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Mensch, Natur und Kunst im technischen Zeitalter

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Die Zukunft hat schon begonnen. Von Robert Jungk. Scherz & Goverts Verlag, Stuttgart-Hamburg. 316 Seiten. Preis 12.80 DM

In diesem Buch (auf Seite 72) steht der fatale, inzwischen viel zitierte Satz: „Gemessen an seinen bevorstehenden Flugaufgaben ist der Mensch eine Fehlkonstruktion.“ So formulierte angeblich ein Instruktor in der School of Aviation Medicine von Randolf Field seine Erkenntnis. Aber vielleicht hat nur Jungk es so wirksam und aggressiv gesagt. Das nämlich ist bei diesem Buch immer die Frage. Der Autor hat jahrelang als Korrespondent größerer Zeitungen in den USA gelebt und entwirft in diesem Buch (das vermutlich aus früher erschienenen Feuilletons zusammengestellt ist) ein drohendes Bild des heraufziehenden technischen Zeitalters, das in Amerika bereits die Herrschaft angetreten hat. Der Pioniergeist der Grenzgänger fand kein normales Betätigungsfeld mehr und drängte zu neuen Taten: zur Eroberung des Himmels, des Atoms, der Natur, des Menschen und der Zukunft. Dieser vor keinem Geheimnis und vor keiner Verletzung der Menschenwürde zurückscheuende „Griff“ wird in vielen Phasen und an den verschiedenartigsten Gegenständen demonstriert (Atomforscher, Maschine, Tier, Wettermacher, Roboter im Büro, Seeleningenieure us*.). Man muß dieses erregende Buch richtig lesen. Daß der Autor Mißdeutungen ausgesetzt war (gegen die er sich vor kurzem in einem Vortrag in Stuttgart wehrte), hat er sich selbst zuzuschreiben, seinen allzu pointierten Formulierungen und seiner Neigung zum Dramatisieren. So konnte es geschehen, daß Jungk gern als Kronzeuge des Antiamerikanismus bemüht wurde, was er im Grunde nicht sein möchte.

Drei Gesichter Luzifcrs. Von Richard K a t z. Fretz & Wasmuth Verlag AG., Zürich. 262 Seiten.

Der bekannte Reiseschriftsteller wollte, wie er im Vorwort sagt, kein „weltanschauliches“ und auch kein „religiöses“ Buch schreiben, sondern seinen Leser zu einer „Reise nach innen“ einladen, zur Erkenntnis unserer Zivilisation. Aber der Autor bedient sich nicht nur konsequent der Gestalt Luzifers als antichristliches Symbol, sondern er zitiert wiederholt Worte der Heiligen Schrift, um seine Thesen zu stützen. Unser Leben, so meint Richard Katz, schwingt zwischen zwei Polen: dem geistigreligiösen und dem materialistischen. Heute hat es sich bedenklich dem letzteren genähert und ist in Gefahr, von Luzifer beherrscht zu werden. In drei Gestalten ist dieser verkörpert: im Lärm, in der Maschine und im Geschäft (dies sind auch die Titel der drei Hauptkapitel des Buches). Katz erkennt auf Schritt und Tritt Luzifers unheilvolle Wirkung: in dem durch Lärm entheiligten Schlaf, in der Angst vor der Stille, in der mechanisch wiedergegebenen Musik, in den Raubrittern der Landstraße (den rücksichtslosen Herrenfahrern), in der durch die Perfektion und Ausbreitung der Maschinen verursachten Arbeitslosigkeit, in der modernen Leihwirtschaft usw. Merkwürdig, daß man an der Fülle trefflicher Einzelbeobachtungen nicht recht troh wird, und obwohl man dem Verfasser grundsätzlich zustimmen möchte, wird die innere Opposition des Lesers immer stärker. Denn so einfach liegen die Dinge eben nicht. Der Betrachtung von Katz fehlt gewissermaßen die dritte Dimension, vor allem aber ein — trotz aller Einwände — positives Verhältnis zu dieser unserer Zeit.

Musik und Mikrophon. Von Walter Michael Berten. Musikverlag Schwann, Düsseldorf. 253 Seiten.

An den Anfang seiner Untersuchung stellt der Autor eine Reihe von Zitaten, die gewissermaßen den geistigen Horizont markieren: Goethe, Nietzsche, Ortega y Gasset, Guardini, Picard, Eliot, Stra-winsky u. a. Zwar nimmt der Autor W. M. Berten als Musiker zur künstlerischen und kulturellen Bewältigung der modernen Reproduktionsmittel, der „mikrophonalen Musik“, Stellung, aber was er anstrebt — und erreicht — ist viel mehr Sein Anliegen und seine Frage ist: Wie kann es gelingen, die musikalische Technik, ihren Apparat und ihre neuen Formen in den Dienst des Menschen von heute zu stellen, als Aussage vom Leben des Menschen in seiner Schicksalsgemeinschaft, mit dem Ziel einer vergeistigenden und beseelenden Schicksalsdeutung. Denn „nicht die Maschine, die Technik sind dämonisch, sondern die große Angst, dem Mechanischen nicht gewachsen zu sein“. Vor den Problemen nämlich, die uns die neuen Mittel und Kunstformen des Radios, der Schallplatte, des Tonfilms und des Fernsehens stellen, stehen die Absolventen unserer Universitäten und Musikseminare ziemlich hilflos. Daher ist ein Rechenschaftsbericht und Arbeitsplan, wie ihn in diesem Buch ein P r a k-t i k e r entwirft, von größtem Interesse. Neben allgemeinen Betrachtungen macht der Autor auch eine ganze Reihe sehr konkreter Vorschläge, zum Beispiel zur neuartigen Gestaltung von Wort-Musik-Sendungen, zu denen sich Dichter, Musiker und Dramaturgen in einem Workteam vereinigen müßten zur plastischen Gestaltung „eines Stückes Leben“ (und nicht nur zur Zusammenstellung von bunten Reihen, die sich dann „Schatzkästlein“ oder „Das ewig Bleibende“ nennen). Von Grund auf müßten alle diese Probleme in eigenen Studienseminaren untersucht und die verschiedenartigsten Lösungen ausprobiert werden. Das Ziel wäre eine umfassende Soziologie und Dramaturgie des mikrophonalen Musikgebrauches. Bis dahin könnte jedenfalls ein ganzes Dutzend großer Sender mehrere Jahre lang von den in diesem Buch gegebenen Anregungen leben. Wichtig vor allem aber ist die Grundeinstellung des Autors: die Bejahung und Anerkennung der neuen Situation sowie der feste Wille, durch ihre genaue Kenntnis zur Ueberwindung der Krise des mechanischen Leerlaufes beizutragen.

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