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Neue Bücher für die Jugend

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DIE WILDEN FALKEN. Von Ursula W i 11 i a m s. Aus dem Englischen übersetzt von A. von Puttkammer. Illustrationen von Heinz S t i e g e r. Benziger-Verlag, Einsiedeln, 1962. 196 Seiten, Leinen. Preis 8.90 sfr. — TROTZLI, DER STUDENT. Von Josef Konrad Scheuber. Benziger-Verlag, Einsicdeln. 1962. 209 Seiten, Leinen. Preis 8.80 sfr. - ABENTEUER AM STROM. Von Günther Schwab. Österreichi-scher Bundesverlag, Wien-München, 1962. 247 Seiten mit 8 ganzseitigen Bildern, Leinen. Preis 86 S. — SAMPEH. Roman einer Schiffsreise. Von Edita Morris. Aus dem Englischen übertragen von Sophie Angermann. Mit Vignetten nach balinesischen Schattenfiguren. Süddeutscher Verlag, München, 1962. 215 Seiten, Leinen. Preis 12.80 DM.

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DIE WILDEN FALKEN. Von Ursula W i 11 i a m s. Aus dem Englischen übersetzt von A. von Puttkammer. Illustrationen von Heinz S t i e g e r. Benziger-Verlag, Einsiedeln, 1962. 196 Seiten, Leinen. Preis 8.90 sfr. — TROTZLI, DER STUDENT. Von Josef Konrad Scheuber. Benziger-Verlag, Einsicdeln. 1962. 209 Seiten, Leinen. Preis 8.80 sfr. - ABENTEUER AM STROM. Von Günther Schwab. Österreichi-scher Bundesverlag, Wien-München, 1962. 247 Seiten mit 8 ganzseitigen Bildern, Leinen. Preis 86 S. — SAMPEH. Roman einer Schiffsreise. Von Edita Morris. Aus dem Englischen übertragen von Sophie Angermann. Mit Vignetten nach balinesischen Schattenfiguren. Süddeutscher Verlag, München, 1962. 215 Seiten, Leinen. Preis 12.80 DM.

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Der langen Reihe in bezug auf Stoff und Gestaltung hervorragender englischer Kinder- und Jugendbücher haben wir wenig Gleichwertiges an die Seite zu stellen. So darf man dankbar sein, wenn solche Bücher wenigstens ins Deutsche übersetzt werden, zumal dann, wenn die Übertragung so ausgezeichnet ist wie die des neuen Buches der englischen Jugendschriftstellerin Ursula Williams, „Die wilden Falken“. Die Handlung spielt im 14. Jahrhundert, in dem in Südengland gelegenen Schloß Al-den, einem Zentrum der höfischen Jugenderziehung der Zeit, in der die Kunst der Falkenzähmung und -pflege' eine große Rolle spielte. Lernten die jungen Knappen doch im Umgang mit ihren ecjlen, hochempfindlichen Jagdvögeln, deren hervorstechende Eigenschaft Kraft, Mut und Treue waren, Selbstbeherrschung, Geduld und Gehorsam. In der vom Anfang bis zum Ende sachlich fundierten und spannenden Geschichte erfährt der junge Leser interessante Details über das mittelalterliche Milieu und das gesellschaftliche Gefüge der Zeit, erlebt am Schicksal des Bauemjungen Dickon, der ein Falkner wird, das Hineinwachsen des Jünglings in die ritterliche Welt, seine berufliche und menschliche Entwicklung. Ein Buch, mit dem man Buben und auch Mädchen, etwa von elf Jahren an, ein sinnvolles Geschenk und ganz gewiß auch viel Freude machen kann. . *

Die Trotzli-Geschichten des Schweizer Jugeridseelsotgers Scheuber gehören zu der Kategorie von Jugendbüchern, die auf erbauliche und moralische Effekte aus sind. Der Lausbub Trotzli und seine fünf Kumpane sind durchaus sympathische Gesellen, die das Herz auf dem rechten Fleck haben, aber die Erzählweise Scheubers wirkt doch ein bißchen antiquiert. Die am Ende jeder Geschichte in einem Vierzeiler zusammengezogene Moral steht reichlich aufdringlich da! Immerhin scheint es eine Menge Buben zu geben (oder sind es die Eltern?), die das nicht stört, ist doch von dem ersten Band „Trotzli, der Lausbub“ schon das 46. und von „Trotzli, der Student“ gerade das 35. Tausend erschienen.

