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FDP ohne Mende
Seit in der Bundesrepublik die große Koalition anhub, geriet die langjährige Miitregierungspartei der Freien Demokraten zusehends kl die dunklen Schattenzonen der politischen Landschaft Zu lange bloßer Behelf für knappe Regierungsmehrheiten oder Sperriegel gegen die SPD, rutschte sie seit dem Auslaufen der kleinen Koalition immer tiefer in die bloß lokalen unteren Gefilde innenpolitischer Bedeutung.
Keinen Leib
Entgegen einer weit verbreiteten Meinung ist die FDP nicht die liberale Partei scMechiÜhin als welche sie sich mitunter angesehen wissen möchte und als welche sie so oft angesehen wird. Wäre sie das, dann hätte sie wohl allerhand Flügel: linke und rechte und noch viele andere, aber eben Flügel an einem zentral gelegenen Leib. Tatsächlich
besteht die FDP aber aus lauter Flügeln und besitzt keinen Leib. Was ihr fehlt ist jene unveränderbare Kernschicht, jene Willensachse, um die sich alles, was ihr-anhängt, dreht.
Die nicht nur bei ihr, bei ihr aber doch stärker aufspürbaren alt-natio-
naien Kreise sind ihr sanft entglitten; deren aktivster und radikalster Teil fand sich in dar NPD zusammen und verschmolz dort mit anderen, im Grunde gleiehgesdnnten Gruppen. Stark wirtschaftlich gesonnene Interessenten bevorzugen (nicht nur in der Bundesrepublik), vor die Gretchenfrage „Mit oder gegen die große Mehrheit“ gestellt, einen Kompromiß mit dieser. Die sozialen, progressiven und eher links tendierenden Kräfte schielten zur SPD und wurden durch deren jähe Regierungsteilnahme um alle Hoffnungen ihres her piatonischen Liebäugelns gebracht. Töne, welche die FDP zuletzt anschlug: neue Ostpolitik, herzhafte und realistische Schritte in Richtung einer Entspannung, später vielleicht sogar Wiedervereinigung unter bisher ungewohnten Zugeständnissen, finden sich weit kräftiger in dien Notenblättern
der SPD, die darin seit Neuestem, und nicht bloß aus taktischen Gründen von Kiesinger fast noch übertroffen wird.
So. bleibt die gerade dem Deutschen, dessen demokratische Vorbildung ja nicht überreich ist, so schwer verständliche Punktion als kontrol-
lierende Opposition übrig, dte sich in einem Volk, dem die Staatsaüto-rität besonders heilig ist, nui* sehr verschwommen darstellt und nicht ohne Unbehagen zur Kenntnis genommen wird.
Aber auch das sind nur Symptome, Die ganze Wahrheit ist, daß der Umbruch der Gesellschaft, die radikale Veränderung der geseälßchaftMchen Kräfte und die neue Technik der Macht, die daraus entspringt, die FDP immer weiter von den Zentren des politischen Prozesses wegdrängte.
Nur noch Zugabe
Die sogenannte moderne Gesellschaft bildet ein unüberschaubares und undurchdringliches Geflecht. Der Mensch, der sich heute immer allgemeiner das Recht au einem primitiven, überwiegend konsumorientäer-ten Individualismus nimnit, neigt bei der Bestimmung seiner politischen Organe dennoch dazu, sich zu Mas-sehzusammenballungen zu summieren. Vielleicht denkt er sich noch seinen Teil —' reden (beziehungsweise politisch handeln) läßt er „die änderen“, die ihn notwendigerweise zu immer noch größeren Massen verdichten. In einem solchen Prozeß ißt eine Partei von der vergleichsweise geringen Größe der FDP in der Oppositionsrolle keine Alternative zur Regierung. Sie funktioniert nur noch als Zugabe, ein Beiwerk, dessen die augenblickliche Konstellation nicht bedarf:
So findet sich die FDP in der betrüblichen Lage, auf „bessere Zeiten“ warten zu müssen, die heraufzuführen jedoch außerhalb ihrer Möglichkeiten steht Was bleibt,“ist der Versuch, aus den Fehlem der anderen zu profitieren, durch Mißerfolge und deren zerstörerische Wirkung auf das Ansehen dessen, der sie hat, wieder zu Bedeutung zu gelangen.
Wäre die FDP einev Prograimim-oder gar Weltanschaaiungspartei, so würden deswegen vielleicht ü:- Hoffnungen nicht wachsen, aber sV könnte ihr mißliches Schicksal leichter und vertrauensvoller ertragen. Gerade das aber ist sie nicht. Auch die CDU/CSU und die SPD sind das nicht mehr in dem Maße, in dem sie es einst waren; da sie jedoch an den Hebeln der Macht zu hantieren vermögen, üben sie eine magisch
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