Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Die Bibliothek des Matthias Corvinus
Sechzig Handschriften der Bibliotheca Corviniana. derzeit in einer Ausstellung, heute im Besitz der Österreichischen Nationalbibliothek, bezeugen den Kunstsinn und die Sammelleidenschaft des Ungarnkönigs
Sechzig Handschriften der Bibliotheca Corviniana. derzeit in einer Ausstellung, heute im Besitz der Österreichischen Nationalbibliothek, bezeugen den Kunstsinn und die Sammelleidenschaft des Ungarnkönigs
Daß der Ungarn-könig Matthias Corvinus fünf Jahre lang sein Reich von Wien aus geleitet hat, wird im österreichischen Geschichtsunterricht gerne schamhaft verschwiegen. Der Gegenspieler Friedrichs III. paßt nicht in das Bild der 650jährigen Habsburgerherrschaft über Österreich.
Und doch fällt vom Glanz eines der wichtigsten Renaissance-Fürsten auch so mancher Strahl auf Wien, besitzt doch die Österreichische Nationalbibliothek eine ganze Reihe prachtvoller Handschriften aus der Büchersammlung des Corvinus.
60 Handschriften und Inkunabeln (vor 1500 hergestellte Drucke) aus dem Bestand der Nationalbibliothek werden ab 27. Mai diese wenig bekannte Epoche österreichischer und mitteleuropäischer Kulturgeschichte der Nachwelt vor Augen führen.
Der Vater des Matthias, Janos Hunyadi, Wojewod von Siebenbürgen und Reichsverweser in Ungarn, hatte gegen die Türken gekämpft und war 1456 in Semlin an der Pest gestorben. Zwei Jahre später wurde sein Sohn Matthias, der im Stil der Renaissance seinen Namen in Corvinus - Rabe - latinisierte, zum König von Ungarn gewählt.
Dieser dehnte durch Verträge mit Wladislaw von Polen sein Reich über Mähren, Schlesien und die Lausitz aus und lag ständig im Streit mit Kaiser Friedrich III., der seinerseits Ansprüche auf die ungarische Krone erhob.
Seit dem Jahr 1480 herrschte wieder Krieg, 1485 nahm Matthias Wien ein, 1487 auch Wiener Neustadt - der Kaiser zog sich nach Linz zurück und wartete auf den Tod seines Gegners. Das war - überraschend - schon am sechsten April 1490 der Fall.
1453 war Byzanz gefallen, seit 1463 standen die Ösmanen in Bosnien, seit 1482 in der Herzegowina. Matthias Corvinus sorgte im ersten Abschnitt seiner Regierangszeit noch für eine aktive Grenzsicherung gegen die Türken. 1483 schuf ein Waffenstillstand mit Sultan Bajezid II. vorübergehend Ruhe.
„Im Innern gelang dem König trotz seiner häufigen Abwesenheit eine Stabilisierung der königlichen Macht, eine Ordnung der Finanzen und eine Zurückdrängung der Magnaten. Was aber in kultureller Hinsicht am meisten zählte, war der Aufschwung des geistigen Lebens”, schreibt Otto Mazal, auf dessen Forschungen die Ausstellung in der Nationalbibliothek aufbaut.
1467 gründete Matthias in Preßburg die Academia Istropoli-tana, die nach 1490 wieder zugrunde ging, 1480 in Ofen die Academia Corviniana, wo die Bibliothek des Königs schon zu Lebzeiten international gerühmt wurde. Der Dom zu Preßburg, die Matthiaskirche in Buda und die Pfarrkirchen von Kaschau und Hermannstadt zeugen noch heute von der regen Bautätigkeit des Corvinus.
Als Matthias 1485 in Wien einmarschierte und von nun an meist hier residierte, stand er auf der Höhe seiner Macht. Und so beschleunigte er auch den Ausbau seiner Bibliothek.
„An die Stelle einfacher Renaissance-Handschriften traten Prunkhandschriften, Meisterwerke der Renaissance-Malerei, an 'deren Herstellung Künstler ersten Ranges beteiligt waren.” (Mazal) Noch dominierten Handschriften, die in berühmten Werkstätten vor allem in Italien kopiert wurden. Der Buchdruck spielte noch eine untergeordnete Rolle.
1490, beim Tod des Königs, dürfte die Bibliotheca Corviniana
2.000 bis 2.500 Bände umfaßt haben. 60 davon, aus den Beständen der Österreichischen Nationalbibliothek, stellen nun Schwerpunkte der Buchmalerei der Renaissance vor.
Wie die Hochschulen des Mittelalters ihr Lehrangebot in Fachgruppen darboten, wird auch hier etwa im Be reich der Grammatik das Bemühen der Humanisten aufgezeigt, die griechische Sprache wieder zu beleben. Rhetorik, Geschichtsschreibung und Dichtung folgen, in der Astronomie weist eine griechische Handschrift der „Geographica” des Pto lemaios auf den Vertreter des geozentrischen Weltbildes Philosophig und Theologie runden die Ausstellung ab.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!