herausfordern. Aber es ist nur sinnvoll, eine breite Eigentumsstreuung zu verlangen, wenn man bereit ist, alle vorhersehbaren Konsequenzen zu tragen. Ohne Zweifel liegt ein Wagnis darin, eine derartige Politik überhaupt zu beginnen. Es ist geradezu ein wirtschafts- und sozialpolitisches Experiment. Man verläßt tief eingefahrene Wege und begibt sich auf Neuland, das erst mühsam urbar gemacht werden muß.

Vor diesem gesellschaftspolitischen Hintergrund, der nur flüchtig beleuchtet werden konnte, muß jeder Versuch, eine Eigentumsstreuung durchzuführen, gesehen werden. Solange das umfassende Konzept nicht existiert, wird aber viel mißverstanden und abgelehnt werden.

Es geht letztlich nicht darum, ob einige Böhler-Aktien verkauft und aus dem Erlös Schulen gebaut werden, sondern es geht um eine politische Neuorientierung, die nur dann erfolgreich sein wird, wenn der ernste Wille zu dieser Neuorientierung vorhanden ist.

Es ist nicht einfach, die Weichen neu zu stellen, und es soll hier gar nicht untersucht werden, ob es politisch möglich ist. Eines aber ist sicher: nur ein wenig die Weichen zu stellen, wird wahrscheinlich nicht möglich sein. Eine Politik des „so-tun-als-ob“ sollte gar nicht erst begonnen werden.

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