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Agrarpolitik in Diskussion
Die Gesellschaft für Land- und Forstwirtschaftspolitik widmete die jüngste Ausgabe ihrer regelmäßig erscheinenden Publikation „Agrarische Rundschau” der Agrarsoziologie, die in Österreich nach Meinung prominenter Fachleute wissenschaftlich und institutionell unterrepräsentiert sei. Die „weitgehende Nichtexistenz einer österreichischen Landsoziologiie” wird mit dem Fehlen eines modernen landwirtschaftlichen Forschungskonzeptes in Zusammenhang gebracht und „eine angemessene Vertretung der Agrarsoziologie” an der Hochschule für Bodenkultur gefordert. Professor Dr. Bach, Rektor der Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in Linz stellte in seinem Beitrag fest: „In Österreich ist die Agrar- und Landsoziologie sowie die Fop- schumg auf diesem Gebiet ein Stiefkind der Wissenschaft.”
Die Probleme der heutigen Agrarpolitik sind sehr vielschichtig und umfassen ökonomisch-technische sowie soziale Anliegen der bäuerlichen Bevölkerung. Agrarpolitik gilt im traditionellen Sinne immer noch fast ausschließlich als Wirtschaftspolitik, obwohl sie nicht zuletzt infolge der Bedeutung von Raumordnung und Umweltschutz auch gesellschaftliche Relevanz aufweist, was die Notwendigkeit der agrarsoziologischen Forschung dokumentiert. In der Bundesrepublik gibt es eine „Agrarsoziale Gesellschaft” sowie zahlreiche wissenschaftliche Institute. Prof. Dr. Ulrich Planck, Vorstand des Instituts für Ländliche Sozialforschung der Universität Stuttgart, stellt hinzu fest: „Die ländliche Sozialforschung wird jedoch der Gesellschaft erst dann voll nützen, wenn sie ihren soziologischen Rückstand aufgeholt hat. Gerade die auf Aktionen und Problemlösungen bezogene Sozialforschung bedarf eines soliden theoretischen Unterbaues.”
In diesem Zusammenhang verdient daher eine Initiative der Katholischen Kirche, welche bereits bei der Gründung einer „Bergbauernvereinigung” Pate stand, erwähnt zu werden. Im Rahmen der vorbereitenden Arbeiten zum österreichischen Katholikentag wurde eif Arbeitskreis „Konflikt und Versöhnung im ländlichen Raum” eingesetzt, der die Situation der Kirche auf dem Lande sowie das gesellschaft liche Zusammenleben und damit zusammenhängende Freizeit- und Erholungsprobleme der Familien kritisch untersucht, aber auch zum ländlichen und bäuerlichen Ehe- und Familienleben Stellung nehmen wird. Der Arbeitskreis hat dem Katholikentag 57 Fragen aus 8 Konfliktbereichen zur Beratung und Beantwortung vorgelegt, wobei betont wurde, daß „dem Menschen auf dem Lande heute weitgehend das Selbstbewußtsein fehlt und sich Minderwertigkeitsgefühle breit machen”. Immerhin darf nicht vergessen werden, daß es heute viele junge Hof- übemehmer sehr schwer haben, eine geeignete Ehegattin zu finden, weil ,3äuerin sein”, so ist von jungen Mädchen oft zu hören, „nicht mehr erstrebenswert” ißt.
Während sich die praktische Agvar- sozialpolitik in Österreich neben dem großen Bereich der Krankenfürsorge, der Arbeitsmarktförderung, Umschulung und einer entsprechend mobilen Beratung der bäuerlichen Bevölkerung bedient, wurde in der BRD ein klares agrarsoziales Konzept im Rahmen einer ganzheitlich orientierten Agrarpolitik ausgearbeitet. In einem Interview, das der Verfasser dieser Zeilen mit Bundesminister Erti,’ derzeit infolge einer unbefriedigenden EWG-Agrarpolitik hart von den Landwirten attackiert, für die „Agrarische Rundschau” machte, sprach dieser sich für eine soziale Steuerung des landwirtschaftlichen Strukturwandels aus und betonte, daß im Mittelpunkt der Agrarsozial- poliitik „die Verbesserung der sozialen Sicherheit aller in der Land- und Forstwirtschaft Tätigen stehen muß.” Für 1974 habe das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forste in Bonn 2,34 Milliarden DM für agrarische Sozialmaßnahmen zur Verfügung, für 1975 seien, führte Erti aus, 2,49 Milliarden vorgesehen.
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