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Amerikanische Bücher

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Im Kunstverlag Wolfrum in Wien, auf einen leider sehr engen Platz gedrängt, hat die erste amerikanische Buchausstellung in Österreich ein Domizil gefunden. Als letzte, nach der französischen, nach der englischen im Vorjahr. Vergleiche wären interessant: offensichtlich fehlt hter die Elegance, das Raffinement, die spirituelle Tiefe des Französischen, die vornehm zurückhaltende Kultiviertheit des Englischen, leider fehlen auch hochbeachtliche Veröffentlichungen aus Amerika selbst (die Gründe der Auswahl dieser 1600 Titel sind nicht ganz einsichtig), was hier aber in bunter Breite und leuchtender Fülle aufscheint, verdient besehen zu werden. Das Hervorstechende ist nun nicht, so angenehm es den Europäer berühren mag, etwa in den guten Reproduktionen assyrischer, mexikanischer, indianischer und neuamerikanischer Kunstwerke, in wissenschaftlichen Publikationen oder etwa auch im Sektor „Fiction“, in der Romanliteratur zu suchen — alles das gibt es bei uns (trotz technischer Neuerungen, wie etwa Bücher mit Reißverschluß usw.) ebenso gut, manchmal besser, gewählter, gekonnter. Nicht weniges macht einen gewissen alt-väterischen Eindruck — so, als gäbe es heute stilmäßig etwas, In Amerika, zwischen Biedermeier und Wilhelminischer sattseliger Prunkfreude.

Das tief Beeindruckende kommt von woanders her: in den Kinderbüchern, in den talking books (mit Schallplatten als Zubehör und Beilage), in diesen amerikanischen Lese-und Jugendbüchern spricht es sich aus. Aber keineswegs nur in diesen. Mit Wort und Ton, mit Farbe und Bild, mit Umschlag und Inhalt bekundet sich hier eine, wie man wohl sagen darf, volkspädagogische Tendenz, der feste, unbekümmerte, lebenssichere Wille, zu erziehen. Sich selbst zu erziehen, die Kinder ja nicht nur, sondern zumal auch die .Erwachsenen“, sich durch Psychologie, Wissenschaft, Technik, Kunst, Medizin, Gesellschaftslehre, ja auch Politik — als Lehre und Praxis vom richtigen Verhalten des Menschen in dieser seiner menschlichen Umwelt — zu bilden. Bildung als Formung für dieses Leben hier und heute, das bewältigt werden will. Eine traumferne, werbende, überzeugenwollende, Mitarbeit heischende, rufende, an-sprechende Bildungsarbeit. Erziehung in der Nation, an der Nation, in der Kinderstube der Menschheit.

Gerade die unpolitischesten dieser Bücher, die Kinderbücher, sprechen es am deutlichsten aus, was der Titel des auch ins Deutsche übersetzten Bestsellers sagt: Victory in may hands — es ist der feste, unerschütterliche Glaube eines Pestalozzi, eines Comenius in seinem „Orbis pictus“ schon: daß die Welt vom Menschen erobert werden kann und soll, dadurch, daß der Mensch sich selbst erzieht. Die Naivität und Sicherheit der grellen Farben auf den Umschlägen, die oft seltsam an jene alteuropäischer Volkstrachten erinnern, sagt diese pädagogische Tendenz ebenso aus wie der klug gestellte Inhalt. — Die Welt ist hier noch ein Buch; ein sehr buntes Buch, das mit Neugier, aber auch mit Ethos gelesen werden will. Für uns Europäer, die wir uns seit langem schon so oft fürchten, die nächste Seite im Buch unseres Lebensweges aufzuschlagen, und die wir ebensooft nichts davon wissen wollen, Seiten der Vergangenheit anzurühren, mag dieser sehr bewußte Optimismus ein besinnenswertes Gleichnis geben.

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