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Das Angebot des VOEST-Be-triebsrats vom 18. September 1986, anläßlich der für 1. November 1986 vorgesehenen Arbeitszeitverkürzung auf 38,5 Wochenstunden (beziehungsweise bei einer weiteren Verkürzung auf 37 Wochenstunden) auf Lohnausgleich zu verzichten — was einer Lohnkürzung um 3,9 Prozent entspricht — ist epochal!
Daß er darüber hinaus die von der Gewerkschaft für die Metallarbeiter geforderten 4,5 Prozent Istlohnerhöhung aussetzen will, um damit den Mangel an Konkurrenzfähigkeit zu bekämpfen und
Arbeitsplätze zu retten, bedeutet, daß erstmals realistische und marktkonforme Elemente in die arbeitsmarkt- und sozialpolitische Entscheidungsfindung einbezogen werden.
Daß die bisher wirksamen Machtmechanismen keine andere Lösung für Auslastungsschwankungen gefunden haben, als einen bestimmten Prozentsatz individuell gänzlich Unschuldiger mit dem Existenzminimum auf die Straße zu setzen, kann nur als eine unglaubliche Fehlleistung unseres Wirtschaftssystems beurteüt werden. Sie widerspricht der sonstigen Höhe des Kulturniveaus schändlich.
Anpassungsfähigkeit und Sensibilität, Solidarität, Erfindungsreichtum sind die Eigenschaften langfristig überlebensfähiger Mechanismen.
Das Einkommensniveau und die Arbeitszeitbestimmung werden durch die Vertreter jener Arbeiterschaft, die nunmehr von Massenkündigungen bedroht ist, zum Thema gemacht. Das beweist die nachhaltige Konkurrenzunfähigkeit der Investitionsgüterindustrie auf dem internationalen Markt. Es ist als Signal für die UnVerhältnismäßigkeit zwischen der Attraktivität der Produkte und der mit ihnen zu erzielenden Einkommen verstanden worden.
VOEST-Auf sichtsrat und -Vorstand sind durch dieses massive Lohnsenkungs- bzw. Kostensenkungsangebot irritiert und erklären, daß damit die Strukturprobleme nicht zu lösen seien und „Zementierungen“ nicht erwünscht wären.
Zahlreiche internationale Sanierungsfälle beweisen freilich, daß ein Beitrag zur betriebswirtschaftlichen Gesundung auch die befristete undoktrinäre Ausrichtung der Einkommens- und Arbeitszeitregelungen an Marktgegebenheiten gewesen ist. Die einschlägigen Modelle sind nachlesbar.
Befristet soll heißen, daß selbstverständlich durch solche harten Einschränkungsmaßnahmen nicht für immer der in einer freien Wirtschaft systemimmanente Verteilungskampf zwischen Kapital und Arbeit ausgesetzt werden kann.
Wenn dieser unpolemisch auf der Basis realer wirtschaftücher Leistung geführt wird, so können seine Ergebnisse umso berechtigter eingefordert werden, wenn in Zeiten objektiver Not eine Korrektur der unter anderen Voraussetzungen festgeschriebenen Ansprüche vorgenommen wird.
Es ist nicht nur ein gesellschaftliches Gebot, sondern selbstverständlich, daß die Arbeitnehmer in unproduktiven, marktfernen und geschützten Bereichen einem so schwer errungenen Beschluß von Industriebetriebsräten zwingend folgen müssen!
Unvorstellbar aber, daß nur die hart arbeitenden und in ihrer ganzen Lebensführung dem internationalen Wettbewerb ausgesetzten Industriebediensteten auf Einkommen verzichten, während gleichzeitig die in jeder Hinsicht privilegierten Mitbürger in den Ämtern öffentlicher Körperschaften ungerührt ihre aus fetten Konjunkturzeiten. stammenden Beträge weiter beziehen.
VOEST-Vorstand, ÖIAG, Gewerkschaft, Industriellenvereinigung, Sozialministerium und Bundeskanzleramt wären gut beraten, wenn sie das im Angebot des VOEST-Betriebsrats enthaltene grundwahre Element einer Flexibilisierung und Höherentwicklung unserer makroökonomischen Systeme ernst nähmen und aufgriffen.
Es wäre jedenfalls eine dringend gebotene legistische Innovation, Kollektivverträge zu entwik-keln, die es zulassen, solche Aufgabenstellungen ökonomisch sachkundig und sozial gerecht zu bewältigen.
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