Von Günther Schwabs vielgelesener, 1934 erstmalig erschienenen modernen Robinsonade „Abenteuer am Strom“ hat der Österreichische Bundesverlag jetzt eine für die Jugend bearbeitete Ausgabe herausgebracht, die aber auch Erwachsene fasziniert. Diese Geschichte eines jungen Mannes, der sich in eine „unberührte Wildnis“ zurückzieht, nur von seinem Hund begleitet, und mit Boot, Zelt und den allcrnot-wendigsten Werkzeugen ausgerüstet, die ihm auch noch gleich zu Beginn seines abenteuerlichen Unternehmens durch eine Überschwemmung verlorengehen, zeigt den auf sich gestellten Menschen in seiner Macht und Ohnmacht, ausgeliefert den unvorstellbaren Bedrohungen durch eine noch nicht gebändigte Natur. Dieser Mann sieht sich vor die Notwendigkeit gestellt, das Feuer nochmals zu erfinden, mit der Kraft seines Geistes und vor allem der Geschicklichkeit seiner Hände seine Jagd-und Baugeräte ohne alle technischen Hilfsmittel anzufertigen, und im Kampf gegen die feindliche Natur und wilde Tiere tausendmal sein und das Leben seines Hundes zu verteidigen. Dabei lernt er, im Eindringen in die Naturgesetze, etwas Unerwartetes: nämlich die bessere Erkenntnis seines eigenen Wesens; die dem Menschen aufgegebenen Bindungen innerhalb der Gemeinschaft kommen ihm allmählich als „natürlich und gottgegeben“ vor. Das löst den Entschluß zur Rückkehr in die zivilisierte Welt aus. „Ich will versuchen, was in der Zuflucht niemals gelingen kann: wahrhaft Mensch zu werden.“

Wunderschön sind Schwabs Natur- und Tierbeobachtungen, deren Wert für den menschlichen Reifeprozeß hier ohne aufdringlichen Zeigefinger demonstriert wird. Ein merkwürdiges Konglomerat von Phantasie und Wirklichkeit! Aber mit den vielen eigenwilligen Überlegungen und Experimenten doch ein ernsthafter Versuch, mit der modernen Zivilisation fertigzu-werden und den echten Sinn des Lebens und Menschseins zu ergründen.

Unsere letzte Neuerscheinung ist gewiß kein ausgesprochenes Jugendbuch, aber doch eines, das gerade von jungen Menschen gelesen werden sollte, da hier wesentliche Probleme unserer Situation zur Sprache kommen, deren Lösung der jungen Generation obliegt. „Wir alten Leute haben keine allzu schöne Welt für euch geschaffen“, sagt ein alter Mann in „Sam-peh“ zu einem jungen Mädchen. „Jetzt seid ihr an der Reihe! Und ihr müßt eine neue Welt schaffen, in der alle Menschen Arm in Arm gehen...“

Wie schon in ihrem Roman „Die Blumen von Hiroshima“, für den sie mit dem Albert-Schweitzer-Preis ausgezeichnet wurde, geht es Edita Morris auch in diesem neuen Buch darum, viele kleine Steinchen für eine neue Welt der Liebe und des gegenseitigen Verständnisses zusammenzutragen. Keineswegs pathetisch oder belehrend übrigens, sondern als nie direkt ausgesprochenes, aber unüberhörbares Ergebnis der verhaltenen Liebesgeschichte zwischen der kleinen amerikanischen Tänzerin Midget und dem auf einem Luxusdampfer als Küchenjunge dienenden bali1-nesischen Tänzer Sampeh. Sie endet, tragisch, diese bezaubernde, anmutige Kinderliebe, für die kein Platz ist in einer Welt, die an der Überlegenheit der weißen Rasse festhält und nicht die Konsequenzen aus dem Aufbruch der farbigen Völker ziehen will. „Wie kann ein menschliches Geschöpf es wagen, ein anderes menschliches Geschöpf zu verachten?“ fragt ein alter Stoffhändler in Singapur anklagend die kleine Midget, die selbst hilflos vor dieser Tatsache steht.

Gerade unsere westliche Jugend muß wissen, daß sie den Reichtum der Erde hinfort mit den Kindern der unterentwickelten Völker zu teilen haben wird und daß das freiwillig, unter dem Zeichen der Liebe und nicht des Hasses, geschehen sollte. Nur die Jugend kann jene „neue Welt“ schaffen, von der Edita Morris in ihrem Roman erzählt, viel eindringlicher als es Traktate und Abhandlungen zu tun vermögen. Deshalb wünschen wir ihr Buch in die Hände vieler junger Menschen.

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