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Antikrieg?

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Deutsch sein heißt bekanntlich, eine Sache um ihrer selbst willen tun. Deshalb sind derzeit unsere Friedensdemonstrationen eine echte deutsche Spezialität. Die Euren müßt Ihr bitte selbst beurteilen.

Es ist derzeit schon sehr schwer, einem nichtdeutschsprachigen Ausländer das deutsche Wort „Betroffenheit" zu erklären. Formell und äußerlich betroffen ist die Bundesrepublik ja gerade nicht: weder ist sie am Kriegsgeschehen aktiv beteiligt noch ist sie betroffen im Sinne von direkt gefährdet. Allenfalls könnte die Bundeswehr auf dem Umweg über die Türkei und das NATO-Bündnis noch direkt betroffen werden.

Vermutlich meinen aber die meisten, die das Wort „Betroffenheit " nun anführen, eher ihre „ Erschrockenheit" oder innere Betroffenheit. Wir Deutschen glaubten ja vor etwa einem Jahr viel lauter als die meisten anderen europäischen Völker, aufatmen zu können: mit dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts und der Errichtung der deutschen Einheit schien uns in Gesamteuropa der Friede endlich gesichert, die Kriegsgefahr für immer gebannt. Plötzlich grinst nun wieder das Kriegsgespenst durch unser Tele-Fenster.

Eine innere Betroffenheit der Deutschen ist auch deshalb gerechtfertigt, weil unsere erfolgreiche Exportindustrie nicht nur das Bruttosozialprodukt mit kuweitischen oder saudiarabischen Öldollars erhöht hat, mit denen dem Irak Kriegsmaterial, Bunkerbauten, Flugplätze und ähnliches finanziert wurde. Wie auch aus anderen westlichen Ländern.

Aber die besondere moralische Betroffenheit könnte daher rühren, daß ausgerechnet deutsche Firmen an der Ausrüstung des Irak mit Giftgas beteiligt waren, das nur 45 Jahre nach Auschwitz wieder Juden bedroht.

Noch betroffener im Sinne von erschrocken muß man sein, wenn die von diesem Vorwurf Betroffenen sich nun damit entschuldigen: das Giftgas sei ja gar nicht gegen die Juden gedacht gewesen, sondern nur zur Abwehr von Khomeinis islamischen Fundamentalisten.

Das typisch Deutsche an unseren Anti-Kriegs-Demonstrationen ist nun der Versuch, nicht lange nach den Ursachen, dem Verursacher und nach den Alternativen für diesen Krieg zu fragen. Sondern bei uns wird grundsätzlich, ausgewogen und gerecht einfach gegen den Krieg als solchen demonstriert.

Das ist politisch ungefähr so glaubwürdig, wie wenn jemand, der zuerst Waffen an Kriminelle verkauft und die Befugnisse der Polizei im Interesse der Bürgerrechte streng beschränkt hat, anschließend gegen das Verbrechen selbst demonstriert. Wir alle sind betroffen über das Böse in der Welt. Darum „Nieder mit dem Bösen!

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