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Als Polen noch ftir Osterreich ritt

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Am 12. September 1683, bei der Befreiung Wiens von der zweiten Türkenbelagerung, ist auch viel polnisches Blut geflossen, woran noch kein repräsentatives Denkmal erinnert. Ein Jahr vor der 300-Jahr-Feier sei darauf angesichts der Lage in Polen und der halbherzigen Aufnahme polnischer Flüchtlinge hingewiesen.

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Am 12. September 1683, bei der Befreiung Wiens von der zweiten Türkenbelagerung, ist auch viel polnisches Blut geflossen, woran noch kein repräsentatives Denkmal erinnert. Ein Jahr vor der 300-Jahr-Feier sei darauf angesichts der Lage in Polen und der halbherzigen Aufnahme polnischer Flüchtlinge hingewiesen.

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Augenzeugen und Chronisten der Entsatzschlacht um Wien 1683 berichten einstimmig, daß die polnischen Flügelhusaren mit ihrer ungewöhnlichen Ausrüstung und nochmehr ihrer hier bisher nie gekannten kühnen Kampfweise ungeteilte Bewunderung und Staunen hervorriefen. „Ihre Erscheinung stellte das letzte Auflodern des alten sarmatischen Kriegsruhms dar. Ihre kühne, perfekte und schnelle Kampfweise sowie ihre originelle Ausstattung ließen alles an Glanz und Pracht hinter sich, was bis dahin und seitdem gesehen wurde."

Diese um 1500 in Polen auftretende gepanzerte Reiterei, die ihren Namen von den an den Schultern oder dem Rücken der Pferde befestigten Flügeln ableitet, „stellte die beste Waffeneinheit des polnischen Heeres dar. in de-

ren Dienste nur die besten und vermögensten Söhne aus ersten Familien berufen wurden". Weiters wird berichtet: „Die polnische Husaria zählt zur edelsten Reiterei Europas, sowohl der Auswahl der Menschen, der Pferde als auch ihrer schmucken Uniform wegen. Ihre Tapferkeit ist einmalig. Eine Vereidigung kennt die polnische Armee nicht, weil man dort die Wtterliche Ehre höher schätzt als den Eid."

Die Flügelhusaren ritten die schnellsten und edelsten Pferde, die nur mit Trensen ohne Kinnketten gezäumt waren, ein Umstand, der zur Wucht des Anpralls beitrug. Während die abendländische Kavallerie den Choc in der Carriere (schnellster Galopp) nicht kannte und mied — man trabte gewöhnlich bis auf 25 Schritt an den Feind heran, hielt, feuerte die Pistole ab und erst nachher wurde mit dem Säbel in der Faust eingebrochen —, ritten die polnischen Flügelhusaren auf ihren gepanzerten Pferden mit ihren viereinhalb Meter langen schweren Lanzen im vollen Galopp und mit unerhörter Wucht furchtlos in die Masse der feindlichen Truppen hinein; zerschnitten, zersprengten sie, schössen ihre Pistolen ab und kehrten, nach blutigem Gefecht, plötzlich um und galoppierten zurück.

Nach kurzer Rast, Sammlung und neuerlicher Aufstellung stürmten sie wieder gegen den Feind. Gewöhnlich reichten zwei Attacken, um den Gegner in die Flucht zu schlagen.

Wieso und warum wurden sie dann in Österreich so schnell vergessen? Weil die tapferen Polen die für. den Kampf um Freiheit und Glauben stets zu haben waren, für ihren heldenhaften Einsatz bei Wien vom Kaiser weder Dank noch Anerkennung ernteten. Als später mit den drei gewaltsamen Landesteilungen von 1772,1793 und 1795 Polen auch noch für hundertfünfzig Jahre von der Karte Europas getilgt wurde, wobei das unterdrückte polnische Volk Entsetzliches zu erdulden hatte, konnte es freilich kaum etwas gegen die gehässige Propaganda und Verleumdungen seiner

Feinde, Unterdrücker und Neider ausrichten.

Wie gefürchtet die Regimenter der Flügelhusaren im Kampf waren, mit ihren im Wind bedrohlich rauschenden Flügeln, im Aussehen einer Schar rächender Erzengel ähnlich, geht deutlich aus dem überlieferten Tagebuch der Belagerung Wiens hervor, in welchem der Zeremonienmeister der Hohen Pforte die polnische Reiterei mit einer „schwarzen Pechlawine" vergleicht, die sich von den Bergen des Wienerwaldes „herab wälzte und alles verschlang, was sich ihr in den Weg stellte".

Besonders kraß wird dort der Zorn über das Eingreifen der Polen geschildert: „Der deutsche Kaiser hat lediglich Hilfstruppen nach Wien gesandt, nur der König von Polen, dieser verfluchte Verräter narrtens Sobieski, ist in eigener Person mit seinen Hetmanen sowie 35.000 Polengiauren zu Fuß und zu Pferd dem Hilferuf Kaiser Leopolds I. und des Papstes gefolgt."

