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Kompromißloser Kampf

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Vom Standpunkt dieser kombat- tanten, revolutionären politischen Philosophie her gesehen sind die sachte verbürgerlfichenden Sowjetrussen, die um des lieben Friedens willen die friedliche Koexistenz mit dem „Imperialismus“ predigen, natürlich hoffnungslos reaktionär. Der Kampf um den Fortschritt muß deshalb auch innerhalb des Lagers des Weltkommunismus ausgefochten werden. Und zwar kompromißlos, getreu dem dialektischen Prinzip Maos, daß die Widersprüche auf die Spitze getrieben werden müssen, da es erst dann zu einer Synthese der Gegensätze kommen kann. Diese Vereinigung und Aufhebung eines Widerspruchs ist aber nur von sehr kurzer Dauer, da die erreichte Synthese sofort wieder in neue Widersprüche auseinanderfällt.

Mehr Freiheiten gefordert

Dasselbe gilt für das Verhältnis zu den USA als dem führenden Vertreter des „imperalistischen“ Lagers und dem Hauptgegner im Kampf um den Fortschritt. Auch hier wäre, von der politischen Philosophie Maos her gesehen, jedes Nachgeben ein Verrat am Fortschritt und am Geist der permanenten Revolution. Auch dieser Widerspruch muß deshalb auf die Spitze getrieben werden — siehe Chinas Vietnampolitik —, denn nur so ist eines Tages eine den Fortschritt fördernde Lösung möglich.

Mao hat den größten Teil seines Lebens als Guerillakämpfer verbracht, als „permanenter Revolutionär“ also. Bald 20 Jahre nachdem er China für den Kommunismus erobert hatte, muß er überall Ermüdungserscheinungen feststellen. Hohe Militärs möchten Frieden mit der Sowjetunion schließen, aus Furcht vor der amerikanischen Atombombe. Viele Intellektuelle neigen zu revisionistischen Ansichten und fordern mehr Freiheit. Eine Jugend ist herangewachsen, die nur die Früchte der Revolution, aber nicht mehr diese selbst kennt und die die Notwen digkeit einer permanenten Revolution kaum mehr einsieht. Und in eben diesem Augenblick muß der seit langem kranke Mao damit rechnen, die Zügel aus der Hand legen und eine amerikanische Invasion erleben zu müssen. Wenn hinter der „Großen Kulturrevolution“ überhaupt ein rational erfaßbarer Sinn verborgen ist, dann kann es nur der sein, ganz China im Hinblick auf diese beiden Möglichkeiten revolutionär wieder so „aufzupulvern“, daß es den Aufgaben, die ihm die „permanente Revolution“ stellt, gewachsen ist.

Da fiel man nun auf den Gedanken, die Jugend des Landes zu mobilisieren und die natürliche Begeisterungsfähigkeit der Jugend auszunützen, um mit ihrer Hilfe im Lande eine revolutionäre Begeisterung zu erzeugen.

Torschlußpanik

Zu was für Exzessen die Mobilisierung der Roten Garden und der Super-Personenkult um Mao geführt haben, ist bekannt. Gelegentlich will es scheinen, als handle es sich bei alledem um den Verzweiflungsakt eines von einer Art Torschlußpanik ergriffenen alten Mannes, der sein Lebenswerk bedroht sieht. Was im Verlaufe der offensichtlich zum Teil auf starken Widerstand stoßenden „Kulturrevolution“ noch alles geschehen und wohin sie noch führen wird, kann wohl niemand Voraussagen.

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