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Gefahren von heute und morgen
In diesem schweren Abwehrkampf, der bis zu seiner letzten Lebensstunde ihn ängstigt und innerlich bedrängt, fällt ihm nun, noch einmal, die faschistische Rechte in den Rücken. Die Schilderung der Ereignisse von 1952 — wir kennen sie auch von einer anderen Seite, von dem zu den Kommunisten übergegangenen Jesuiten der Universitä Pontiflcia Gregoriana, Tondi — durch Maria Romana Catti De Gasperi wirkt heute beklemmend, atemberaubend für jeden, der ein Gespür hat für Gefahren von heute und morgen.
Eine unheilige Allianz
Faschisten und „Rechtskatholiken“ um den Führer der Katholischen Aktion Gedda"’tiberi'efferi maß- gebende Männer der Kurie zur Zustimmung zu dem Komplott: Zerschlagung der Partei der christlichen Demokratie. An ihre Stelle soll eine heilige Allianz, eine „Unione sacra“, von Faschisten, Monarchisten, anderen Rechtsgruppen und Katholiken treten. Dieser „Dolchstoß in den Rücken“ (De Gasperi zitiert gerne dieses Wort des großen deutschen
Zentrumsführers Windthorst, der es an die Adresse des Vatikans gerichtet hatte, als dieser ihn zwingen wollte, für Bismarcks Militärbudget seine Partei einzusetzen) war wohl die furchtbarste seelische Belastung für einen Politiker, einen Staatsmann der christlichen Demokratie, der zeitlebens scharf trennte zwischen „Katholik“ und „Klerikaler“.
Der Ministerpräsident De Gasperi sucht in diesem selben Jahr einer tödlichen Bedrohung der Demokratie in Italien — und einer drohenden Vernichtung seines Lebenswerkes — um eine Audienz bei Papst Pius XII. an: um die einzige Audienz seines Lebens. Als Anlaß nennt er sein dreißigj ähriges Hochzeits j ubiläum und die Ablegung der ewigen Gelübde seiner Tochter Lucia als Nonne. Papst Pius XII. lehnt dieses Ansuchen des italienischen Ministerpräsidenten1 und Chefs der Democristiani ab.
Denunziant Guareschi
Nachdem es gelungen war, dieses Komplott einer wahrhaft unheiligen Allianz, eines neuen Paktes Katholiken mit dem Teufel, abzuwehren, setzt die extreme Rechte zu einem neuen Dolchstoß gegen De Gasperi an. Die Leidenswege der christlichen Demokratie in Europa sind seit 1832 durch Denunziationskampagnen ihrer „christlichen“, ihrer „katholischen“ integra- listischen Todfeinde markiert. Bis zum heutigen Tage. Die Verleumdungsfeldzüge dieser Rechten haben, neben den vehementen Angriffen der kommunistischen Linken, die letzten Lebensjahre De Gasperis randvoll mit Bitterkeit vergiftet: Sie erreichen einen Höhepunkt im Jänner 1954, im letzten Lebensjahr De Gasperis. Guareschi, den wir nur als merkwürdigen Autor von „Don Camillo und Peppone“ kennen, veröffentlicht als Herausgeber der rechtsradikalen Zeitschrift „Can- dido“ einen Brief De Gasperis vom 12. Jänner 1944, in dem er einen englischen Fliegerobersten um eine Bombardierung Roms bittet, zur Zerschlagung „unseres gemeinsamen nazifaschistischen Feindes“. Dieser Brief ist zur Gänze eine böse Fälschung. Guareschi wird zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.
„A morte De Gasperi“: Tod für De Gasperi. Das liesrt seine Familie auf Plakatanschlägen… Bald ist es so weit.
De Gasperi liest jeden Morgen die „Nachfolge Christi“. In die Düsternis seiner großen Sorgen um die Zukunft Italiens und Europas leuchten in seinen letzten Lebensjahren einige Lichter. Zu ihnen gehören zwei Briefe (1953 und 1954), die ihm tiefes Vertrauen und tiefe Freundschaft bekunden: Sie stammen von Angelo Roncalli, der ihn als Patriarch von Venedig zu sich lädt.
„Gesu!“ Jesus. Das ist das letzte Wort des Alcide De Gasperi, im Todeskampf, am 19. August 1954. Der Lebenskampf dieses großen Italieners stellt sich allen jenen als Trost, Warnung, Zuspruch dar, die das Wagnis auf sich nehmen: Als Christen eine Demokratie mitaufzubauen, zwischen Scylla und Charybdis, zwischen tödlicher Bedrohung von Links und von Rechts.
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