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Dem Schicksal preisgegeben

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DAS MENSCHENBILD BEI BERGENGRUEN. Einführung in das Werk des Dichters. Von Elisabeth Sobota. Im Verlag der Arche, Zürich. 208 Seiten. Preis 94.72 S.

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DAS MENSCHENBILD BEI BERGENGRUEN. Einführung in das Werk des Dichters. Von Elisabeth Sobota. Im Verlag der Arche, Zürich. 208 Seiten. Preis 94.72 S.

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Die Reihe der Monographien über das Werk und die Persönlichkeit Werner Bergengruens, die in den letzten Jahren erschienen sind, wird durch diese umfassende essayistische Einführung in das Schaffen des Dichters in dankenswerter Weise ergänzt und bereichert. Vor allem sei darauf hingewiesen, daß die Verfasserin, die Germanistin Elisabeth Sobota, der jungen Generation angehört. Daraus ergibt sich, daß auch in unserem Zeitalter des technischen Komforts und des Wohlstands die Jugend für die Stimme eines Rufers in der Wüste — denn das war Bergengruen schon im zweiten Weltkrieg — aufgeschlossen ist und bleibt.

In der Einleitung umreißt die Autorin ihr Vorhaben, für das sie das Motto „Immer steht der Mensch in der Mitte“ gewählt hat, mit folgenden Worten: „Bergengruen spricht einmal von einer eigentümlichen Verschwisterung des Spieltriebes oder Spielzwanges mit dem Drang zur Weltdeutung im Dichter… So wird für das Werk jenes Dichters, dem Dichtung Spiel und Weltdeutung zugleich ist, ein Zweifaches klar: Er zeichnet die Welt und den Menschen nicht als ein in sich ge schlossenes Ganzes, sondern hineingestellt in den an Spannungen überreichen Raum der Transzendenz, nicht als letzte, ein für allemal gesetzte Wirklichkeit, sondern als Bild und Gleichnis einer Realität, von der her Welt und Mensch erst ihre eigentliche Bestimmung erhalten.“

Im ersten Kapitel spürt die Autorin dem Menschenbild Bergengruens in einigen Gestalten seiner Dichtung nach; sie befaßt sich eingehend mit den Romanen „Der Großtyrann und das Gericht“, „Der Starost“ und „Die Rittmeisterin" und weist nach, daß die letzte Ursache für den Mißbrauch von Wissen und Macht — wie sich dies aus Bergengruens epischen Werken ergibt — ein verzerrtes Gottesbild ist. Im folgenden Kapitel befaßt sich Elisabeth Sobota mit den Leitbildern und Symbolen in Bergengruens Dichtungen. In dieser Hinsicht ist für sein Weltbild der Essayband „Das Geheimnis verbleibt“ besonders aufschlußreich. Bergengruen führt darin aus, daß die Dichtung nur weniger großer Symbole bedürfe; im Grunde sei mit Brot und Wein alles gesagt. Diese Ansicht hindert ihn jedoch nicht, alles und jedes in den Symbolschatz seiner Dichtungen aufzunehmen, sofern es dem wahrhaft menschlichen Bereich angehört und dem Erschauten geistigen Gehalt zu geben vermag.

Von den frühesten bis in seine späten Werke gestaltet Bergengruen, wie die Verfasserin feststellt, immer wieder das Verlangen des Menschen nach voller Erkenntnis, nach der Aufdeckung des Geheimnisses. Zwar muß sich der Mensch eingestehen, daß ihm der Ort der Einheit, der Einsicht, der Unendlichkeit noch nicht zugänglich ist, aber er kann sich zur Annahme der Verheißung entschließen, daß sich die Parallelen in der Unendlichkeit schneiden, daß alle Unbegreiflichkeiten in der göttlichen Weisheit ihre Lösung finden. Und letzten Endes sollte sich der

Mensch — das ist die ewig gültige Aussage der Dichtung Bergengruens — in gläubigem Vertrauen dem Schicksal preisgeben, damit er, der Zwiespältige, aus allen polaren, ja geradezu paradox anmutenden Spannungsverhältnissen heraus der Schöpfung Mitte finde.

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