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Bleiben wir bei der Sache!

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Es hat einmal eine Zeit gegeben, da wurde über das Bauen so gesprochen: „Von Fenstern insgemein. Weil die Fenster in einem Gebäude so nothwendig sind als die Thüren, habe ich vor nuzlich erachtet gleichfalls davon verschiedene Arten und ihre Verhältnüsse zu beschreiben, Sca-mozzi vergleichet die Haupt-Thür eines Gebäudes mit dem Maule und die Fenster mit den Augen, weil sie das Licht von außen empfangen, und in das Gebäude lassen. So sollen auch billich diese nuzliche Stücke eines Gebäudes, wodurch diese von den Wohnungen der unvernünftigen Thiere unterschieden werden, ihre Verhältnüsse und Zierathen so wohl als die Thüren haben. Vor allem muß man diese Oeffnungen nach der Größe des Gebäudes richten. Denn wo sie zu klein und zu wenig werden, bleibet das Gebäude dunkel. Sind sie aber zu groß und zu viel, so kommen sie nahe an einander, schwächen ihre Wand, lassen die Hitze und die Kälte zu häuffig ein, und können wohl zu dem Verderben des ganzen Hauses beytragen.“ („Civil-Baukunst“ von Vignola, um 1700.)

Heute spricht man jedoch von „formalen und geistigen Strukturproblemen“, von „technisch-räumlichen Struktursymbolen“ und natürlich von „metaphysischen Grenzfragen“, wenn man das Bauen meint. Eines wissen wir: damals hat man gut gebaut. Und was wäre heute eine Diskussion über Architektur, wenn nicht immer wieder jemand aufstünde, der „schlechthin in Architektur denken“ und als „universeller Spiritualist“ die „Symbole“ unserer Zeit setzen möchte.

Die billige, materialistische Auslegung der Gedanken über das Bauen kann nur von einer Unkenntnis des Werkes und der Persönlichkeit Konrad Wachsmanns kommen. Nicht nur das: die Gemeinplätze des „Antimaterialismus“ stehen denen des „Materialismus“ nicht nach. Der Entgegnet scheint sich dessen gar nicht bewußt zu sein, daß seine Ausführungen dem Denken verhaftet sind„ das sie angreifen. Jedenfalls wäre es sonst nicht möglich, heute noch die Technik als ein materialistisches Phänomen zu denken, gerade in dem Augenblick, da gerade durch die Wissenschaft die Begriffe der Perfektion, also die vermeintliche Ausschaltung unkontrollierbarer Faktoren, also des „Menschlichen“, in Frage gestellt werden.

Es ist die Frage gar nicht zu diskutieren, „inwieweit der Geist die Technik bestimmen kann“. Warum immer gleich die Angst um das Schöpferische? Jeder Techniker weiß, welcher Spielraum der freien Entscheidungen noch beim bestimmtesten technischen Gegenstand vorhanden ist. Außerdem stellen alle Funktionen immer nur schwache Annäherungen an die in der Natur vorhandenen dar. Aus der „freien“ Kunst wissen

wir, daß sich der Meister den strengsten Gesetzen unterwerfen kann und der Dilettant die größte Freiheit nicht zu gebrauchen weiß.

Es erscheint uns überhaupt die ganze Diskussion, ob „spirituell“ oder „materialistisch“, überflüssig. Die Entscheidungen fallen anderswo. Wir sollten uns nicht so viel Sorge machen, ob unsere Bauwerke Kunst sind oder nicht. Das wird von uns nicht bestimmt. Was heißt nach Symbolen unserer Zeit suchen? Jedes Bauwerk und jeder Gegenstand ist „Symbol“ seiner Zeit. (Um den Begriff so falsch zu gebrauchen wie in der Entgegnung.) Oder soll das Suchen nach Symbolen Symbol unserer Zeit sein?

Warum immer das Schlagwort „kollektivistisches Bauen“? Die Architektur Japans hat sich seit Jahrtausenden an die Mattengröße als Maßeinheit, gehalten (1 X 2 Ken = 1,818 X 0,909 m) und der Begriff des variablen Typenhauses ist dort eine ebenso alte Realität.

Wir können auch weiter im Frack operieren und schöne Diskussionen führen. Die Schweißer und Dreher werden inzwischen eine Welt errichten, in der wir Architekten nur unsere Barte spazieren tragen können.

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