Und nun einiges aus Berichten über den Einsatz der Flügelhusaren 1683 vor Wien: Infolge des schwierigen, unwegsamen Geländes des Wienerwaldes erreichte die polnische Reiterei Pötzleins-dorf und Dornbach erst am späten Nachmittag. Sobald die Osmanen die Anwesenheit der gefürchteten Flügelhusaren bemerkten, warfen sie gegen die Front der Polen ihre sämtlichen Elitetruppen, wodurch es dort zu einem grauenhaften Gemetzel kam, bei dem die Polen ihre blutigsten und empfindlichsten Verluste hinnehmen mußten.

Als es dann gelang, den Feind gemeinsam in Richtung Otta-kring zurückzuwerfen, gewann man zugleich jenes Gelände, welches zur Entfaltung der Reiterei nötig war. Trotz später Stunde entschloß sich König Sobieski, im festen Vertrauen auf seine unbesiegbaren Flügelhusaren, den Kampf noch am gleichen Tag zum siegreichen Ende zu führen. Er brachte die von ihm schon als Krongroßfeldherr eingeführte schachbrettförmige Aufstellung der Kavalleriemassen zur Anwendung, mit seinen Flügelhusaren an der Spitze.

„Da thronen regungslos auf schweren Rossen die in ganz Europa berühmten Flügelhusaren in ihren funkelnden, vergoldeten Rüstungen, am Rücken das legendäre Flügelpaar, dazu wehende Reiherbüsche auf blitzenden Helmen, über die Schulter flatternde Tierfelle (zum Schutze gegen Sä-

belhiebe), bewaffnet mit langen dicken Lanzen und Säbeln."

Ein Wink des Monarchen. Die Pauken erdröhnen, die Trompeten schmettern, der uralte Schlachtruf der Polen erschallt: „Jezus, Marya ratuj!" (J. M. rette uns!).

Mit gesenkten Lanzen setzen sich zuerst die Flügelhusaren mit ihrem König an der Spitze in Bewegung. Augenzeugen wissen nicht genug, „das prächtige Schauspiel dieser Attacke zu rühmen, die Kühnheit und Gewandtheit der Flügelhusaren, mit welcher sie, anfangs zwar langsam, dann aber in immer stärkerer Gangart das durchschnittene Gelände mit einer zur damaligen Zeit nicht gekannten, nicht geahnten Schnelligkeit der Pferde durchflogen".

„Das alles ergab einen so imposanten Anblick, daß fast aller Augen dieser glänzenden Reitertruppe bei ihrem Erscheinen auf dem Schlachtfelde sich zuwandten, daß mancher christliche und osmanische Kämpfer darüber auf Augenblicke des eigenen Kampfes vergaß."

Zusammen „brachen etwa 7000 schwere Reiter auf einmal in die Stellungen der Belagerer ein ... Von den 2500 Lanzen der die erste Linie bildenden Husaren bleiben nur zwanzig unzersplittert, dafür flogen aber die vordersten Reihen der Osmanen von ihren Pferden".

Die Türken flüchten

Immer weiter, immer tiefer drängen die Husaren, jetzt bereits mit den Schwertern kämpfend, in die Masse des Feindes hinein. In der Folge zerbricht auch die zweite türkische Linie. Plötzlich auf ein vereinbartes Zeichen wenden die Flügelhusaren ihre Rosse und reiten im Galopp zurück. Nur ereignet sich jetzt etwas „Unbegreifliches, in den Annalen des os-manischen Heeres bis dahin nicht Gekanntes"! Das türkische Zentrum, das bisher heldenhaft den Kaiserlichen, den Franken und Bayern getrotzt hat, muß langsam zurückweichen, um nicht umzingelt zu werden.

Um fünf Uhr müssen die Polen, die sich nach der großen Attacke neu geordnet haben, nochmals die Türken zersprengen. Mehrere tausend Rosse galoppieren gegen die Schmelz und die Vorstadt St. Ulrich. Die Türken flüchten ... Um halb sechs abends betritt Sobieski das Zelt Kara Mustafas.

Mit seinen Flügelhusaren berei- , tete Sobieski schon früher und mehrmals den Osmanen vernich-

tende Niederlagen, so etwa bei Choczim 1673 oder 1676 bei Zo-rawno. Die Attacke der polnischen Flügelhusaren vor Wien, vom König Sobieski mit seinen beiden Hetmanen Jabonowski und Sieni-awski befehligt, zählt noch heute zu den glanzvollsten Beispielen in der Geschichte der hohen Kriegskunst.

Erarbeitet nach Studien und Berichten von: Fürst Joh. G. v. Anhalt, O. F. de Batta-glia, Dalerac, G. Düriegl, K. Gutkas, Z. Glo-ger. E. Hanisch, F. Kluczycki, R. F. Kreutel.O. Laskowski, R. Lorenz, J. Loserth, Wl. Lozins-ki, R. Neck, C. Wilh. Freiherr v. Mansberg, T. Raschid, P. Rycant, J. Sobieski, J. P. Spielmann, W. Sturminger, Taafee, H. A. v. Ziegler, Waldeck u.a.

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