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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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AUCH IM HEURIGEN SOMMER ist eine Anzahl von Kindern aus Oesterreich von der tschechoslowakischen Regierung eingeladen worden, die Ferien innerhalb der rotweißblauen Grenzpfähle zu verbringen. Ueber Radio Wien (die Russische Stunde übernahm eine Reportage von Prag) durften die Kinder Grüße nach Hause senden. Sie haben in Križanov (sollte damit Kirithein gemeint sein?) geradezu rednerische Fortschritte gemacht: in meßender, gewählter Sprache und mit einem Vokabular, das bei Kindern erstaunt, grüßten sie. Mari merkte das abgelesene Konzept. Nur einmal, als ein Bub gefragt wurde, was er den ganzen Tag über mache, gab es eine — kaum merkliche Panne: „Wir .stehen um sieben Uhr aui und — und gehen turnen; dann frühstücken wir und" — da plötzlich gab es eine sekundenlange Pause — „dann haben wir Gruppenbesprechungen“. Welcher Art diese sind, konnte man u. a. an den Adressaten der Grüße -— einmal waren es „Junggardisten in Berndorf" — merken. — Im Vorjahre gab das Innenministerium erst dann die Bewilligung zur Ausreise, als das tschechoslowakische Außenministerium versprach, die Einreise von Oesterreichern (ohne Parteiempfehlung) nicht zu erschweren. Es wäre aufschlußreich, zu erfahren, wie viele „ungefärbte" Oesterreicher seither in die Tschechoslowakei einreisten.

DIE IN ITALIEN NIE AUSGESTORBENE FÖDERALISTISCHE TRADITION meldet sich wieder einmal zu Wort. Zwar ist es nur ein bescheidenes Beiblatt zu der in Udine erscheinenden Zeitung „Patrie dal Friül", das unter dem kampflustigen Titel „Battaglia Autono- mista“ soeben sein Erscheinen begonnen hat, aber vielleicht zeigt gerade die äußere Schlichtheit des Beginnens die aus der Tiefe dės Volkstums kommende, nicht durch gewaltsame Mache geschaffene Bewegung an. Als nähere Bezeichnung seiner Gattung und Bestimmung spricht das Blatt in seinem Titel von einer „Federazione delle Genti Alpine“, von einet „Föderation der alpinen Völkerstämme“, und erklärt als seine Ziele die „Verteidigung der völkischen und sprachlichen Minderheiten“, die Anerkennung der rechtlichen, politisch-administrativen Persönlichkeit der „Regionen“ (der den einzelnen Provinzen übergeordneten territorialen und politischen Einheit), ferner eine Reform mit Vorkehrungen für eine wahre und eine gesunde Demokratie gegen das „ruinöse bürokratische System“, das am Werke sei. Für diese Ziele ruft die „Battaglia Autonomista“ „die vereinten Anstrengungen aller auf, die aufrichtig und vor allem anderem die angestammte Heimat lieben, die Bewahrerin und Hüterin gesunder ererbter Ueberlieferungen“. Das Blatt enthält bittere Klagen über die allmählich ständige Unterdrückung ehrwürdiger Eigenart, Gebräuche und charakteristischer Traditionen. Stimmen aus der Provinz Bergamo, den Regionen Aosta und Trehtino Alto Adige, ergehen sich in bitteren Beschwerden über eine Zentralbürokratie, die sich an den Rechten der alpinen volklichen Minderheiten vergreift und dabei Verbündete finde bei großen politischen Gruppen, die mit einer moralisch und politisch widerspruchsvollen Unempfindlichkeit jederzeit wagen, sich als Nationalisten hinzustellen. Es ist bezeichnend, daß in diesem Blatt ein Verfasser an die Tatsache erinnert, daß im Gegensatz zur Gegenwart „unter den hochqualifizierten und überaus integren Amts- - trägem jeden Grades, die Oesterreich hatte, man eine ausnehmend hohe Zahl von Lombarden, Venezianern, Friaulern und Trien- tinern zählte, erzogen in einer Schule des Ernstes und des Pflichtbewußtseins und einer - echten Berufswürde". Ein Urteil über die einstige österreichische Verwaltung, dessen Verwurzelung in dem Gedächtnis Geschlechter überdauert hat.

DIE CHINAREISE DER ACHT ENGLÄNDER , hob sich von einem düsteren Welthorizont ab, jedoch von einem Horizont ohne drohende ' Akkumulationen, und sie wäre demgemäß im europäischen EVG-Konierenzlärm gleichsam am Rande abgelaufen, wollten nicht die zwar stets verbindlich lächelnden, aber nichtsdestoweniger festen Gastgeber zur rechten Zeit für einige grelle Lichteifekte sorgen. Sie taten es, denn sie wollten aus der Anwesenheit der Labourführer politischen Nutzen Ziehen, während diese, zumindest aber Attlee, als unmittelbaren Ertrag ihrer Reise bloß günstige Folgen auf wirtschaftspolitischer Ebene ins Auge gefaßt hatten. Diese Folgen wären nun auch . allein bedeutsam genug, wie man darauf schon aus dem weltweiten oft nervösen Echo von Washington bis Tokio schließen kann. Mit dem ostasiatischen Koloß richtig ins Geschäft zu kommen: In diesem Wunsche treffen sich auch alle jene, die sonst und vorlaut und dadurch etwas verdächtig von der Schweinsborste" und von den „Wieselschwänzchen" erzählen, die angeblich China heute allein zu liefern imstande ist, Die Japaner waren bisher von ihren amerikanischen Schutzherren atn .Chinageschäft gehindert — trotzdem kamen, sie mit ihrem Export- bzw. Importvolumen von . acht Millionen Dollar im letzten Halbjahr ganz schön in Schwung. Dieser Schwung ist aber unmittelbar durch die Pekinger Wirtschaftsgespräche der Engländer gefährdet. Da wiederum Japan in Südostasien wirtschaftlich mehr und mehr an Terrain gewinnt und dadurch die Konzeptionen Londons stört, ist das Bestreben der beiden nach möglichem Ausgleich wohl verständlich. China will aber mehr und anderes als Eintracht in Wirtschaft und Politik, die, wie es meint, auf seine Kosten ginge. Also erklärten die chinesischen Führer vor ihren Gästen laut ihren Wunsch und Appetit auf Formosa, um damit die im Raum unsichtbar anwesende Londoner Regierung in heikle Lage und so zur Aktivität zu drängen und — eine amerikanische „Einkreisungspolitik" am Vorabend der Manilakonferenz nacheinander ihrer wichtigsten Mitspieler zu berauben. So sind auch die sehr präzisen Forderungen Maos nach Rückzug der Amerikaner und nach weiterer Niederhaltung Japans zu deuten. China hat bekanntlich keine Kriegsflotte, und somit dürfte eine Kriegsgefahr, die ein chinesischer Angriff auf Formosa (wenn auch nicht aui die von den Amerikanern ungeschützten vorgelagerten Inseln) bedeuten könnte, außer Sicht sein.-Weit gefährdeter ist, so sagt man, gegenwärtig Thailand, von innen, von unten her.

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